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# taz.de -- Energiewende in der Landwirtschaft: Unten Gemüse, oben Solardächer
> Die doppelte Nutzung von Wiesen und Äckern könnte Agrarwesen und
> Stromproduktion fördern. Bisher gibt es aber nur wenig Agri-Photovoltaik.
Bild: Strom und Gemüse: Ein Traktor zwischen Solarpannels in Lüptitz
Berlin taz | Die Energiewende [1][soll schneller gehen]. In diesem Zuge
drängt ein weitgehend unbekanntes Thema nach vorne. Die [2][sogenannte
Agri-Photovoltaik] kann Pflanzenanbau, Tierhaltung und Energieproduktion
verbinden. „Der entscheidende Vorteil besteht in der Doppelnutzung –
Landwirtschaft und Stromerzeugung werden kombiniert“, sagt Daniel Kögler
von der Firma Solverde. Die Regierungskoalition hat gerade die Bedingungen
dafür verbessert – aber es sind auch kritische Stimmen zu hören.
Solverde ist eine Genossenschaft, der Bürger:innen beitreten können, die
beispielsweise im Umkreis der Anlagen wohnen. Eine Verzinsung der Einlagen
von2 bis 4 Prozent pro Jahr wird versprochen. Projekte betreibt Solverde
etwa in Lüptitz bei Leipzig und im baden-württembergischen
Donaueschingen.
In Sachsen sind die langen Reihen der Solarmodule von Ost nach West
schwenkbar, um der Sonne zu folgen. In den etwa zehn Meter breiten
Zwischenräumen sät ein Landwirt Weißklee, der unter anderem Honigbienen als
Nahrung dient. In Baden-Württemberg hat Solverde die PV-Zellen senkrecht
fest montiert. Zwischen den Reihen wächst eine Magerwiese. Heu und Silage
liefern Tierfutter. Zusätzlich beweidet manchmal eine Schafherde das
Gelände.
Daneben existieren weitere Varianten der Agri-PV. Im niedersächsischen
Lüchow hat der Kräuter- und Gemüseproduzent Steinicke eine aufgeständerte
Anlage bauen lassen. Unter den Solarmodulen in sechs Metern Höhe können die
Landmaschinen übers Feld fahren. Insgesamt gibt es hierzulande aber erst
wenige Projekte. Die meisten sind Forschungsvorhaben von Instituten und
Hochschulen.
## Nicht für alle Äcker geeignet
Bundestag und Bundesrat haben nun kürzlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz
2023 beschlossen – damit unter anderem die Flächen ausgeweitet, die für die
Kombi-Produktion von Energie und Agrarerzeugnissen zur Verfügung stehen
dürfen.
Der Deutsche Bauernverband und der Bund für Umwelt- und Naturschutz
Deutschlands (BUND) äußerten sich grundsätzlich positiv. „Feldfrüchte und
Grünland unter Strom sind gut für unsere Energieversorgung und eröffnen der
Landwirtschaft neue Geschäftsfelder“, erklärte Thüringens Umwelt- und
Energieministerin Anja Siegesmund (Grüne), als kürzlich die Fachhochschule
Erfurt dem Land ein gigantisches Potenzial bescheinigte.
Gleichzeitig gab es aber auch Kritik. So sah der BUND Thüringen die
[3][Artenvielfalt in der Landwirtschaft in Gefahr]. Und der Bauernverband
des Landes beklagte den Mangel an leistungsfähigen Leitungen auf dem Land,
was die Nutzung des Solarstroms erschwere. Agrarexperten weisen darauf hin,
dass manche Pflanzen mit der Doppelnutzung nicht zurechtkommen: Etwa Mais
braucht viel Licht, keinen Schatten.
Die Vorteile der Agri-Photovoltaik liegen grundsätzlich im riesigen Angebot
sauberen Stroms. 1.700 Milliarden Watt zusätzliche Leistung von
Agrarflächen seien möglich, errechnete das Fraunhofer Institut für Solare
Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Strommangel würde damit hierzulande nicht
mehr herrschen. Aber man muss auch realistisch bleiben: Tatsächlich
ausgeschöpft würde vermutlich nur ein kleiner Teil dieses Potenzials.
Einen zweiten Vorteil kann man an den Solverde-Projekten beobachten. Sie
sind so konstruiert, dass sie wegen ihrer Ost-West-Ausrichtung „auch
vormittags und nachmittags“ viel Solarstrom liefern, sagt Firmeningenieur
Kögler. Heute dagegen fließt noch die meiste Solarenergie mittags, weil der
größte Teil der Solaranlagen, beispielsweise auf Hausdächern, fest in
Südrichtung installiert ist. Agri-PV kann die Stromerzeugung besser über
den Tag verteilen.
Und drittens können sich Vorteile aus der Kombination von Energie- und
Pflanzenproduktion ergeben. Manche Kulturen wachsen gut auch an eher
schattigen Orten, etwa Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Schnittlauch.
Die Solardächer können die Austrocknung des Bodens bei Hitze verlangsamen.
Und von ihrem Schutz gegen zerstörerischen Hagel und Starkregen mögen
Obstbäume und Weinreben profitieren.
3 Aug 2022
## LINKS
[1] /Mehr-Tempo-bei-der-Energiewende/!5847957
[2] /Plaene-fuer-mehr-Strom-von-Agrarflaechen/!5834574
[3] /Naturschutz-contra-erneuerbare-Energie/!5773026
## AUTOREN
Hannes Koch
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Solarenergie
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