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# taz.de -- Vegane Landwirtschaft und Welternährung: Nachhaltige Landwirtschaft
> Vegane Landwirtschaft ist sehr umweltfreundlich und verbraucht auch
> weitaus weniger Ackerfläche. Doch es gibt noch eine bessere Lösung.
Bild: Einige Lupinenarten dienen der Bodenverbesserung und werden auch als Prot…
München taz | Denkt man die vegane Ernährungsweise konsequent zu Ende,
dürfte eigentlich auch Gemüse und Getreide nicht mit Tierdung oder Hornmehl
gepäppelt werden. Denn dieser Dünger stammt schließlich von Nutztieren. Und
deren Haltung, egal in welcher Form, lehnen Veganer ab. Daher gibt es
bereits verschiedene Bauernhöfe, die bio-vegan arbeiten. Dort kommt man
ohne tierische oder künstliche Dünger aus und versucht, Nährstoffe anders
in den Boden zu bringen um eine reiche Ernte einzufahren. Aber könnte die
vegane Landwirtschaft die Welt ernähren und wäre das umweltfreundlicher?
Marco Springmann, Wissenschaftler an der Oxford University, hat im Jahr
2016 berechnet, [1][was eine tierfreie Landwirtschaft tatsächlich fürs
Klima bedeuten würde.] Ergebnis: Es würden bis zu 70 Prozent weniger
Treibhausgase aus der Nahrungsmittelproduktion in die Atmosphäre gelangen.
Denn bei der Produktion von tierischen Lebensmitteln entstehen deutlich
mehr Klimagase wie Methan, Kohlendioxid oder Lachgas als bei Getreide oder
pflanzlicher Frischkost.
Zudem würden durch tierfreie Landwirtschaft immense Flächen frei: In
Deutschland wachsen zum Beispiel aktuell auf rund 60 Prozent der
landwirtschaftlichen Flächen Futterpflanzen. Laut dem Vegetarierverband
ProVeg müssten hier neben Getreide, Gemüse und Obst mehr [2][Hülsenfrüchte
wie Lupinen,] Ackerbohnen und Soja angebaut werden. „Das sind [3][wichtige
pflanzliche Proteinquellen.] Außerdem stärken sie den Aufbau von Humus und
senken den Nitratbedarf, da sie Stickstoff aus der Luft binden“, sagt Jens
Tuider von ProVeg. Ein Teil der Flächen könnte zudem als Schutzgebiete
ausgezeichnet werden und die Artenvielfalt sichern. „Biodiversität ist
angesichts des Klimawandels entscheidend, denn sie macht unsere Ökosysteme
widerstandsfähiger und hilft, große Mengen Treibhausgase zu speichern“,
sagt Tuider.
## Flächenverbrauch reduzieren
Zwar müsste auch mengenmäßig mehr Nahrung produziert werden, da Pflanzen
nicht so dicht gepackt sind mit Nährstoffen. Doch auch wenn man diesen
Mehrkonsum mit einrechnet, sind die Einsparpotenziale durch reine
Pflanzenkost beim Flächenverbrauch laut Umweltbundesamt (UBA) erheblich.
Auf die ganze Welt gemünzt würden bei einer viehlosen Landwirtschaft 1,03
Milliarden Hektar frei, wo derzeit laut UBA Soja und Getreide für den
Futtertrog angebaut werden. Allerdings: Bei der pflanzlichen
Lebensmittelerzeugung entstehen Reststoffe wie Stroh, Trester,
Getreidespelzen oder Blätter – laut Studien der TU München kommen auf 1
Kilogramm Pflanzenkost 4 Kilogramm für Menschen nicht essbare Masse.
Derzeit landen sie im Tierfutter, sie enthalten wichtige Nährstoffe wie
Stickstoff und Phosphor. Würde man diese Reststoffe verbrennen, würde das
Millionen Tonnen CO2-Emissionen bedeuten. „In der bio-veganen
Landwirtschaft muss man nichts verbrennen, die Reststoffe werden
kompostiert, um den Kreislauf zu schließen“, sagt Benjamin Bodirsky vom
Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.
