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# taz.de -- Italiens Regierung in Turbulenzen: Draghi geht – und bleibt doch
> Der Ministerpräsident will zurücktreten, der Staatspräsident lehnt ab.
> Auch die Regierungspartei Fünf Sterne sendet widersprüchliche Signale.
> Und nun?
Bild: Amtssitz von Italiens Präsident Mattarella, der Draghis Rücktrittsgesuc…
Rom taz | Italiens Ministerpräsident Mario Draghi ist weg – aber noch nicht
so ganz. Zwar erklärte er am Donnerstagabend gegenüber Staatspräsident
Sergio Mattarella seinen Rücktritt, nachdem die zur Regierungskoalition
gehörende Fünf-Sterne-Bewegung ihm in einer wichtigen Vertrauensabstimmung
per Nichtteilnahme die Gefolgschaft verweigert hatte. Mattarella aber
lehnte den Rücktritt vorerst ab und forderte seinerseits Draghi auf, in
einer weiteren Parlamentsdebatte nächste Woche die Möglichkeiten zu einer
Fortsetzung der Koalition auszuloten. Diese Debatte ist nun für Mittwoch
angesetzt.
Zwar hatte Draghi das Vertrauensvotum mit 172 Ja- gegen 39 Nein-Stimmen
klar gewonnen und so das „Hilfedekret“ mit Unterstützungsmaßnahmen im
Umfang von etwa 20 Milliarden Euro für Unternehmen und Bürger*innen
sicher durchs Parlament gebracht. Dennoch warf er gleich darauf das
Handtuch, weil – so Draghi – die Fünf Sterne mit ihrem Nichtvotum den „P…
des Vertrauens“, der seine Regierung bisher trug, aufgekündigt hätten.
Der frühere Zentralbanker steht in der Tat seit Februar 2021 einer
Regierung ganz eigener Art vor, einer „Regierung der nationalen Einheit“,
in der fast alle Parteien von rechts bis links vertreten sind. Das Spektrum
reicht von Matteo Salvinis rechtspopulistischer Lega und Silvio Berlusconis
Forza Italia über das [1][Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung)] und
die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) bis hin zur radikal linken
Liste Liberi e Uguali. Hinzu kommen diverse kleinere Formationen der
politischen Mitte. Die einzige relevante Oppositionskraft ist die
postfaschistische, stramm nationalistisch und [2][populistisch auftretende
Partei Fratelli d’Italia] (FdI) unter Giorgia Meloni.
Mit seiner Fast-Allparteien-Regierung konnte Draghi mithin auch wichtige
potentielle Stimmen des Protestes wie die Fünf Sterne und die Lega
einbinden. Eben jene Kräfte zahlten allerdings einen hohen politischen
Preis dafür: Sie sanken in den Meinungsumfragen kontinuierlich ab, die Fünf
Sterne (sie hatten bei den Wahlen 2018 mit 32,7 Prozent triumphiert) auf
nur noch etwa 10%, die Lega (sie hatte bei den EP-Wahlen 2019 sensationelle
34 Prozent geholt) auf magere 15 Prozent. Giorgia Melonis oppositionelle
Postfaschisten dagegen stiegen auf 22-23 Prozent auf.
## Der rechte Block hat beste Chancen, Wahlen zu gewinnen
Eben jene beiden Parteien werden letztlich darüber entscheiden, ob Draghi
am Ende vom Rücktritt zurücktritt – oder aber ob das Land auf schnelle
Neuwahlen voraussichtlich im Oktober zusteuert. Die Fünf Sterne haben sich
zwar am Donnerstag dem Vertrauensvotum verweigert, haben aber formal nicht
den Rückzug aus der Koalition erklärt und auch ihre Minister nicht aus dem
Kabinett abgezogen. Sie begründeten ihren Dissens mit der Tatsache, dass im
Dekret auch Sondervollmachten an den Bürgermeister Roms zur Errichtung
einer [3][Müllverbrennungsanlage] erteilt wurden, die das M5S aus
ökologischen Erwägungen ablehnt.
Zugleich will Fünf-Sterne-Chef Conte von Draghi aber Zusagen zur
Realisierung wichtiger Forderungen der Partei, angefangen bei der
Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Ob er die bekommt, steht in den
Sternen. Draghi jedenfalls hatte schon erklärt, er regiere nicht „unter dem
Druck von Ultimaten“.
Und da wäre noch Salvinis Lega. Ihr Dilemma: Der Rechtsblock aus Lega, FdI
und Forza Italia hätte zwar gegenwärtig beste Chancen, Wahlen klar zu
gewinnen. Nicht Matteo Salvini, sondern die FdI-Chefin Meloni wäre dann
aber mit hoher Wahrscheinlichkeit die neue Ministerpräsidentin. Fünf Tage
haben Italiens Parteien jetzt Zeit, um auszuloten, ob die Regierung Draghi
weitermachen kann. Am Ende aber ist es an Draghi selbst, zu bewerten, ob er
die Grundlage für eine Regierung der nationalen Einheit noch gegeben sieht.
15 Jul 2022
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Italien/!5864373
[2] /Rechte-Parteien-in-Italien/!5862191
[3] https://www.rnd.de/panorama/rom-kaempft-gegen-den-muell-umstrittene-verbren…
## AUTOREN
Michael Braun
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