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# taz.de -- Reform der Ersatzfreiheitsstrafe: Sozialarbeit statt Kriminalpolitik
> Justizminister Buschmann will sinnvollerweise die Ersatzfreiheitsstrafe
> halbieren. Was fehlt, sind konkrete Hilfsangebote für sozial
> Deklassierte.
Bild: Aus der Zeit gefallen: Blick auf die ehemalige Gefängnisinsel Alcatraz i…
Justizminister Marco Buschmann wird sicher Erfolg haben. Sein Vorschlag
wird mit mathematischer Logik zu einer Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe
führen. Wenn die Idee umgesetzt wird, dass für einen Tagessatz nicht
bezahlter Geldstrafe nur noch ein halber Tag im Gefängnis abgesessen werden
muss, dann reduziert sich die Zahl der Hafttage quasi automatisch auf die
Hälfte.
In der Bevölkerung dürfte das durchaus auf Zustimmung stoßen. Denn auch für
einen [1][armen Menschen] ist ein Tag im Gefängnis deutlich schlimmer als
ein Geldstrafen-Tagessatz von zum Beispiel 15 Euro. Außerdem hat das
Strafgericht ja gerade keine Gefängnisstrafe verhängt, sondern auf die
Freiheitsstrafe verzichtet.
Das Problem der Ersatzfreiheitsstrafe wird mit Buschmanns Plan aber nur
halbiert. Aus der Welt geschafft wird es noch nicht. Auch die immer wieder
geforderte Entkriminalisierung des Schwarzfahrens wird das Problem nicht
lösen. Denn wenn das [2][Schwarzfahren nur eine Ordnungswidrigkeit] wäre,
wie oft gefordert, dann müsste statt der Geldstrafe eben ein Bußgeld
bezahlt werden. Und wer das Bußgeld nicht bezahlen kann, würde eben wieder
im Gefängnis landen.
Das Problem ist doch, dass vor allem [3][sozial Deklassierte] in der
Ersatzhaft landen. Und dieses Problem kann nicht von der Justiz allein
gelöst werden. Wer keine Freunde hat, die in der Not aushelfen können, und
wer es noch nicht einmal schafft, sich zum Rasenmähen bei der Caritas zu
melden, ist in der Regel nicht böswillig, sondern verelendet und mit allzu
vielem überfordert.
Der Staat sollte solche Lagen zum Anlass nehmen, den Betroffenen mehr und
passendere Hilfsangebote als bisher zu machen. Hier geht es vor allem um
Sozialarbeit und nicht um Kriminalpolitik. Die Ersatzfreiheitsstrafe sollte
aber nicht abgeschafft werden. Denn das würde nicht zuletzt den gewieften
Steuerhinterziehern und Anlagebetrügern helfen, die sich flugs arm rechnen
und so um ihre Geldstrafen drücken würden. Geldstrafen gibt es schließlich
nicht nur für Arme, sondern in allen gesellschaftlichen Schichten.
6 Jul 2022
## LINKS
[1] /Ersatzfreiheitsstrafen-in-Berlin/!5857164
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[3] /Obdachlosigkeit/!t5009939
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Kriminalität
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Ersatzfreiheitsstrafe
Nancy Faeser
Ersatzfreiheitsstrafe
Interview
Schwerpunkt Armut
JVA Plötzensee
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Gefängnis
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