# taz.de -- Ärztemangel in Berlin: Hausärztlicher Notfallplan | |
> Vor allem in den Ostbezirken fehlen Hausärzte. Die Kassenärztliche | |
> Vereinigung hat dort nun die erste Arztpraxis in eigener Trägerschaft | |
> eröffnet. | |
Bild: Hausarzt bei der Arbeit | |
BERLIN taz | Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin greift erstmals eine | |
[1][alte Forderung] auf, die seit der Amtszeit des früheren | |
Gesundheitssenators Mario Czaja (CDU/2011–16) erhoben wird: Sie hat am | |
Prerower Platz im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen eine Arztpraxis | |
in eigener Trägerschaft eröffnet. Der dort tätige Hausarzt ist kein | |
niedergelassener Arzt, sondern Angestellter der Kassenärztlichen | |
Vereinigung. Das heißt, er erhält ein festes Gehalt, statt das finanzielle | |
Risiko einer selbstständigen Tätigkeit zu tragen, das in Gebieten mit | |
vielen ältere Kassenpatienten und wenigen Privatpatienten schwierig ist. In | |
wenigen Wochen soll in dieser Praxis eine weitere von der Kassenärztlichen | |
Vereinigung angestellte Ärztin arbeiten und zum Jahresende eine zusätzliche | |
Praxis im Lichtenberger Ortsteil Karlshorst öffnen. | |
„Ziel dieser Praxen ist es, die hausärztliche Versorgung zu ergänzen und an | |
den Standorten, wo sich erkennbar keine niederlassungswilligen | |
Hausärztinnen und Hausärzte finden, Praxen aufzubauen. Die Hoffnung ist | |
groß, dass wir mit unserem Engagement die hausärztliche Versorgung in den | |
Bezirken wieder auf ein Normalmaß anheben“, sagt [2][Burkhard Ruppert], | |
Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung, der taz. Gemeinsam | |
mit den Krankenkassen hat seine Vereinigung seit diesem Jahr ein | |
Förderprogramm von 21 Millionen Euro zur Verbesserung der hausärztlichen | |
Versorgung in den drei Ostbezirken aufgelegt. Daraus werden beispielsweise | |
Zuschüsse für Hausärzte gezahlt. | |
Damit reagiert die Kassenärztliche Vereinigung – spät, aber immerhin – auf | |
die ungleiche Ärzteverteilung in Berlin. Während die gutbürgerlichen | |
Bezirke im Südwesten der Hauptstadt mit Ärzten überversorgt sind, fehlen | |
Mediziner in Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. | |
Der Grund: Ärzte lassen sich lieber dort nieder, wo es viele | |
Privatpatienten gibt. Besonders eklatant ist das Missverhältnis bei | |
Hausärzten. Während Charlottenburg-Wilmersdorf zu 132 Prozent mit | |
Hausärzten versorgt ist, ist es Lichtenberg nur zu 82, Treptow-Köpenick zu | |
84 und Marzahn-Hellersdorf zu 89 Prozent. Seit die Politik das Thema vor | |
rund zehn Jahren anmahnte, kamen zwar mehr Fachärzte in die unterversorgten | |
Bezirke, zu denen damals auch Neukölln zählte. Bei den Hausärzten hat sich | |
das Missverhältnis in den drei Ostbezirken hingegen weiter verstärkt. | |
Neukölln ist aber heute gut mit Hausärzten versorgt. | |
## Mehr angestellte Ärzte | |
Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung ist in Berlin die Zahl von | |
[3][Hausärztinnen und Hausärzten rückläufig], die sich in eigener Praxis | |
niederlassen. „Demgegenüber entscheiden sich immer mehr Ärztinnen und Ärzte | |
für eine Anstellung“, sagt Ruppert der taz. Waren vor zehn Jahren 11 | |
Prozent aller Hausärzte angestellt, sind es heute 24 Prozent. Eine | |
Anstellung ist beispielsweise in Gemeinschaftspraxen oder in | |
Institutsambulanzen an Krankenhäusern möglich. | |
In den drei mit Hausärzten stark unterversorgten Bezirken sei es zusätzlich | |
schwierig, geeignete Räume für Praxen zu finden, so Ruppert. „Ein weiterer | |
Grund ist die Randlage der Bezirke.“ Da Berlin als Ganzes mit Hausärzten | |
sogar leicht überversorgt ist, kann das Problem der fehlenden Ärzte | |
lediglich durch Umverteilung innerhalb der Stadt gelöst werden. | |
Das kann nur langfristig gelingen, denn niemand kann einen Arzt zwingen, in | |
einen anderen Bezirk umzuziehen. Eingriffsmöglichkeiten hat die Politik nur | |
in dem Moment, wenn jemand seine Praxis aufgibt, oder durch finanzielle | |
Anreize. | |
Das Problem verschärft sich gerade, weil die Bezirke Marzahn-Hellersdorf | |
und Treptow-Köpenick, die mit Ärzten unterversorgt sind, durch Neubau viele | |
neue Einwohner gewinnen. Neuberliner, besonders neu einreisende Flüchtlinge | |
in den Ostbezirken, bleiben darum oft ohne Hausarzt. | |
## Auch Treptow-Köpenick ist interessiert | |
„Wir würden Aktivitäten der Kassenärztlichen Vereinigung zur Gründung von | |
Arztpraxen“ auch in unserem Bezirk sehr begrüßen, sagt [4][Alexander | |
Freier-Winterwerb] (SPD), Gesundheitsstadtrat von Treptow-Köpenick, der | |
taz. „Bislang sind diese jedoch soweit bekannt weder erfolgt noch geplant. | |
Wir wollen aber gern mit der Kassenärztliche Vereinigung das Gespräch | |
suchen.“ Geeignete Räume seien dem Bezirk angeboten worden, so der | |
Stadtrat. In Treptow-Köpenick ist laut bezirklicher Statistik die | |
Versorgung mit vielen Fachärzten zwar ausreichend, die Hausarztversorgung | |
aber problematisch. | |
Im Bezirksamt Lichtenberg war anders als in Treptow-Köpenick und bei der | |
Kassenärztlichen Vereinigung niemand in der Lage, sich zum Ärztemangel im | |
Bezirk und der gerade eröffneten Arztpraxis zu äußern oder aktuelle | |
Statistiken zu liefern. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir | |
terminlich in den kommenden zwei Wochen kein Zeitfenster für ein Interview | |
zur Verfügung stellen können“, teilte der persönliche Referent von | |
Gesundheitsstadträtin Camilla Schuler (Linke) der taz mit. „Ohne Anspruch | |
auf Verbindlichkeit“ könne die taz danach ja noch einmal anfragen, schlug | |
er vor. | |
12 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.die-hellersdorfer.berlin/2021/11/22/plan-gegen-den-haus%C3%A4rz… | |
[2] /Verdraengung-von-Gewerbemietern/!5820206 | |
[3] /Medizinische-Versorgung-auf-dem-Land/!5855737 | |
[4] /Polit-Nachwuchs-in-Berlin/!5824584 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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