# taz.de -- Grundversorgung in Bremen: Geschäft mit altem Wasser | |
> Durch eine Rekommunalisierung der Wasserversorgung könnte der Preis um | |
> zehn Prozent sinken. Dafür klagt der ehemalige Hochschulprofessor Ernst | |
> Mönnich. | |
Bild: Kostet nicht nur Rohstoffe, sondern eine ganze Menge Geld: Wasser | |
BREMEN taz | Das Oberverwaltungsgericht muss sich um ein Problem kümmern, | |
das überschaubar klein aussieht, aber große Auswirkungen hat. Der ehemalige | |
Bremer Hochschulprofessor Ernst Mönnich hat eine Klage eingereicht: 150 | |
Euro zahlt er jedes Jahr für das Abwasser – zu viel, sagt er, um rund 10 | |
Prozent sei die Rechnung überhöht. Wenn er vor Gericht Erfolg hat, wären | |
gut 300.000 Haushalte in der Stadt Bremen betroffen, es geht also um | |
mehrere Millionen Euro im Jahr. | |
Und der Kläger ist nicht irgendwer. Mönnich hat an der Hochschule Bremen | |
Kostenrechnung gelehrt, hat Gutachten und Aufsätze zu dem Thema | |
Abwasser-Finanzierung geschrieben und eine Expertise über die | |
Wasserversorgung in Rostock. Sein Anwalt Benno Reinhardt ist auch Experte | |
in diesem Bereich, er hat schon in Sachsen-Anhalt im Umweltministerium | |
Privatisierungsfälle begleitet und war als Experte zum Berliner | |
„Wassertisch“ geladen, bei dem es um die Privatisierung der Berliner | |
Wasserversorgung ging, die per Volksbegehren gestoppt wurde. | |
Bremens Partnerstadt Rostock ist für Mönnich von besonderer Bedeutung: Sie | |
will die auch von ihm kritisierte Privatisierung der Wasserversorgung | |
rückgängig machen – Mitte 2018 soll es nun dazu kommen. Die Stadt | |
verspricht eine Preissenkung von zehn Prozent. | |
Wenn man die komplizierten juristischen Argumente der Schriftsätze, mit | |
denen die Bremer Klage begründet ist, auf ihren Kern reduziert, dann ist | |
das Argument des Klägers: Bei der Privatisierung des Abwasserbereiches hat | |
die Stadtgemeinde rund 360 Millionen Euro von den Käufern bekommen. | |
Diese Verkaufs-Erlöse hätten aber dem „Gebührenhaushalt“ gutgeschrieben … | |
zur Senkung der Abwasser-Gebühren genutzt werden müssen, so argumentiert | |
Mönnich. Wenn heute Abwasser-Kanäle saniert werden müssen, dann „bezahlt“ | |
das auch nicht der Steuerzahler aus diesen 360-Milllionen, sondern die | |
Gesamtheit der Gebührenzahler. | |
Die private Firma Hansewasser, die den Abwasserbereich im Jahre 1999 | |
übernommen hat, macht zudem gute Gewinne, sie hat eine Eigenkapitalrendite | |
von oft 25 Prozent, hat Mönnich ausgerechnet. Über die Jahre gab es mal 17 | |
Millionen Euro Überschuss, mal 12 Millionen – je nach | |
Instandhaltungs-Investitionen. Ein unternehmerisches Risiko gibt es bei | |
diesem Geschäft nicht – jeder Haushalt unterliegt dem Anschlusszwang, die | |
Stadt setzt die Gebühren fest, es gibt keine „Konkurrenz“ auf diesem Markt. | |
Es handelt sich also um ein staatlich garantiertes Geschäft. Außerdem bürgt | |
die Kommune für die Kredite der Privatfirma Hansewasser, die daher den | |
günstigen Kommunalkredit-Zinssatz erhält. | |
Da die Gewinne Geschäftsgeheimnis sind, steht in dem farbigen „Bremer | |
Abwasserbericht“ des Umweltsenators nie, wie viel Profit Hansewasser auf | |
Kosten der Wassergebühren macht. Im Jahre 2008 haben Gutachter im Auftrag | |
des Umweltsenators auf der Basis der Geschäftsdaten 2006 offiziell | |
festgestellt, dass die Hansewasser-Gewinne übermäßig sind. | |
Damals hat das Umweltressort mit der Privatfirma einen Kompromiss | |
ausgehandelt und einen klassischen „Halbe/Halbe“-Deal zu Lasten der | |
Gebührenzahler gemacht: Fünf Millionen weniger bekommt Hansewasser, darf | |
aber die seit 1998 eingestrichenen Gewinne behalten. Und dazu hat die Stadt | |
auch offiziell darauf verzichtet, die Gewinne noch einmal zu überprüfen – | |
bis zum Ende der Vertragslaufzeit, also bis 2028. Das Unternehmen bedankte | |
sich mit satten Spenden an das Ressortprojekt „Botanika“. | |
Da die Umweltbehörde als legitime Vertreterin der Gebührenzahler diesen | |
„Kompromiss“ ausgehandelt hat, selbstverständlich ohne die Betroffenen | |
„Zahler“ dazu zu befragen, lässt sich das juristisch nicht so einfach | |
anfechten. Aber wenn, so die Konstruktion der Klage, der | |
Privatisierungsvertrag in dieser Form einer rechtlichen Prüfung nicht | |
standhält, dann könnte die Stadt im Interesse ihrer Gebührenzahler neu mit | |
Hansewasser verhandeln. Im Interesse der Gebührenzahler müsste der grüne | |
Umweltsenator also hoffen, dass er den Prozess gegen Mönnich verliert. | |
31 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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