| # taz.de -- Pro & Contra: Ist Alkoholverbot eine Schnapsidee? | |
| > Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat eine Debatte ausgelöst, weil sie | |
| > nach Ausschreitungen den Alkohol aus Berliner Parks verbannen möchte. | |
| Bild: Soll es nach Ausschreitungen in Parks nicht mehr geben: Alkohol. Das erw�… | |
| ## | |
| ## JA | |
| Für Menschen mit wenig Geld wird es immer schwieriger, sich in der | |
| Öffentlichkeit aufzuhalten. [1][Überall in Berlin steigen die Preise]. Sich | |
| einfach in ein Restaurant oder eine Bar zu setzen und dort etwas zu essen | |
| oder zu trinken, wird für immer mehr Menschen zunehmend unbezahlbar. Zum | |
| Glück gibt es noch öffentliche Plätze und Parks, wo man auch selbst | |
| mitgebrachte Speisen und Getränke konsumieren kann. Sich abends auf ein | |
| Bierchen mit Freund*innen zu treffen, ist so auch für arme Menschen | |
| möglich. Für die ganz Armen ist eine Parkbank gar der Ersatz für eine | |
| eigene Wohnung, [2][die sie sich in der Hauptstadt längst nicht mehr | |
| leisten können.] | |
| Doch wenn es nach Innensenatorin Iris Spranger (SPD) geht, soll es mit der | |
| kostengünstigen Geselligkeit und den Umsonst-Schlafplätzen bald vorbei | |
| sein: Von Alkoholverboten in Parks, Einzäunungen und nächtlichen | |
| Schließungen ist die Rede. Grund sollen wiederholte Gewaltvorfälle sein. | |
| Unter dem Vorwand der Kriminalitätsbekämpfung wird hier autoritäre Politik | |
| gegen Arme und gesellschaftlich unliebsame Menschen betrieben: Obdachlose, | |
| Junkies, Geringverdiener*innen, Menschen mit wenig Geld, aber auch | |
| Jugendliche werden aus den Parks und damit auch aus den Innenstädten | |
| vertrieben. | |
| Dabei gibt es für diese Gruppen ohnehin zu wenig Angebote, nun soll ihnen | |
| auch noch der letzte soziale Treffpunkt genommen werden. Und wofür? Damit | |
| die Mittel- und Oberschicht in aller Ruhe durch die städtischen Grünflächen | |
| flanieren kann, nachdem sie sich in der Schickimicki-in-Bar nebenan für 12 | |
| Euro einen Aperol Spritz gegönnt hat, ohne dabei vom Pöbel behelligt zu | |
| werden? | |
| Wer das für polemisch oder übertrieben hält und darauf verweist, dass etwas | |
| gegen gewaltsame Ausschreitungen und die [3][Vermüllung von Parks] getan | |
| werden muss, sollte darüber nachdenken, mit welchen Mitteln hier auf welche | |
| Probleme reagiert wird. Ja, es gibt zu viel Müll in Parks und das muss sich | |
| ändern. Größere Mülleimer und häufigere Leerungen wären dafür schon mal … | |
| guter Anfang. [4][Stadtnatur-Ranger*innen könnten zusätzlich für ein | |
| größeres Umweltschutz-Bewusstsein bei Parkbesucher*innen sorgen]. | |
| Auch gewaltsame Auseinandersetzungen sind ein Problem – nicht nur auf | |
| städtischen Grünflächen. Autoritäre Mittel wie Alkoholverbote oder | |
| nächtliche Schließungen von Parks sind darauf aber keine Antwort. [5][Was | |
| für die Kotti-Wache gilt, gilt auch für öffentliche Parks]: Soziale | |
| Probleme brauchen soziale Lösungen – und keine polizeilichen. Mehr Angebote | |
| für Jugendliche, mehr aufsuchende Sozialarbeit, Drogenkonsumräume, | |
| konsequente Bekämpfung von Obdachlosigkeit und nicht von Obdachlosen – es | |
| gibt viele Möglichkeiten, bestehende Probleme anzugehen. Aber die sind halt | |
| teurer, als einfach ein Verbot auszusprechen und einen Zaun aufzustellen. | |