Frei würden auch Weideflächen, konkret: 3,55 Milliarden Hektar, auf denen
derzeit Rinder und Schafe weiden. Das entspricht ungefähr einem Viertel der
weltweiten Landflächen. Doch bei den Weideflächen stellt sich die Frage, ob
diese so einfach für den Anbau von Apfelbäumen, Weizen oder
Tomatenplantagen nutzbar wären. Das UBA schreibt: „Weideland sollte
generell aus ökologischen Gründen nicht in Ackerland umgebrochen werden.“
Schließlich seien Grünlandflächen gewaltige Kohlenstoffspeicher. Deren
Umbruch würde Treibhausgase freisetzen. „Vollständig auf Viehhaltung zu
verzichten wäre nicht nachhaltig“, sagt Christiane Huxdorff,
Landwirtschaftsexpertin bei Greenpeace. „Denn Rinder können auf Grünflächen
gehalten werden, auf denen kein Ackerbau möglich ist, etwa auf steilen
Hängen.“
Auch Martin Schlatzer, Wissenschaftler am Forschungsinstitut für
biologischen Landbau (FiBL), sagt, dass es in einigen Gebieten wenig Sinn
mache, Weideflächen umzuwidmen. So werde in der Mongolei oder der Subsahara
Viehzucht auf Flächen betrieben, die sich kaum zum Ackerbau eigneten.
Würden Dünger künstlich hergestellt, würde auch viel Energie verbraucht.
Bei bio-veganer Landwirtschaft, die auf Mineraldünger verzichtet, würden
diese Emissionen jedoch nicht anfallen. Unter dem Strich ist klar: „Eine
vegane Ernährung benötigt deutlich weniger Ressourcen als die derzeitige
Ernährungsweise“, sagt Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Bonn.
Doch würden damit auch alle Menschen satt? Immerhin leiden derzeit 800
Millionen Menschen Hunger, 2 Milliarden sind mangelernährt. „Man könnte mit
veganer Landwirtschaft 3 bis 4 Milliarden Menschen mehr ernähren als mit
der derzeitigen sehr tierlastigen Nahrungsmittelproduktion“, ist Schlatzer
überzeugt.
Es gibt sogar Studien, die aufzeigen, dass bei weltweit veganer Ernährung
auch mit den niedrigeren Erträgen der Biolandwirtschaft ausreichend
Nahrungsmittel produziert werden könnten. „Allerdings sind dies rein
theoretische Berechnungen, die außer Acht lassen, dass eine rein vegane
Ernährung für alle gesundheitlich nicht empfehlenswert ist“, sagt Qaim.
Unbestritten ist, dass zumindest Vitamin B12 als Nahrungsergänzung
eingenommen werden muss.
## Auch ein politisches Problem
Zudem müssen Veganer gut über ausgewogene Ernährung Bescheid wissen. „In
ärmeren Ländern ist dies jedoch nicht immer der Fall“, so Qaim. „Die
Menschen dort haben wegen saisonaler Schwankungen oft auch keinen
ausreichenden Zugang zu gesunden pflanzlichen Lebensmitteln. Tierische
Produkte können hingegen das ganze Jahr produziert werden und so die
Ernährungssicherheit verbessern.“ Zudem ist Hunger auch ein politisches
Problem, wie der russische Krieg gegen die Ukraine derzeit wieder
schmerzlich aufdeckt.
Insgesamt besser für Umwelt und Gesundheit wäre darum eine Landwirtschaft
mit wenig Tierhaltung, angepasst an die jeweiligen geografischen und
klimatischen Bedingungen. Wer sehr wenig tierische Produkte gemäß der
„planetary health diet“ isst, ist mit allen Nährstoffen versorgt. Zudem
könnten Nebenströme aus der Landwirtschaft weiter verfüttert werden. Gülle
und Mist könnten die Böden fruchtbar halten.
Auch Schlatzer plädiert zumindest für eine stark reduzierte Tierhaltung.
Wenn nur die reichen Länder auf eine „planetary health diet“ umstiegen,
würden auch schon gut 60 Prozent weniger Treibhausgase in der
Lebensmittelproduktion entstehen, so hat Schlatzer kürzlich in einer Studie
belegt. Er verweist jedoch auf ein gewisses Potenzial für die bio-vegane
Landwirtschaft. In der bio-veganen Landwirtschaft gibt es einige Pioniere,
die etwa mit Kompost, vergorenen Pflanzensubstraten oder Mischkulturen mit
Hülsenfrüchten experimentieren, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. „Es
müsste jedoch in diesem Bereich viel mehr Geld für Studien geben“, so
FiBL-Forscher Schlatzer. Erst dann werden aus den Experimenten Fakten, was
anderen Bauern den Umstieg erheblich erleichtern würde.
5 Aug 2022
## LINKS
[1] /Was-hilft-gegen-den-Klimawandel/!5642818
[2] /Alternative-zu-Soja/!5026204
[3] /Alternative-Eiweissquellen/!5813599
## AUTOREN
Kathrin Burger
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