Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Dilemma der Protestparteien
> Die „Fünf Sterne“ und die rechte Lega Nord glauben nicht mehr an die
> Koalition. Doch bei Neuwahlen würde ihnen ein Absturz drohen.
Bild: Giuseppe Conte, Vorsitzender der Cinque Stelle
Macht Mario Draghi weiter? Oder tritt er doch ab? In Rom hat das
Rätselraten begonnen, nachdem der Regierungschef [1][am Donnerstag seinen
Rücktritt erklärt], Staatspräsident Sergio Mattarella aber die Demission
vorerst abgelehnt und Draghi aufgefordert hatte, sich am nächsten Mittwoch
einer Parlamentsdebatte über die Zukunft der Regierung zu stellen.
Alles hängt jetzt davon ab, ob er glaubt, er sei mit seiner Kunst am Ende,
oder ob er vermutet, er habe doch noch einige Asse im Ärmel. Mit der
Schaffung der „Regierung der nationalen Einheit“ war ihm ja im Februar 2021
in der Tat ein größeres politisches Kunststück gelungen, hatte er doch eine
breite Koalition von rechts bis links geschmiedet.
Entstanden war diese Koalition im Zeichen des Coronanotstands – doch der
Notstandsmodus hat sich seither aufgrund von Ukrainekrieg, hohen
Energiepreisen und zunehmender Inflation noch einmal deutlich verschärft.
Draghis Verdienst ist es, Italien in unruhigen Zeiten auf einigermaßen
ruhigem Kurs gehalten zu haben – nicht zuletzt, weil er mit der
Fünf-Sterne-Bewegung unter Giuseppe Conte und der rechtspopulistischen Lega
zwei klassische Protestformationen eingebunden hatte.
Ebendiese Einbindung stellt die Fünf-Sterne-Bewegung infrage, und auch
Lega-Chef Matteo Salvini zeigt sich mehr und mehr nervös. Beide Parteien
nämlich stecken in einem existenziellen Dilemma: Je länger sie Draghi
unterstützen, desto mehr verlieren sie die Gunst der Wähler*innen. Die
Fünf-Sterne-Bewegung, von fast 33 Prozent bei den Wahlen 2018 auf nur noch
10 Prozent in den Umfragen abgestürzt, [2][kämpft mittlerweile ums
Überleben].
## Zeit kaufen?
Die Frage ist jedoch, ob sie bei einem Zerbrechen der Regierung und
Neuwahlen nicht politischen Suizid begeht. Vor einem ähnlichen Dilemma
steht Lega-Chef Salvini. Er muss zwar keine Existenzkrise seiner
rechtspopulistischen Partei befürchten – wohl aber den Absturz zur nur noch
zweitstärksten Kraft der Rechten, nachdem Giorgia Melonis postfaschistische
Partei Fratelli d’Italia in den Umfragen klar vor der Lega liegt. Conte und
Salvini haben es deshalb in der Hand: Wollen sie noch einmal Zeit kaufen
bis zu den nächsten regulären Wahlen im Frühjahr 2023, oder setzen sie auf
den Bruch der Koalition und dann auf einen wieder im Protestmodus
geführten, sofort beginnenden Wahlkampf?
Das wirklich letzte Wort allerdings hat Draghi selbst. Gut möglich, dass er
auch bei einem Ja aller Parteien zu ihm den weiteren Dienst verweigert,
weil er nach dem Präzedenzfall der Vertrauensabstimmung vom Donnerstag
nicht mehr daran glaubt, mit einer halbwegs disziplinierten Koalition
weiterregieren zu können.
15 Jul 2022
## LINKS
[1] /Italiens-Regierung-in-Turbulenzen/!5868792
[2] /Movimento-5-Stelle-in-Italien/!5862852
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Italien
Mario Draghi
Lega
Italien
Italien
Italien
Italien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Regierungskrise in Italien: Neuwahlen im Oktober
Die Rechtsfraktionen und die Fünf-Sterne-Bewegung verweigern Italiens
Premier Mario Draghi die Gefolgschaft. Seine Regierung ist am Ende.
Regierungskrise in Italien: Draghi will weitermachen
Ministerpräsident Draghi ist bereit, nach seinem gescheiterten Rücktritt
doch im Amt zu bleiben. Am Abend ist eine Vertrauensabstimmung angesetzt.
Italiens Regierung in Turbulenzen: Draghi geht – und bleibt doch
Der Ministerpräsident will zurücktreten, der Staatspräsident lehnt ab. Auch
die Regierungspartei Fünf Sterne sendet widersprüchliche Signale. Und nun?
Regierungskrise in Italien: Rücktritt Draghis abgelehnt
Italiens Staatschef Mattarella hat den angebotenen Rücktritt von
Ministerpräsident Draghi abgelehnt. Stattdessen forderte er ihn auf, dem
Parlament Bericht zu erstatten.
Regierungskrise in Italien: Fünf Sterne boykottieren Draghi
In Italien boykottiert die Fünf-Sterne-Bewegung ein Vertrauensvotum im
Senat. Damit stürzt sie die Regierung, an der sie selbst beteiligt ist. Und
nun?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.