| # taz.de -- Streit über hohe Abwassergebühren: In Bremen sprudeln die Gewinne | |
| > Ein Professor klagt gegen vermeintlich zu hohe Bremer Abwassergebühren, | |
| > aber die Stadt mag die Kalkulation der zuständigen Privatfirma nicht | |
| > offenlegen. | |
| Bild: Waschen ihre Hände in Unschuld: Bremens Politiker | |
| BREMEN taz | Bis zum 21. Februar hat das Oberverwaltungsgericht die Frist | |
| für den Bremer Senat verlängert. Bis dahin muss die Stadtgemeinde | |
| offenlegen, auf Grundlage welcher Kostenkalkulation sie den Bürgern die | |
| Gebühren für das Abwasser auferlegt. | |
| Die Gebühren werden der Privatfirma Hansewasser weitergereicht, denn die | |
| Wasserversorgung ist in Bremen in den Händen von Privatfirmen. Beim | |
| Abwasser sind Bremer Gerichte für die Überprüfung zuständig. Und die dem | |
| Oberverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen ermöglichten keine | |
| Überprüfung, hatte dessen Präsidentin im vergangenen Herbst moniert. | |
| Eigentlich wollte sie bis Ende Dezember Klarheit, die Stadt Bremen | |
| erbettelte eine Fristverlängerung. | |
| Dabei sollten Transparenz und Angemessenheit der Gebühren im vornehmsten | |
| Interesse der rot-grünen Stadtregierung und insbesondere des grünen | |
| Umweltsenators liegen. Findet jedenfalls Ernst Mönnich, Professor an der | |
| Hochschule Bremen, der seit Jahren den Finger in die Wunde legt. | |
| Die Gewinne der privaten Abwasserfirma auf Kosten der Gebührenzahler seien | |
| exorbitant, sagt Mönnich. Immerhin handelt es sich um ein staatlich | |
| verliehenes Monopol: Anders als beim Strom kann kein Bürger den | |
| Wasserversorger frei wählen. | |
| Bei einer Überprüfung im Jahr 2006 stellten Gutachter fest, dass die | |
| Gewinne damals schon zehn Millionen Euro zu hoch waren, „sittenwidrig“ in | |
| einem Monopolgeschäft, sagen Juristen dazu. | |
| Aber statt in einen Streit mit Hansewasser zu gehen, einigte sich der | |
| Bremer Senat mit der Privatfirma auf Halbe-Halbe: Um eine Summe von fünf | |
| Millionen Euro wurden die Zahlungen an Hansewasser gesenkt, sittenwidrige | |
| fünf Millionen Gewinn blieben. Und Bremen verzichtete in dem Vergleich auf | |
| die Vertragsklausel, nach der die Angemessenheit der Gebühren alle vier | |
| Jahre überprüft werden kann. | |
| ## Hansewasser bekommt angeblich 20 Prozent zu viel | |
| Die Vergleichsverhandlungen waren geheim. Das Stadtparlament, das die | |
| Gebühren festlegt, bekam nur das Ergebnis mitgeteilt. Inzwischen sind die | |
| Gewinne wieder gestiegen – und „der Senat macht einfach nichts“, klagt | |
| Mönnich. Ermutigt durch die juristischen Hinweise des Gerichts in seinem | |
| Verfahren, hat Mönnich nun eine „Normenkontrollklage“ eingereicht. | |
| Nach den Schätzungen seines Gutachters bekommt die Firma Hansewasser 20 | |
| Prozent mehr aus den Wassergebühren als ihr für einen „angemessenen Gewinn�… | |
| zustehen würde. | |
| Nicht nur, dass Hansewasser jedes Jahr eine Umsatzrendite von 15 bis 20 | |
| Prozent macht und entsprechende Millionen an seine Gesellschafter | |
| überweisen kann. Die Firma bedient auch diverse Umweltprojekte mit | |
| großzügigen Spenden und schüttet jedes Jahr 600.000 Euro „Leistungsprämie… | |
| an seine Mitarbeiter aus – zusätzlich zum Arbeitslohn nach den Tarifen des | |
| Öffentlichen Dienstes. Kein Wunder, das Hansewasser in Bremen einen guten | |
| Ruf hat. | |
| ## Hausbesitzer wollen nicht klagen | |
| Obwohl die Interessenvertretung der Hausbesitzer „Haus&Grund“ prinzipiell | |
| die Bremer Wasserpreise für „sehr hoch“ hält, beteiligt sie sich nicht an | |
| der Klage: „Wir wollen nicht in vorderster Front stehen“, erklärte | |
| Geschäftsführer Ingmar Vergau und versichert gleichzeitig: „Wir | |
| unterstützen Herrn Mönnich.“ Hausbesitzer geben die Gebühren über die | |
| Nebenkosten-Abrechnung an ihre Mieter weiter. | |
| Größter Interessenvertreter der Mieter in Bremen wäre die „Gewoba“ mit | |
| 40.000 vermieteten Wohnungen. „Wenn die Gewoba für 40.000 Haushalte | |
| Widerspruch einlegen würde gegen den Gebührenentscheid, dann würde der | |
| grüne Umweltsenator sicher aufwachen“, sagt Mönnich. | |
| Aber im Aufsichtsrat des kommunalen Wohnungsbauunternehmens sitzen diverse | |
| Senatsvertreter, auch der Umweltsenator ist vertreten. Zudem machen die | |
| Gewoba-Mieter ihren Wasservertrag selbst. | |
| Und die Verbraucherzentrale? Die darf aus Gründen der Interessenkollision | |
| die Klage nicht unterstützen – Interessenvertretung gegen den Staat ist ihr | |
| untersagt. | |
| ## Privatisierung brachte 360 Millionen Euro | |
| Dass die Volksvertreter in diesem Fall wenig Neigung haben, das Volk zu | |
| vertreten, hat für Mönnich einen einfachen Grund: Die Privatisierung der | |
| Wasserversorgung wurde in Bremen vor allem unter dem Gesichtspunkt | |
| betrieben, einen hohen Verkaufspreis für die Staatskasse zu erwirtschaften. | |
| Und den lassen sich die Käufer natürlich vergolden. Umgerechnet 360 | |
| Millionen Euro war der Preis, zu dem die Abwasserversorgung 1998 in private | |
| Hände ging. | |
| So, wie die Verträge sind, würde ein Rückkauf der Anlagen nach dem Ende der | |
| 30-jährigen Laufzeit rund 600 Millionen Euro kosten. Weshalb in Bremen | |
| weder die rot-grüne Koalition noch die blau-schwarze Opposition über so | |
| etwas ernsthaft nachdenkt. | |
| 7 Feb 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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