| Das ist weder sozial noch wird es die Probleme nachhaltig lösen – sie | |
| werden einfach nur verdrängt. Marie Frank | |
| NEIN | |
| Die regelmäßigen Meldungen ähneln sich: Partys in bestimmten Parks arten | |
| unter Alkoholeinfluss aus, Gewalt kommt ins Spiel, die Polizei muss | |
| anrücken, was wiederum neue Probleme auslöst – und am nächsten Morgen sieht | |
| es vermüllt aus. Ein Alkoholverbot in eben solchen Parks, wie es nun | |
| Innensenatorin Iris Spranger (SPD) als offenbar letzten Ausweg anzupeilen | |
| scheint, ist daher tatsächlich unvermeidbar. | |
| Der Gedanke ist nicht ganz neu, und schnell ist schon wiederholt von | |
| Gängelung und Einschränkung zu hören gewesen. Und das stimmt auch: Jeder | |
| und jede kann dann nicht mehr, auch nicht friedlich und bei anschließender | |
| Mitnahme der geleerten Flaschen, im Park sitzen und trinken, egal ob in | |
| Maßen oder über den Durst. | |
| Und ja, unsozial mag das auch etwas sein. Denn die dann verbleibende | |
| Möglichkeit, draußen Alkohol zu trinken, ergibt sich im Biergarten und | |
| ähnlichen Etablissements und kostet dort deutlich mehr denn auf Basis von | |
| gerade für knapp einen Euro pro Flasche im Edeka erstandenem Bier. | |
| Beides aber hat – klassische Abwägung von Rechtsgütern – hinter | |
| Sicherheitsaspekten zurückzustehen. Wenn sich eine eindeutige Verbindung | |
| zwischen Alkoholkonsum in Gruppen im Park und nachfolgenden Ausschreitungen | |
| inklusive Verletzungen und Gefahr für Leib und Leben ergibt, dann ist das | |
| gewichtiger als die Einschränkung, im Park vom Rotwein auf Wasser | |
| umzusteigen. | |
| Spranger ist darum auf dem richtigen Weg. Absehbar ist natürlich ein | |
| weiterer Einwand: Das sei doch alles gar nicht richtig zu kontrollieren. | |
| Das aber ist inzwischen bei vielem zu hören, bei dem es um staatliche | |
| Kontrollen geht. Bedürftigkeitsnachweis wegen der Inflation? Zu schwierig – | |
| dann lieber gießkannenmäßig Geld für alle verteilen. [6][Einschränkungen | |
| von Fahrten pro Person, um zu dringend zu nötigem, stärkerem Klimaschutz zu | |
| kommen?] Nicht nachzuhalten. | |
| So zu denken, ist Selbstaufgabe staatlichen Handelns. Die Antwort auf | |
| Kontrollprobleme darf nicht der Verzicht darauf sein, sondern muss dann | |
| eben in einer besseren, effektiven Handhabung bestehen. | |
| Natürlich ist es schade, dass es zu einem Alkoholverbot kommen muss. Aber | |
| wenn die Innensenatorin das nun ins Auge fasst, dann ist das nicht einfach | |
| mal eine Idee von ihr, sondern die notwendige Reaktion auf das gefährliche | |
| Handeln zu vieler. [7][Würde jeder und jede sich selbst und die Folgen des | |
| eigenen Tuns für andere im Blick haben,] bräuchte es viele Regeln, Gebote | |
| und Verbote nicht. Dem ist aber leider nicht so. | |
| Über ein Alkoholverbot dürften sich – kleiner Nebeneffekt – auch die viel… | |
| Radfahrer freuen, die sich morgens auf dem Weg zur Arbeit durch den Park | |
| über ungezählte Glasscherben ärgern. Denn, so zumindest der ganz subjektive | |
| Befund des Autors dieser Zeilen, Cola- oder Fanta-Flaschen sind es im | |
| seltensten Fall, die da zerborsten auf dem Weg liegen und die Reifen | |
| aufschlitzen. Stefan Alberti | |
| 29 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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