# taz.de -- Abwassergebühren in Bremen: Millionen in den Abfluss gespült | |
> Obwohl Hansewasser viel Geld verdient, stiegen die Gebühren für Abwasser | |
> kräftig. 2028 könnte das Land den Betrieb wieder übernehmen. | |
Bild: Lässt sich Hansewasser lukrativ vergüten: Trinkwasser in „Premiumqual… | |
Bremen taz | Rekommunalisierung, also Verstaatlichung, das klingt ja ein | |
wenig nach Planwirtschaft und Sozialismus. Andererseits: Ist es richtig, | |
dass die Gebührenzahler:innen in Bremen alljährlich für | |
zweistellige Millionengewinne einer privaten Firma sorgen? Noch dazu, wenn | |
die ja eine staatliche Aufgabe erledigt, die Wasserver- und | |
Abwasserentsorgung? Bremen hat nun nach 30 Jahren die Chance, das Geschäft | |
wieder selbst zu übernehmen. Doch die rot-grün-rote Landesregierung zögert. | |
Dabei drängt die Zeit. | |
Und alles hat ambitioniert angefangen, 2019, im [1][Koalitionsvertrag von | |
SPD, Grünen und der Linkspartei]: „Wir wollen uns auf das [2][Ende der | |
Leistungsverträge im Jahr 2028 vorbereiten]“, heißt es da – 2026 müssten | |
sie gekündigt werden. Und weiter: „Eine gebührenfinanzierte Gewinnabführung | |
in der Höhe wie bisher darf es nach 2028 nicht mehr geben.“ | |
Seither ist aber eher wenig passiert, und im Mai wird die Bremische | |
Bürgerschaft neu gewählt. Im Februar wolle der Senat darüber beraten, heißt | |
es nun aus dem Umweltressort. Eine Vorlage dazu befinde sich derzeit „in | |
der Abstimmung“ – weswegen gerade gar keine inhaltlichen Fragen beantwortet | |
werden. | |
[3][Hansewasser] schüttet aus seinem risikoarmen Monopolgeschäft seit 2008 | |
im Schnitt elf Millionen Euro an seine Gesellschafter aus, jedes Jahr, bei | |
einem Gewinn vor Steuern von durchschnittlich 16 Millionen. Das rechnet der | |
emeritierte Bremer Volkswirtschaftsprofessor Ernst Mönnich vor und spricht | |
von „Übergewinnen“. | |
## Gewinne gehen an Private | |
Die Stadt Bremen, die einen Anteil von 25,1 Prozent an Hansewasser hält, | |
profitiert kaum davon: Sie bekommt nur einen jährlichen Betrag von 192.500 | |
Euro, so Mönnich. Die Gewinne fließen also an EWE und die Gelsenwasser AG, | |
die beiden anderen Gesellschafter. Mönnich hat gerade ein neues Buch zum | |
Thema mit herausgegeben: [4][„Wasserwirtschaft zwischen Profit und | |
Gemeinwohl“]. | |
In Bremen hatte die Große Koalition unter Henning Scherf (SPD) 1999 durch | |
die Privatisierung [5][362 Millionen Euro] als Verkaufserlös eingestrichen | |
– „mit einem Tunnelblick auf die Maximierung einmaliger Einnahmen“, | |
kritisiert Mönnich. „Die Stadt wollte nicht unternehmerisch handeln“, sagt | |
der Hansewasser-Sprecher – und verzichtete auf Gewinnbeteiligung. | |
Für die Bremer:innen „war das ein denkbar schlechtes Geschäft“, wie | |
Mönnich sagt. Er beklagt die Abwassergebühren in Bremen schon seit | |
Jahrzehnten, und ist ein Verfechter der Idee der Rekommunalisierung. | |
[6][Zum 1. Januar 2023 sind die Gebühren in Bremen kräftig gestiegen]: Jene | |
für Abwasser um 35 Cent pro Kubikmeter, also rund 14 Prozent; jene für | |
Schmutzwasser um 37 Cent pro Kubikmeter, also um rund 17 Prozent. So steht | |
es im dritten [7][Ortsgesetz zur Änderung des | |
Entwässerungsgebührenortsgesetz]es, das am Jahresbeginn in Kraft trat. Die | |
Begründung: Kostensteigerungen. | |
Die Linke war „nicht begeistert“, als das im Parlament diskutiert wurde. | |
Der zuständige Staatsrat Enno Nottelmann (parteilos) erklärte, dass man in | |
diesen Zeiten nicht gerne Gebühren erhöhe und die Grünen wollten darüber | |
