Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Fünf Sterne boykottieren Draghi
> In Italien boykottiert die Fünf-Sterne-Bewegung ein Vertrauensvotum im
> Senat. Damit stürzt sie die Regierung, an der sie selbst beteiligt ist.
> Und nun?
Bild: Macht er einfach weiter? Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hatte d…
Rom taz | Italiens Notstandsregierung unter Mario Draghi gehört in ihrer
bisherigen Form der Vergangenheit an. Zwar gewann die Regierung am
Donnerstag mit 172 zu 39 Stimmen im Senat klar das dortige Vertrauensvotum
über das „Hilfedekret“. Doch bei der Abstimmung scherten die Fünf Sterne
aus der Koalitionsdisziplin aus und verweigerten Draghi per Nichtteilnahme
am Votum das Vertrauen.
Der Ministerpräsident hatte jedoch schon im Vorfeld klargemacht, dass damit
für ihn die Geschäftsgrundlage für die Weiterführung der
Regierungsgeschäfte entfällt – trotz der auf dem Papier weiterhin gegebenen
Mehrheit.
Vordergründig ging es bei dem Votum um ein Unterstützungspaket für
Unternehmen und Bürger*innen im Umfang von etwa 20 Milliarden Euro, um
die explodierten Energiekosten und die Folgen der galoppierenden Inflation
abzufedern.
Doch das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) unter dem früheren
Ministerpräsidenten Giuseppe Conte nahm daran Anstoß, dass ein Paragraf des
Dekrets dem Bürgermeister Roms Sondervollmachten zur schnellen Einrichtung
einer Müllverbrennungsanlage einräumte – und verweigerte Draghi deshalb das
Vertrauen.
## Bizarrer Antrag für Vertrauensvotum
Jenes Vertrauensvotum erhielt der Ministerpräsident dagegen von allen
anderen Koalitionspartnern seiner seit Februar 2021 amtierenden
Fast-Allparteien-Regierung, von der kleinen radikalen Linken über die
gemäßigt linke Partito Democratico und Silvio Berlusconis Forza Italia zur
rechtspopulistischen Lega unter Matteo Salvini.
Zustimmung gab es auch von der [1][Fraktion „Insieme per il futuro“ der
unter Außenminister Luigi Di Maio] erst vor drei Wochen aus dem M5S
ausgescherten Dissident*innen, die dem Fünf-Sterne-Chef Conte nicht umsonst
vorwarfen, er arbeite systematisch an der Destabilisierung der Regierung
Draghi.
Doch die Fünf Sterne und ihr Chef Conte taten bis zuletzt so, als sei da
eigentlich nichts gewesen, als wohne der Senat, als wohne das Land mit
ihrem verweigerten Vertrauensvotum bloß einem kleineren Betriebsunfall bei.
Weder zog das M5S seine Minister aus dem Kabinett ab, noch erklärte es
seinerseits den Koalitionsbruch. So kam es zu der bizarren Szene, dass
ausgerechnet ein Kabinettsmitglied aus den Reihen der Fünf Sterne, der
Minister für Parlamentsbeziehungen Federico d’Inca, am Donnerstag im Senat
namens der Regierung den Antrag auf jene Vertrauensabstimmung stellte, an
der seine eigene Partei dann nicht teilnahm.
## Salvini drängt auf rasche Neuwahlen
Doch Draghi hatte von Anfang an klargemacht, dass er keineswegs gedenke
weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Zum einen erklärte er, für ihn
gebe es „keine Regierung ohne die Fünf Sterne“, zum anderen fügte er hinz…
er stehe für andere Lösungen nicht zur Verfügung.
Noch drei Tage vor der Abstimmung hatte er M5S-Chef Conte zu einem
Krisengespräch empfangen. Der legte dort eine Liste von neun Punkten vor,
ganz oben die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Und Draghi zeigt
sich durchaus aufgeschlossen und erklärte, viele dieser Punkte könne er
teilen.
