# taz.de -- Streamingportal LaCinetek: Hexen, Flüche und magische Kräfte | |
> Das Streamingportal LaCinetek zeigt in der Reihe „Seeing Weimar“ | |
> Raritäten des Weimarers Kinos. Es sind dokumentarisch-historische | |
> Aufnahmen. | |
Bild: Nahezu dokumentarische Bilder von der fernen Insel Bali zeigt der Film �… | |
In Zeiten überbordender Möglichkeiten, wenn mit wenigen Klicks Hunderte, | |
ach was, Tausende Filme auf Streamingportalen und in Mediatheken verfügbar | |
sind, werden Empfehlungen immer wichtiger. Weniger die im Stile des „User, | |
die A sahen, sahen auch B“, wie sie Netflix anbieten, als Empfehlungen von | |
Freunden oder vielleicht auch einem Filmkritiker des Vertrauens – man darf | |
ja hoffen. | |
Wie wäre es jedoch mit Empfehlungen von berühmten bis legendären | |
Filmemachern? Dass ist das Prinzip des Streamingportals LaCinetek, eine | |
Initiative französischer Regisseure, die seit drei Jahren auch in | |
Deutschland verfügbar ist. | |
Das mittels pay per view abrufbare Angebot ist mit knapp 700 Filmen zwar | |
sehr überschaubar, dafür aber von illustrer Qualität, gerade was die erste | |
Hälfte der Filmgeschichte bis etwa 1950, 1960 angeht. | |
Neben den Empfehlungslisten der Regisseur*innen, die zum Beispiel verraten, | |
welche Filme Maren Ade, François Ozon oder Park Chan-wook empfehlen, | |
veröffentlicht LaCinetek regelmäßig kuratierte Reihen, die sich | |
unterschiedlichen Aspekten der Filmgeschichte widmen. | |
## Seing Weimar – 26 Meisterwerke | |
Seit Kurzem finden sich dort unter dem Titel „Seing Weimar – 26 | |
Meisterwerke des deutschen Kinos“ Filme aus der Weimarer Republik | |
zusammengefasst, neben dem Neuen Deutschen Kino der 70er Jahre die | |
wichtigste und auch international einflussreichste Ära des deutschen Films. | |
Viel ist über die Jahre zwischen den Kriegen geschrieben worden, am | |
berühmtesten von Siegfried Kracauer, der in „Von Caligari bis Hitler“ eine | |
direkte Linie von den Filmen der Weimarer Republik zu den Schrecken der | |
Nazizeit zog. | |
Albtraumhafte Geschichten erzählten Regisseure wie Robert Wiene, Fritz Lang | |
oder Georg Wilhelm Pabst, evozierten einerseits die Freiheit, die Exzesse | |
der Weimarer Republik – wie sie im Kino in späteren Jahren etwa in | |
„Cabaret“, im Fernsehen in „Babylon Berlin“ mythologisiert wurden – | |
andererseits die Grenzen der neuen Freiheit, die Ahnung, dass eine Utopie | |
wie die in „Metropolis“ gezeigte nicht von Dauer sein wird. | |
Die 26 bei LaCinetek zu streamenden Filme bieten einen guten Überblick über | |
das Weimarer Kino, zumal die großen Klassiker allesamt verfügbar sind: | |
Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“, Robert | |
Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“, Fritz Langs „Metropolis“ und „… | |
Eine Stadt sucht einen Mörder“, Georg Wilhelm Pabsts „Die Büchse der | |
Pandora“, Joseph von Sternbergs „Der blaue Engel“. | |
## Murnau, Papst, Lang | |
Wie dominant diese Regisseure in der Weimarer Republik waren, zeigt sich | |
nicht zuletzt daran, mit wie vielen Filmen sie vertreten sind: Murnau mit | |
4, Pabst mit 6, Lang sogar mit 7. Dass sich unter den 26 Filmen kein | |
einziger findet, bei dem eine Frau Regie führte, mag man bedauern, | |
letztlich spiegelt es aber nur wider, wer in dieser Phase des Kinos Filme | |
machen konnte und wer nicht. | |
Neben den Säulenheiligen des deutschen Kinos sind zwei Aspekte der Auswahl | |
hervorzuheben. Zum einen die beiden wunderbaren Berlin-Filme „Kuhle Wampe | |
oder: Wem gehört die Welt“ von Slátan Dudow, der dem proletarischen Film | |
zugerechnet wird (das Drehbuch schrieb Bertolt Brecht, die Musik | |
komponierte Hanns Eisler). | |
Und „Menschen am Sonntag“ ein Film der neuen Sachlichkeit. Zwei | |
herausragende Filme aus der späten Weimarer Republik, die sich dem Leben | |
der Arbeiterklasse widmen und neben vielem anderen inzwischen fast | |
anthropologischen Wert besitzen. | |
Besonders an den Beteiligten des zweiten Films zeigen sich zudem eklatant | |
die Verluste, die das deutsche Kino, die Deutschland, nur ein paar Jahre | |
später erleiden würde. Regie führten Robert Siodmak und Edgar G. Ulmer, das | |
Drehbuch schrieben Billy Wilder und Curt Siodmak, Eugen Schüfftan und Fred | |
Zinnemann standen hinter der Kamera. Alle sechs sollten Deutschland bald | |
verlassen. Schüfftan wurde in Frankreich ein begehrter Kameramann, die | |
anderen fünf fassten in Hollywood Fuß. | |
## Neben Filmklassikern auch Raritäten | |
Zum anderen bietet die Reihe neben vielen mehr oder weniger gut bekannten | |
Klassikern auch einige bemerkenswerte Raritäten, die zum Teil erst vor | |
Kurzem restauriert wurden. Da finden sich zum Beispiel zwei weniger | |
bekannte Filme von Georg Wilhelm Pabst, der Antikriegsfilm „Westfront | |
1918“, der Anfang der 30er Jahre schnell verboten wurde. | |
Und das Bergarbeiterdrama „Kameradschaft“, das einige Jahre nach dem Ersten | |
Weltkrieg im deutsch-französischen Grenzgebiet spielt. Ein Grubenunglück | |
ereignet sich, das die Kooperation beider Länder verlangt. Besonders | |
bemerkenswert sind die quasi dokumentarischen Aufnahmen von unter Tage, die | |
das harte, lebensgefährliche Leben der Bergleute spürbar werden lassen. | |
Ebenfalls dokumentarisch angehaucht, wenn auch im Gewand eines Genrefilms, | |
ist Friedrich Dalsheims „Insel der Dämonen“, der auf der damals schwer zu | |
erreichenden und dadurch umso exotischeren Insel Bali gedreht wurde. Um | |
Hexen, Flüche und magische Kräfte geht es, was zur Premiere des Films im | |
Februar 1933, ein paar Tage nach der Machtergreifung der Nazis, noch einmal | |
einen Moment des Eskapismus ermöglichte. | |
23 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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