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# taz.de -- Folgekosten der Privatisierung in Bremen: Ein teures Erbe
> Die Privatisierung der Abwasserversorgung könnte Bremen 2028 fast 600
> Millionen Euro kosten, rechnet der Ökonom Ernst Mönnich vor
Bild: Für die Stadt Bremen noch teuer: Abwassernetz.
Bremen taz | Bremen wird die einst als lukrativ empfundene Privatisierung
seiner Abwasserversorgung teuer zu stehen kommen. Das hat der ehemalige
Bremer Hochschulprofessor Ernst Mönnich soeben vorgerechnet, und so ergibt
es sich auch aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linkspartei.
Insgesamt schätzt der Ökonom die Belastungen aus den 2028 auslaufenden
Verträgen auf dann knapp 600 Millionen Euro.
Die große Koalition unter Führung von Henning Scherf (SPD) hatte 1999 die
Firma Hansewasser für 362 Millionen Euro verkauft, auf eine
Gewinnbeteiligung verzichtet und für sich selbst nur einen
Minderheitenanteil von 25 Prozent behalten. Der entsprechende Vertrag hat
eine Laufzeit von 30 Jahren. „Das war ein denkbar schlechtes Geschäft“,
sagt Mönnich.
Bremen bürgt für Kredite, die 2028 fällig werden. Es geht dabei um die
Mietereinbauten in das Abwassernetz. Das gehört zwar weiterhin der Stadt,
wird aber von Hansewasser, dem Mieter, instand gehalten. Die Kosten dafür
werden vom Senat aktuell auf 375, künftig sogar 385 Millionen Euro plus
Mehrwertsteuer beziffert. Mönnich rechnet sogar mit 396 Millionen Euro.
Diese Summe muss Bremen dann entweder selbst bezahlen oder aber einen neuen
Betreiber fürs Abwassernetz finden, der diesen Kredit übernimmt. Mönnich
spricht in diesem Zusammenhang von einem „Schattenhaushalt“ – für den die
große Koalition verantwortlich ist. „Statt mit den Gebühren ein Vermögen zu
bilden, hat Bremen nur höhere Schulden aufgebaut“, so Mönnich.
Und die Betreiber des Bremer Abwassernetzes haben noch einen weiteren
Erstattungsanspruch, der 2028 fällig wird, nämlich den für den restlichen
Wert seiner Eigenanlagen. Das sind nochmals rund 153 Millionen Euro, sagt
der Senat, zuzüglich der Mehrwertsteuer. Diese Summen werden nicht nur dann
fällig, wenn Bremen die Abwasserversorgung 2028 wieder rekommunalisieren
will, sondern auch dann, wenn ein anderer als Hansewasser, also etwa die
Remondis-Gruppe oder der Veolia-Konzern, die Aufgabe übernimmt. Ob die
Stadt als Minderheitengesellschafter dann auch etwas abbekäme, hängt davon
ab, ob sie ihre Anteile behält oder verkauft, sagt Mönnich.
Anderswo läuft längst eine Debatte über die Rekommunalisierung der
Wasserversorgung. Bremens Partnerstadt Rostock etwa will die Privatisierung
2018 rückgängig machen – und verspricht eine Preissenkung von zehn Prozent.
In Bremen sind die Abwassergebühren im Februar um durchschnittlich 6,8
Prozent gestiegen. Und Bremen hat Hansewasser nicht nur ein Monopol
eingeräumt, sondern hat 2008 unter Rot-Grün auch auf sein Recht verzichtet,
die weitere Preisentwicklung zu überprüfen.
Hansewasser musste im Gegenzug bloß rund fünf Millionen Euro im Jahr an die
Stadt abtreten. Gleichwohl machte die Firma 2014 bis 2016 jeweils rund 20
Millionen Euro Gewinn und erwirtschaftete aus dem Geld der Gebührenzahler
eine Eigenkapitalrendite von knapp 30 Prozent, rechnet Mönnich vor. „Das
ist besser als bei Porsche“, sagt er.
Zum Vergleich: Bei den Stromnetzen wurde die Eigenkapitalrendite auf rund
fünf Prozent beschränkt. Die Kapitalbindung für Hansewasser ist gering,
zudem trägt Bremen das Risiko für die Darlehen – „was kann es aus Sicht d…
Eigentümer Schöneres geben?“, fragt Mönnich.
Der Ökonom geht davon aus, dass sich aus Sicht der Stadt eine
Rekommunalisierung des Abwassergeschäftes trotzdem lohnen würde, denn „auch
jetzt trägt der Gebührenzahler alle Lasten“. Für Rot-Grün stand das bisla…
nicht zur Debatte. Das ändert sich jetzt: Am Freitag gibt es in der
Hochschule eine Podiumsdiskussion in der Hochschule zum Thema mit
Vertretern von Rot-Grün, der CDU und der Linkspartei.
Workshop zum Thema „Daseinsvorsorge oder Wettbewerb um den Markt“ mit
Referaten von u.a. Ernst Mönnich und Jörg Broll-Bickhardt (Geschäftsführer
Hansewasser): 20.10. 14 bis 16 Uhr. Podiumsdiskussion: 16.30 Uhr,
Hochschule, Werderstr. 73, Hörsaal A01
17 Oct 2017
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Privatisierung
Abwasser
Bremen
Kosten
Gerichtsverfahren
Autobahn
Alexander Dobrindt
Mieten
Wasserversorgung
Senat Bremen
Abfallwirtschaft
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