Unmittelbar vor dem Vertrauensvotum jedoch beschied Conte Draghi, er gebe
sich mit „bloßen Absichtserklärungen“ nicht zufrieden. Zu groß war
offensichtlich der Druck der M5S-Senatsfraktion auf ihn, Draghi das
Vertrauen zu verweigern, um so gleichsam zu demonstrieren, dass die Fünf
Sterne auch gegenüber dem von ihnen ungeliebten Ex-Zentralbanker auf dem
Stuhl des Regierungschefs auf ihren alten Protestgeist nicht verzichten
wollen.
Theoretisch sind mit dem Senatsvotum vom Donnerstag mehrere Szenarien
denkbar. Auf dem Papier könnte Draghi, der auch ohne die Fünf Sterne in
beiden Häusern des Parlaments eine komfortable Mehrheit hätte, einfach
weitermachen. Doch dagegen spricht nicht nur, dass er selbst bisher eine
solche Lösung ausgeschlossen hat.
Auch Lega-Chef Salvini erklärte, mit der bisherigen Regierung sei es „zu
Ende“ und sprach sich für schnelle Neuwahlen nach der Sommerpause aus.
Einig ist er darin mit der auch bisher schon zur Regierung oppositionellen
postfaschistischen Partei Fratelli d’Ialia (FdI – Brüder Italiens) unter
Giorgia Meloni, die in den Umfragen auf 22 bis 23 Prozent kommt. Der
Rechtsblock aus FdI, Lega, Berlusconi Forza Italia und Kleinparteien hätte
mit fast 50 Prozent beste Chancen auf einen Wahlsieg.
14 Jul 2022
## LINKS
[1] /Italiens-Aussenminister/!5862843
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Mario Draghi
Fünf-Sterne-Bewegung
Giuseppe Conte
Matteo Salvini
Vertrauensabstimmung
GNS
Italien
Italien
Italien
Italien
Italien
Schwerpunkt Klimawandel
Italien
Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neuwahlen im September: Italienische Verhältnisse
Im dritten Anlauf nimmt Italiens Staatspräsident das Rücktrittsgesuch des
Regierungschefs Mario Draghi an. Droht Italien nun ein Rechtsruck?
Regierungskrise in Italien: Rom rückt nach rechts
Für Italiens rechtspopulistische Parteien stehen die Chancen bei Neuwahlen
gut. Europa muss sich auf schwierige Zeiten gefasst machen.
Regierungskrise in Italien: Dilemma der Protestparteien
Die „Fünf Sterne“ und die rechte Lega Nord glauben nicht mehr an die
Koalition. Doch bei Neuwahlen würde ihnen ein Absturz drohen.
Italiens Regierung in Turbulenzen: Draghi geht – und bleibt doch
Der Ministerpräsident will zurücktreten, der Staatspräsident lehnt ab. Auch
die Regierungspartei Fünf Sterne sendet widersprüchliche Signale. Und nun?
Regierungskrise in Italien: Rücktritt Draghis abgelehnt
Italiens Staatschef Mattarella hat den angebotenen Rücktritt von
Ministerpräsident Draghi abgelehnt. Stattdessen forderte er ihn auf, dem
Parlament Bericht zu erstatten.
Bergunglück mit Toten in Italien: Klimakatastrophe in den Dolomiten
Nach dem Bergunglück in Norditalien verweisen Expert*innen auf die
Klimakrise. Gletscherstürze könnten Wanderungen immer gefährlicher machen.
Rechte Parteien in Italien: „Babygangs“ im Marihuana-Rausch
Italiens Parlament berät über eine Liberalisierung von Cannabis und eine
Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Die rechten Parteien laufen Sturm.
Movimento 5 Stelle in Italien: Veritable Parteispaltung
Die 5-Sterne-Bewegung schrumpft, Außenminister Di Maio verlässt mit
Gefolgsleuten die Partei. Dabei wollten es die „Sterne“ doch einst anders
machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.