Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Blockaden der „Letzten Generation“: Autos blockieren am meisten
> Nach einem blockierten Rettungsdienst-Einsatz hagelt es Kritik. Doch
> weitaus gefährlicher ist die Normalität des motorisierten
> Individualverkehrs.
Bild: Eine philosophische Frage: Blockieren die Aktivist:innen den Verkehr oder…
Das Ausmaß der Empörung, die sich am Montag einstellte, war vorhersehbar.
[1][Ein Rettungswagen der Feuerwehr war wegen einer Blockade der A100 durch
Klimaaktivist:innen der Letzten Generation deutlich verspätet zum
Unfallort einer schwer verletzten Radfahrerin gekommen], die von einem
Betonmischer erfasst worden war. Seit Wochen blockieren die
Klimaaktivist:innen Straßen und bewerfen Gemälde mit Lebensmitteln.
Mit ihrer Strategie, das Alltagsleben zu stören, bis der Klimakrise endlich
mit ernsthaften Maßnahmen begegnet wird, [2][machen sich die
Aktivist:innen nicht nur bei Polizeigewerkschafter:innen
unbeliebt].
„Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben anderer zu gefährden“, gab
zum Beispiel Innensenatorin Iris Spranger (SPD) den Konsens wieder, der
sich nach dem Unfall durch die Kommentarspalten der sozialen Medien zog.
Dieser Kritik ist nur zuzustimmen. Denn unabhängig davon, ob die Verspätung
des Rettungswagens einen Unterschied für die in Lebensgefahr schwebende
Radfahrerin gemacht hat, hat die Aktion der Letzten Generation eine Grenze
überschritten.
Letztendlich sind die Straßenblockaden nur symbolische Aktionen, die das
Ziel haben, möglichst viel mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Werden dabei
Menschenleben gefährdet, muss sich die Gruppe nicht nur den Vorwurf der
Unverhältnismäßigkeit gefallen lassen, sondern auch intern kritisch
reflektieren, ob diese Aktionsform weiterhin zielführend ist.
Die Rechtfertigung der Gruppe, Blockaden seien notwendig, da „alle zuvor
gelagerten Mittel wie Demonstrationen und Petitionen nicht den notwendigen
Erfolg gebracht haben“, wirkt vor dem Hintergrund wenig überzeugend.
Gruppen wie Ende Gelände oder [3][Scientist Rebellion] zeigen, dass
radikaler Protest auch ohne Gefährdung von Menschenleben möglich ist.
## Tödlicher Individualverkehr
Dennoch wirkt die Empörung auf den zweiten Blick heuchlerisch. Denn hätte
der Schutz von Radfahrer:innen und Fußgänger:innen in dieser Stadt
wirklich Vorrang, dann würde die zweistellige Zahl von Fahrradfahrenden,
die jährlich von Autos und Lkws in Berlin getötet werden, [4][nicht mit
einem Schulterzucken hingenommen werden].
Einfache, aber unpopuläre Maßnahmen wie ein Abbiegeverbot für Lastwagen
oder eine Ampelschaltung, die Radfahrer:innen bevorzugt, [5][hätten
schon längst Dutzende Menschenleben retten können, doch sie lassen bislang
auf sich warten.]
Auch die individuelle Verantwortung der Autofahrer:innen wird in der
Debatte weitestgehend ausblendet. Entscheide ich mich, mit dem Auto und
nicht mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren,
gefährde ich, zumindest statistisch gesehen, meine Mitmenschen, die mit dem
Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. Allein die Kritik, man könne nicht
erwarten, dass Autofahrer:innen ordnungsgemäß eine Rettungsgasse
bilden, lässt tief blicken.
## Jeder Tote ist vermeidbar
Die Aussage „Irgendeiner schnallt es immer nicht richtig“ des
Pressesprechers der Berliner Feuerwehr offenbart ein Verkehrssystem, indem
es normal und akzeptabel ist, dass Rettungskräfte tagtäglich durch andere
Verkehrsteilnehmer blockiert werden.
Die traurige Wahrheit ist: Jede*r Verkehrstote ist vermeidbar. Der
motorisierte Individualverkehr in Städten ist nicht nur aus Klima- und
Platzgründen ein Auslaufmodell, sondern vor allem aus Respekt vor dem Leben
unserer Mitmenschen. Eine weitere Verzögerung der Verkehrswende wird
deutlich mehr Menschenleben gefährden als alle Aktionen der Letzten
Generation zusammen.
Dementsprechend sollte der Aufschrei bei jeder verunfallten Radfahrer*in
mindestens so groß sein, als hätte die Letzte Generation den Rettungswagen
blockiert.
1 Nov 2022
## LINKS
[1] /Blockaden-der-Letzten-Generation/!5888674
[2] /Gefakte-Notrufe-der-Letzten-Generation/!5887953
[3] /Forschender-Aktivist-ueber-Klimaproteste/!5889907
[4] /Mehr-Tote-im-Strassenverkehr/!5876958
[5] /Rechts-abbiegender-Lkw-toetet-Radlerin/!5686533
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Verkehrswende
Letzte Generation
Verkehrstote
Vision Zero
Letzte Generation
Wochenkommentar
Verkehrsunfälle
Verkehrswende
Polizei Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Autogerechte Infrastruktur: Verteilungskampf an der Kreuzung
Mit der Rekommunalisierung des Ampelmanagements will der Berliner Senat die
Verkehrswende beschleunigen. Die Zivilgesellschaft ist skeptisch.
Straßenblockaden der Letzten Generation: Seien Sie ruhig sauer
Ein Autofahrer versucht, Klimaaktivist*innen von der Straße zu
zerren. Warum Wut im Straßenverkehr völlig okay ist, Selbstjustiz aber
nicht.
Blockaden von Klimaaktivist*innen: Die Hilflosigkeit der Politik
Die Proteste der „Letzten Generation“ gehen nach dem Tod einer
verunglückten Radlerin weiter. Mit Drohungen allein wird die Politik sie
nicht stoppen.
Blockaden der Letzten Generation: Blockade hält Feuerwehr auf
Ein Rettungsfahrzeug kommt verzögert bei einem Radunfallort an, weil es
nach Blockaden im Stau steht. Das heizt Kritik an der Letzten Generation
an.
Motorisierte Gewalt im Straßenverkehr: Vermeidbarer Kulturkampf
Bedrängen, Schneiden, Anfahren – immer wieder nutzen Autofahrer:innen
ihr Gefährt als Waffe. Helfen würden baulich getrennte Radwege.
Radpolitik in Berlin: Auf dem rechten Auge blind
Ein Lkw überrollt am Alex eine Radlerin. Die Verkehrsverwaltung untersagt
daraufhin das Rechtsabbiegen. Doch das Verbot wird ignoriert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.