# taz.de -- Hohe Abwassergebühren in Bremen: Abzocke mit Abwasser | |
> Das Oberverwaltungsgericht Münster hat entschieden: Die Abwassergebühren | |
> in Oer-Erkenschwick sind zu hoch. Bremer Gebühren enthalten denselben | |
> Fehler. | |
Bild: Nicht nur das Bremer Unternehmen Hansewasser macht mit dem Abwasser ein g… | |
BREMEN taz | Die Stadt Bremen will die Abwassergebühren im kommenden Jahr | |
um fast 14 Prozent erhöhen. Das müsste nicht sein, sagt der Wasserexperte | |
Ernst Mönnich, Professor an der Hochschule Bremen. Seit 2002 klagt der | |
[1][gegen zu hohe Abwassergebühren in Bremen], die Gerichte schieben die | |
rechtlich komplizierte Frage aber vor sich her. Derzeit geht es darum, | |
einen Gutachter zu bestellen. | |
Dabei hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgerichts (OVG) in | |
Münster gerade in einem durchaus ähnlichen Fall entschieden, dass die | |
Abwassergebühren der Stadt Oer-Erkenschwick um 18 Prozent zu hoch sind. | |
„Das ist die Größenordnung, um die es auch in meinem Verfahren geht“, sagt | |
Kläger Mönnich. | |
Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in | |
Nordrhein-Westfalen, erklärt die Auswirkungen des Urteils: „Nach dem Urteil | |
des OVG zur Berechnung von Abwassergebühren müssen viele Kommunen ihre | |
Gebührenkalkulation überprüfen.“ | |
Die Bremer Umweltbehörde will das Urteil aber offenbar nicht zum Anlasse | |
nehmen, die Gebühren zu prüfen: „Zu Urteilen in anderen Kommunen gebe ich | |
keine Kommentare ab“, erklärt Behördensprecher Jens Tittmann. Er verweist | |
darauf, dass die angekündigte Gebührenerhöhung noch im kommunalen | |
Betriebsausschuss und in der Bürgerschaft beschlossen werden müsse. | |
## Zinssatz ist zu hoch angesetzt | |
Die Gebühren in Oer-Erkenschwick sind laut der Richter am OVG zu hoch, weil | |
der Zinssatz für das [2][in den Abwasserkanälen] gebundene Kapital mit 6,25 | |
Prozent zu hoch angesetzt sei. Seit Jahren liegen die Zinsen real aber | |
niedriger – das OVG hält daher knapp 2,5 Prozent für angemessen. | |
In Bremen, so Mönnich, sei in den Verträgen mit der privaten Firma | |
Hansewasser für 360 Millionen Euro Kapital ebenso ein rechnerischer | |
Zinssatz von 6,5 Prozent eingesetzt worden – den Zinsvorteil streiche | |
Hansewasser ein. Der fiktive Zinssatz werde auf die Bremer Gebührenzahler | |
umgelegt. Das bedeutet: Wenn Mönnich Recht bekommen würde, wäre die | |
aktuelle Gebührenerhöhung überflüssig und unbegründet. | |
Aber die Stadt Bremen hat im Jahr 2008 einem Vergleich zugestimmt, in | |
dessen Folge die realen Kosten von Hansewasser vom Senat nicht mehr | |
überprüft werden – bis zum Jahre 2028, denn dann läuft der | |
Privatisierungsvertrag aus. | |
Die Bremer Umweltbehörde, die seit Jahren von Grünen geführt wird, ist | |
verantwortlich für die Bremer Abwasser-Bescheide und damit Klagegegnerin | |
von Mönnich. Wenn das zuständige Bremer Gericht schlicht die Argumentation | |
des OVG Münster übernehmen würde, müsste Bremen die Gebühren senken – | |
aufgrund der vertraglichen Bindung dem privaten Betreiber Hansewasser | |
dennoch die volle Höhe des vereinbarten Entgeldes überweisen, inklusive der | |
fiktiven Zins-Kosten. | |
## Klageerfolg hätte Auswirkung für alle Verbraucher | |
Die Situation zeigt: Die Verträge, mit denen [3][die Privatisierung] | |
vereinbart wurde, sind schlecht ausgehandelt. Jedenfalls schlecht für die | |
Gebührenzahler. Die große Koalition unter Bürgermeister Henning Scherf | |
(SPD) hatte 1999 als Verkaufserlös 362 Millionen Euro eingestrichen. Für | |
die Gebührenzahler war das, sagt Mönnich, „ein denkbar schlechtes | |
Geschäft“. | |
Wenn sich die Bremer Gerichte irgendwann mit der Klage von Mönnich | |
beschäftigen, könnten sie auch den damals abgeschlossenen Vertrag infrage | |
stellen. Dann würde Hansewasser weniger Geld aus den Gebühren für seine | |
Gewinnausschüttung beanspruchen können. Das Unternehmen schüttet Jahr für | |
Jahr über 12 Millionen Euro an seine Gesellschafter aus. Das entspricht | |
einer Umsatzrendite von mehr als 15 Prozent – aus einem risikolosen | |
Geschäft, bezahlt von den Bremer Abwasser-Gebührenzahlern. | |
Wann die Bremer Gerichte zu einem Urteil kommen, steht allerdings in den | |
Sternen: Im Jahr 2014 hatte sich das Verwaltungsgericht geweigert, den Fall | |
anzunehmen; man sei nicht zuständig – ein Fehler, wie das | |
Oberverwaltungsgericht 2019 erklärte. | |
Für die öffentliche Hand gibt es beim Bremer Senat übrigens eine | |
Preisüberwachungsstelle, die prüfen soll, dass die öffentliche Hand keine | |
unangemessen hohen Preise zahlen muss. Zuständig ist die Senatorin für | |
Wirtschaft, Arbeit und Europa. Diese Preisüberwachungsstelle ist | |
eingeschaltet, bisher ohne Ergebnis. | |
Sollte die Klage tatsächlich Erfolg haben, würde nicht nur der Kläger | |
profitieren: Mönnich hatte ein Normenkontrollverfahren beantragt, damit | |
nicht nur sein privater Abwasserbescheid korrigiert werden muss, sondern | |
die neue Rechtslage dann für alle Bremer gilt. | |
8 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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