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# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Neuwahlen im Oktober
> Die Rechtsfraktionen und die Fünf-Sterne-Bewegung verweigern Italiens
> Premier Mario Draghi die Gefolgschaft. Seine Regierung ist am Ende.
Bild: Am Ende: Die breite Koalition von Italiens Premier Mario Draghi existiert…
Rom taz | Italiens Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi ist am
Ende. Am Mittwochabend endete die [1][Vertrauensdebatte] im Senat mit einem
in der Form positiven Votum, weil weder die Fraktion der Fünf Sterne noch
auch die Rechtsfraktionen von Silvio Berlusconis Forza Italia und Matteo
Salvinis Lega sich an der Abstimmung beteiligten und damit zwar eine
Mehrheit von 95 Senator*innen mit Ja stimmte, während es nur 39
Nein-Stimmen gab.
In der Sache jedoch war das Resultat völlig eindeutig: Draghi fehlen in dem
320 Mitglieder zählenden Senat die nötigen Stimmen, die ihm ein
Weitermachen erlaubt hätten. Die ihn bisher tragende überaus breite, von
rechts bis links reichende Notstandskoalition existiert nicht mehr.
Ausgelöst worden war die Regierungskrise am Donnerstag letzter Woche, als
das Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung) bei einer
[2][Vertrauensabstimmung] über ein Hilfspaket für Unternehmen und
Bürger*innen nicht teilgenommen hatte, weil es sich daran störte, dass
sich in diesem Paket auch ein Passus fand, der dem Bürgermeister von Rom
Sondervollmachten zum Bau einer Müllverbrennungsanlage einräumte.
Zwar erklärte das M5S umgehend, es habe keineswegs vor, der Regierung
Draghi auf diesem Weg das Misstrauen auszusprechen. Draghi jedoch
interpretierte den Affront als Aufkündigung des „Paktes des Vertrauens“,
der die Arbeitsgrundlage seiner Regierung der nationalen Einheit gewesen
sei, und reichte noch am gleichen Tag bei Staatspräsident Sergio Mattarella
seinen [3][Rücktritt] ein. Mattarella aber lehnte die Demission zunächst ab
und erlegte dem Regierungschef auf, sich noch einmal einer
Parlamentsdebatte und im Zweifelsfall auch einem erneuten Vertrauensvotum
zu stellen.
## Draghi blieb bei seinen Bedingungen
Diese zweite Runde der Regierungskrise ging am Mittwoch über die Bühne –
und zunächst schien es so, als könne sich wieder eine breite Mehrheit
hinter Draghi scharen. Der Ex-Chef der EZB nämlich zeigte sich in seiner
[4][Erklärung vor dem Parlament] durchaus bereit weiterzumachen. Als
Hauptgrund für seinen Sinneswandel führe er den „beispiellosen“ Druck an,
den die Zivilgesellschaft auf ihn ausübe, damit er am Ende doch nicht das
Handtuch werfe.
Explizit nannte er den von 2.000 Bürgermeister*innen des Landes
unterzeichneten Appell, er möge im Amt bleiben, sowie einen Appell mit
gleichem Tenor, verfasst von den Vertreter*innen diverser
Organisationen des ärztlichen und des pflegerischen Personals im
Gesundheitswesen.
Ganz ähnlich hatten sich jedoch auch die Chefs der Rektorenkonferenz und
des Olympischen Komitees, die Bischöfe sowie zahlreiche
zivilgesellschaftliche Organisationen, die auf den Feldern Bürgerrechte und
Umwelt tätig sind, geäußert, ebenso wie Unternehmer, Gewerkschaften oder
der größte Einzelhändlerverband.
Draghi reichte das, um seine Bereitschaft zum Verbleib im Amt zu äußern,
nicht aber dazu, seine Bedingungen zu modifizieren. Es sei jetzt an den
Parteien, den die Regierung tragenden „Pakt des Vertrauens zu erneuern“,
führte er im Senat aus. Zugleich fügte er hinzu, er sei nicht bereit,
Querschüsse aus den ihn tragenden Fraktionen hinzunehmen. Explizit nahm er
dabei nicht nur die Fünf Sterne ins Visier, sondern auch und vor allem die
rechtspopulistische Lega, der er zum Beispiel vorwarf, die anstehende
Reform des Katasters bisher hintertrieben zu haben.
## Italiens Rechte ist für die Neuwahlen gut aufgestellt
Damit wiederum war für Lega-Chef Salvini das Tischtuch zwischen ihm und
Draghi zerschnitten. Die Lega und Forza Italia forderten von Draghi – der
für sein gegenwärtiges Kabinett ums Vertrauen ersucht hatte – ultimativ, er
könne als Ministerpräsident im Amt bleiben, aber nur mit einer „neuen
Regierung“, aus der die Lega auch ihr nicht genehme Kabinettsmitglieder wie
die Innenministerin Luciana Lamorgese und den Gesundheitsminister Roberto
Speranza gekegelt sehen wollte.
Dieses Ultimatum jedoch wollte Draghi seinerseits nicht hinnehmen. Er
verlangte das Vertrauen zu einer Resolution, die in bloß einer Zeile
erklärte, das Parlament stelle sich hinter den Regierungschef, ohne die
ultimativen Forderungen der Rechten überhaupt zu erwähnen. Damit war das
Schicksal der Regierung besiegelt, da Lega und Forza Italia ihrerseits das
Vertrauensvotum verweigerten.
Für Italien heißt das: Neuwahlen voraussichtlich am 2. Oktober. Bestens
aufgestellt für die Wahl ist Italiens Rechte, die am Mittwoch erstmals
wieder seit Beginn der Regierung Draghi im Februar 2021 geschlossen
auftrat, da auch die bisher schon oppositionelle postfaschistische Partei
Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) wenig überraschend bei ihrem Ne…
zu Draghi blieb.
FdI liegt in den gegenwärtigen Meinungsumfragen bei 22 bis 24 Prozent, der
gesamte Mitte-Rechts-Block könnte etwa 50 Prozent einfahren und dank des
geltenden Wahlrechts eine klare Mehrheit im Parlament erobern. Weit
düsterer sind dagegen die Aussichten für die Parteien links der Mitte: Die
gemäßigt linke Partito Democratico (PD) und die Fünf Sterne haben sich über
der Frage der Haltung zur Regierung Draghi tief zerstritten; ein
Wahlbündnis zwischen ihnen erscheint gegenwärtig unwahrscheinlich.
21 Jul 2022
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## AUTOREN
Michael Braun
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