| # taz.de -- Arbeiten fürs Gemeinwohl: Anders wirtschaften für den Wandel | |
| > Ökonomen untersuchen Firmen, die sich dem Gemeinwohl verschrieben haben. | |
| > Sie sagen: „Kooperatives Wirtschaften“ muss bekannter werden. | |
| Bild: Ernte auf dem Kattendorfer Hof – eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen … | |
| Berlin taz | Die Alternativökonomie wird von Wirtschaftswissenschaftlern | |
| neu vermessen. Die Unternehmen des so genannten „Dritten Sektors“, die | |
| nicht dem Staat gehören und nicht privaten Kapitalisten, gibt es zwar und | |
| teilweise schon seit geraumer Zeit – aber in welchem Umfang und in welcher | |
| Dynamik sie sich entwickeln, darüber gibt es jenseits anekdotischer | |
| Evidenzen nur wenig präzises Datenmaterial. Ein Projekt, an dem auch das | |
| [1][Berliner Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)] beteiligt | |
| ist, will das nun ändern. | |
| „Die klassische Einteilung in Markt, Staat und Non-Profit-Sektor macht neue | |
| Formen des Wirtschaftens unsichtbar“, erklärt Projektleiter Christian | |
| Lautermann vom IÖW. Dabei gebe es immer mehr Unternehmungen, „die konkrete | |
| Zielgruppen und das Gemeinwohl fördern wollen und die dabei sowohl am | |
| marktlichen Wettbewerb teilnehmen als auch in zivilgesellschaftlichen | |
| Verbünden kooperieren“. Dazu gehören Sozialunternehmen, Genossenschaften, | |
| Bürgergesellschaften oder Vereine, die das IÖW unter dem Begriff | |
| „Kooperatives Wirtschaften“ zusammenfasst. Sie orientieren sich [2][stärker | |
| auf das Gemeinwohl als auf Gewinnerzielung.] Und die meisten von ihnen | |
| folgen einer gesellschaftspolitischen Mission, indem sie sich der sozialen | |
| und ökologischen Transformation der Gesellschaft zugehörig fühlen. | |
| Nach einer ersten Theoriephase zur Definition von Gemeinsamkeiten befindet | |
| sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte | |
| Projekt mit Namen „Teilgabe“ jetzt in der empirischen Phase. Dabei werden | |
| fünf Wirtschaftsbereiche mit Befragungen unter die Lupe genommen. Das ist | |
| die gemeinschaftliche Versorgung mit Lebensmitteln im Rahmen der | |
| „solidarischen Landwirtschaft“, die bürgerschaftliche Energieversorgung, | |
| die Versorgung mit gesundheitsbezogenen und sozialen Diensten durch | |
| Seniorengenossenschaften, die Nahversorgung durch genossenschaftliche | |
| Gaststätten sowie die digitale Kooperation in Form von | |
| „Plattformgenossenschaften“. | |
| Noch stehen die Ergebnisse nicht fest, aber einige Beispiele geben einen | |
| Eindruck von der Verbreitung des alternativen Wirtschaften. So haben sich | |
| unter dem Dach der „Bürgerwerke eG“ 107 lokale Energiegemeinschaften aus | |
| ganz Deutschland mit mehr als 40.000 Mitgliedern organisiert. Dem Netzwerk | |
| Solidarische Landwirtschaft, bei dem Verbraucher die Produktion von | |
| Ökobetrieben finanzieren, gehören derzeit 404 Organisationen an. In der | |
| „CoopCycle-Föderation“ etwa haben sich mehr als 30 Fahrradkurier-Kollektive | |
| zusammengeschlossen, um gemeinsam eine Plattform-Infrastruktur für | |
| Letzte-Meile-Lieferungen zu nutzen. Die Föderation fördert so die | |
| Unabhängigkeit, haben die IÖW-Forscher festgestellt: „Lokale Initiativen | |
| werden dabei unterstützt, sich selbstbestimmt zu organisieren und faire | |
| Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.“ | |
| Um den sozialen und ökologischen Wandel voranzutreiben, müsse das | |
| zivilgesellschaftliche Wirtschaften bekannter gemacht werden, so eine | |
| weitere Schlussfolgerung der Ökonomen, die bei dem Projekt mit den Unis | |
| Köln und Hamburg zusammenarbeiten. Die Merkmale der kooperativen Wirtschaft | |
| müssten „bewusster umgesetzt werden und mehr Verbreitung finden, auch bei | |
| konventionellen Wirtschaftsakteuren“, so die Empfehlung der | |
| IÖW-Forschenden. „Bedarfswirtschaft“ als Handlungsmaxime könne helfen, | |
| „blindes Wachstumsstreben zu vermeiden“. | |
| Probleme hat das IÖW allerdings – wie eine Reihe | |
| sozialwissenschaftlicher Forschungsprojekte – mit der abrupten | |
| Förderkürzung durch das BMBF. So konnte ein bereits positiv begutachtetes | |
| Vorhaben nicht gefördert werden, weil die Mittel für die Förderlinie | |
| „Innovative Frauen im Fokus“ kurzfristig zusammengestrichen wurden. | |
| „Grundsätzlich herrscht bei uns [3][wegen der aktuellen Berichte anderer | |
| Einrichtungen große Unsicherheit] mit Blick auf in Bewilligung befindliche | |
| Vorhaben“, erklärte Thomas Korbun, der Wissenschaftlicher Geschäftsführer | |
| des IÖW, gegenüber der taz. Forschungsministerin Stark-Watzinger müsse | |
| jetzt „dafür Sorge tragen, dass das BMBF das Vertrauen der Forschenden | |
| wieder zurückgewinnt“. | |
| 29 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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