# taz.de -- STEUERN UND ABWASSER: Teure Brühe | |
> In Bremen ist das Abwasser besonders teuer. Nun will der Senat | |
> Großunternehmen die Mehrwertsteuer ersparen. Preissenkungen für Bürger | |
> sollen vermieden werden | |
Bild: Abwasser ist in Bremen deutlich teurer als in vielen anderen Großstädte… | |
Wenn ein Durchschnittshaushalt im Jahr 184 Kubikmeter Wasser verbraucht, | |
zahlt er dafür in Bremen 581 Euro Abwassergebühr - in Karlsruhe mit 226 | |
Euro nicht einmal die Hälfte. Und das, obwohl mit kommunalen Gebühren nur | |
die anfallenden Kosten gedeckt werden dürfen: versteckte Querfinanzierungen | |
wären illegal. | |
Wenn man bei den Experten der Wasserwirtschaft nachfragt, wie sich solche | |
Preisunterschiede erklären - Spitzenreiter ist Potsdam mit 786 Euro, | |
Frankfurt etwa liegt bei 355 Euro - dann bekommt man recht allgemeine | |
Antworten. Der Untergrund in Karlsruhe sei nicht felsig, das mache den | |
Kanalbau billiger, sagt man etwa beim Tiefbauamt in Karlsruhe. Für Kanalbau | |
werden in Bremen 67 Euro der 581 Euro berechnet - selbst ohne | |
Kanalbaukosten wäre Bremen doppelt so teuer. Und Felsen gibt es unter | |
Bremen auch nicht. Eine seriöse Untersuchung der Preis-Unterschiede gibt es | |
nicht, sagt der Städte- und Gemeindebund. | |
Weil die Wassergebühren in Bremen so hoch sind - im Vergleich von 100 | |
Großstädten liegt Bremen auf Platz 76 - will die rot-grüne Koalition | |
wenigstens für die großen Wasserverbraucher die Belastung senken. Daimler, | |
Kelloggs, Inbev oder etwa die Bremer Bädergesellschaft könnten 19 Prozent | |
Mehrwertsteuer "sparen", das heißt absetzen, wenn die Wasserrechnung nicht | |
von dem kommunalen "Umweltbetrieb Bremen" kommen würde, sondern von einer | |
kommunalen GmbH, die berechtigt wäre, Mehrwertsteuer auszuweisen. Das | |
beträfe auch jeden kleinen Handwerker: Die Summe, die die Unternehmen | |
zahlen müssten, bliebe dieselbe, nur stünde auf der Rechnung "inklusive 19 | |
Prozent Mehrwertsteuer". | |
Der kleine Unterschied hat große Folgen. Seit Jahren laufen bundesweit | |
kommunale Wasserversorger und ihre Verbände, etwa der Deutsche Städte- und | |
Gemeindebund (DStGB), dagegen an. Denn, so schrieb der Verband zuletzt im | |
Juli 2010 an die Fraktionen der Bürgerschaft, die Übertragung der | |
Gebühren-Hoheit auf eine privatrechtliche GmbH würde juristisch eine | |
"Pflichtenübertragung" bedeuten - nach der Rechtsprechung des | |
Bundesfinanzgerichtes sei damit zu rechnen, dass dann alle kommunalen | |
Wasserunternehmen Mehrwertsteuer abführen müssen. Und das würde das Wasser | |
überall und für alle 19 Prozent teurer machen. | |
Die Juristen sehen ein zweites Risiko: Es könnte sein, dass das Kartellamt | |
auf die Idee kommt, die Preisfindung der GmbH zu überprüfen. Und dann würde | |
die Frage aufgeworfen, warum das Bremer Wasser so teuer ist. Das Risiko | |
besteht, dass das Kartellamt auf einer Senkung des Preises besteht. Die | |
Firma Hansewasser, an die die Wassergebühren weitergeleitet werden und die | |
die Zahlen für die Preisberechnung liefert, sieht dieses Risiko offenbar | |
auch - und hat sich vorsorglich von jedem Preissenkungsrisiko freihalten | |
lassen. Für den Fall einer Senkung der Preise durch das Kartellamt, so hat | |
der Senat zugesagt, bekäme Hansewasser von der Kommune dennoch den "alten" | |
Preis. | |
Hansewasser kann es also egal sei, ob ein Kartellverfahren verloren wird | |
oder nicht. Vielleicht könnte Hansewasser und der dahinter stehende | |
Wasserkonzern Gelsenwasser sogar ein Interesse haben, dass bundesweit auch | |
die Mehrwertsteuerpflicht eingeführt wird - der Preisvorteil, den Kommunen | |
bei einer eigenständigen Wasserversorgung haben, ginge verloren. | |
Gelsenwasser hätte größere Chancen, bundesweit ins Geschäft zu kommen. | |
Der neue SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte besteht daher darauf, | |
dass der Senat sich mit dem Städte- und Gemeindebund an einen Tisch setzt, | |
um zu sehen, ob sich dessen Bedenken zerstreuen lassen. Und für das | |
kartellrechtliche Problem sieht er eine schlichte Lösung: "Hansewasser | |
müsste mit ins Risiko gehen" - für den Fall einer Preissenkung. Eine | |
ähnliche Position wollen die Grünen heute beschließen. | |
Damit wäre die "Abwasser-GmbH" erst einmal blockiert und der | |
Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) blamiert, der im Juli noch | |
vollmundig sagte, der grüne Umweltsenator Reinhard Loske würde die Gründung | |
der Abwasser-GmbH kräftig vorantreiben. Wenn das Kartellgericht den | |
Wasserpreis als zu hoch verwirft, so wird neuerdings von den | |
GmbH-Befürwortern argumentiert, könnte man ja schnell wieder zur | |
derzeitigen Rechtsform zurückgehen. Und bei der Bevölkerung weiter | |
überhöhte Gebühren kassieren. | |
15 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
Klaus Wolschner | |
## TAGS | |
Wasserversorgung | |
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