# taz.de -- Hohe Preise für Einkauf in Haft: Inflation erreicht Gefängnisse | |
> In Sachsens Haftanstalten wurden die Lebensmittelpreise bis zu 120 | |
> Prozent erhöht. Die Linken-Abgeordnete Nagel fordert höhere Sätze für | |
> Verpflegung. | |
Bild: Zwischen Gewürzen und Salzstangen: Ein Justizbeamter durchsucht einen Ha… | |
BERLIN taz | Die Inflation hat auch die Gefängnisse erreicht, wie die | |
Antwort auf eine schriftliche Anfrage der sächsischen Landtagsabgeordneten | |
Juliane Nagel (Linke) ergibt. Sie liegt der taz vor. Demnach hat die Massak | |
GmbH in den sächsischen Gefängnissen bereits zum 1. Mai die Preise erhöht – | |
zum Teil um 120 Prozent. Gefangene können bei Massak nicht nur Lebensmittel | |
und Pflegeprodukte wie Shampoo kaufen, sondern auch zahlreiche andere | |
Produkte, etwa Zeitschriften und Rasierapparate. Nagel fordert nun eine | |
Anhebung der Verpflegungssätze auf das Niveau der Sätze in Krankenhäusern | |
sowie höhere Löhne für Arbeit in Haftanstalten. | |
„Besonders betroffen von einer Preiserhöhung sind Produkte des täglichen | |
Bedarfs sowie Lebensmittel“, heißt es in der Antwort des sächsischen | |
Justizministeriums unter Ministerin Katja Meier (Grüne). „Die | |
Preiserhöhungen bewegen sich [1][inflationsbedingt] zwischen fünf Prozent | |
(Kaffee Rondo) und 120 Prozent (Sonnenblumenöl).“ Nach der Preiserhöhung | |
seien in den meisten Justizvollzugsanstalten bereits Preisvergleiche mit | |
dem örtlichen Einzelhandel durchgeführt worden, berichtet das Ministerium. | |
Wie diese ausfielen, wird nicht mitgeteilt. | |
Im Juli wurden noch einmal Preise erhöht, wie aus Angebotslisten der Firma | |
Massak hervorgeht, die der taz vorliegen. Das betraf unter anderem | |
Toastbrot und H-Milch, deren Preis um rund 15 Prozent stieg. | |
Nagel fragte auch die aktuellen Verpflegungssätze in den sächsischen JVAen | |
ab. Die betragen der Antwort zufolge zwischen 2,79 Euro in Bautzen und 5,17 | |
Euro in Zeithein. Daraus ergibt sich ein Durchschnitt von 3,24 Euro – weit | |
weniger als das, was für Empfänger*innen von Transferleistungen („Hartz | |
IV“) vorgesehen ist. Nagel fordert eine Angleichung an die | |
Verpflegungssätze in Krankenhäusern. Die liegen der Antwort des | |
Justizministeriums zufolge bei durchschnittlich 7,67 Euro. | |
„Gefangene müssen ordentlich versorgt werden. Das ist angesichts der | |
steigenden Preise für Lebensmittel mit den sowieso viel zu niedrigen | |
Verpflegungssätzen objektiv nicht möglich – in Krankenhäusern ist dieser | |
Satz doppelt so hoch“, sagte Nagel. Laut Justizministerium wird der | |
Verpflegungssatz vorab festgelegt und könne nicht „unterjährig“ angepasst | |
werden. Allerdings sei aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise eine | |
Erhöhung für den Doppelhaushalt 2023/2024 bereits eingeplant. | |
Die Abgeordnete forderte darüber hinaus, die „viel zu niedrige Vergütung | |
für arbeitende Gefangene“ zu erhöhen. „Zirka 2.000 der 3.500 Gefangenen in | |
den sächsischen JVAen gehen einer Erwerbstätigkeit nach, bekommen dafür | |
einen Hungerlohn von maximal 2,15 Euro pro Stunde und sind nicht einmal in | |
die gesetzliche Rentenversicherung inkludiert.“ | |
Sachsen plane keine Erhöhung der Vergütung oder des Taschengeldes von | |
Gefangenen, heißt es in der Antwort zur Kleinen Anfrage. Allerdings sei „zu | |
erwarten, dass sich aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und | |
der zwischenzeitlichen Lohnerhöhungen die Bezugsgröße für das Jahr 2023, | |
spätestens aber 2024, erhöhen und somit auch die Höhe der Vergütung und des | |
Taschengeldes steigen wird.“ | |
Darüber hinaus [2][befasst sich derzeit das Bundesverfassungsgericht mit | |
zwei Klagen] von Gefangenen gegen die Höhe der Vergütung, weil sie nicht | |
dem Resozialisierungsgebot entspreche. Die Entscheidung wird im Herbst | |
erwartet. | |
Die taz hatte Anfang August eine [3][Recherche zu Einkaufspreisen und | |
Verpflegungssätzen in Gefängnissen] deutschlandweit veröffentlicht. Darauf | |
Bezug nehmend, sagte Nagel: „Auf den Prüfstand muss auch die Zusammenarbeit | |
mit dem Unternehmen Massak.“ Der Anstaltskaufmann versorgt neun von zehn | |
JVAen in Sachsen und die meisten Gefängnisse in Deutschland. „Massak ist | |
auch bundesweit Monopolist und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, mit | |
überteuerten Produkten an den Gefangenen zu verdienen.“ Das widerspreche | |
der Prämisse, dass Produkte zu marktgerechten Preisen angeboten werden | |
müssen. | |
Nagel schlägt vor, stattdessen mit dem lokalen Einzelhandel zu kooperieren. | |
Zudem solle das Justizministerium die Kosten für Lieferung und Verteilung | |
der Einkäufe übernehmen. | |
10 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Johanna Treblin | |
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