nachdenken, ob man Härtefälle abmildern könne. Immerhin, [8][so vermerkt es | |
das Parlamentsprotokoll], kritisierte der SPD-Abgeordnete Arno Gottschalk | |
„die Privatisierung aus heutiger Sicht“ und sprach von „dem Problem der zu | |
hohen Entgelte“. | |
Am Ende stimmte Rot-Rot-Grün der Gebührenerhöhung zu, bei Enthaltung von | |
CDU und FDP. Mönnich [9][klagt seit 2002 gegen die Abwassergebühren in | |
Bremen,] auch gegen die jüngste Erhöhung. 2022 entschied das | |
Oberverwaltungsgericht in Münster in einem ähnlichen Fall, dass die | |
Abwassergebühren in Oer-Erkenschwick um 18 Prozent zu hoch sind. | |
Das seit Jahren von den Grünen geführte Umweltressort hat jetzt erst einmal | |
„Strukturen geschaffen“ und eine „Staatsrätelenkungsgruppe gegründet“… | |
spielen „Beamtenmikado“, sagt Mönnich. „Wir befinden uns auf dem Weg, der | |
durch den Koalitionsvertrag vorgegeben wurde“, sagt das Ressort. „Zum | |
jetzigen Zeitpunkt“ gebe es aber „keine Festlegung“, was die | |
Rekommunalisierung angeht. | |
Mönnich kommt in seinem Buch zu dem Ergebnis, dass der Rückkauf von 74,9 | |
Prozent der Anteile von Hansewasser für Bremen „eine wirtschaftlich | |
sinnvolle Investition“ wäre. Und zwar obwohl das hochverschuldete | |
Bundesland laut Mönnich knapp 600 Millionen Euro an Abstandszahlungen | |
leisten müsste. | |
## Hansewasser punktet mit Preisstabilität | |
Die Erfahrungen aus Rostock, Hamburg und Berlin zeigen seiner Meinung nach | |
auch, dass die kommunale deutsche Wasserwirtschaft entgegen anders | |
lautender Vorurteile „im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Effizienz und | |
Effektivität mithalten kann“. Zugleich hätte die Stadt mehr Einfluss – auf | |
die Leistung und die Gebühren. Die Linke in Bremen ist für eine | |
Rekommunalisierung, SPD und Grüne positionieren sich bisher noch nicht so | |
genau. | |
Bei Hansewasser ist man freilich sehr zufrieden mit dem bestehenden | |
Geschäftsmodell und verweist auf zahlreiche Erfolge, die auch in der | |
örtlichen Politik durchaus anerkannt werden – und auf eine „über 20-jähr… | |
Gebührenstabilität“. Die Verbraucherpreise stiegen seit 1999 um fast 40 | |
Prozent, die Abwassergebühren nur um knapp neun Prozent, wie Hansewasser | |
angibt. | |
Konkrete Gespräche mit der Stadt gab es aber offenbar noch nicht: „Für die | |
Gestaltung der Zukunft von Hansewasser ist es wichtig, dass wir im Gespräch | |
bleiben, also mit uns über die Zukunft gesprochen wird und nicht über uns“, | |
sagt der Firmensprecher. Dabei ist der Draht zur Politik eher kurz: | |
Hansewasser-Chef Ekkehart Siering (SPD) war bis 2019 Staatsrat im | |
Wirtschaftsressort. | |
Bei einer Rekommunalisierung gäbe es prinzipiell drei Varianten: Bremen | |
könnte – wie vor vier Jahren bei der Müllabfuhr – 49,9 Prozent der Anteile | |
an Hansewasser übernehmen und so etwas mehr Gewicht bekommen. Maßgeblich | |
entscheiden könnte die Stadt nur, wenn sie mehr als die Hälfte der Anteile | |
besäße. Unwahrscheinlich ist das Szenario einer völligen Firmenübernahme. | |
Die 2026 fällige Entscheidung bedürfe langer Vorbereitung, sagt Mönnich, | |
„das dauert Jahre“. – Der Prozess beginnt aber gerade erst. So oder so wi… | |
sich 2028 etwas ändern: Bleibt die Umweltsenatorin Maike Schaefer untätig, | |
steht eine europaweite Neuausschreibung an. | |
1 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://spd-land-bremen.de/Binaries/Binary_6302/Koalitionsvereinbarung-RGR-… | |
[2] /Kritik-an-Bremer-Mietenpolitik/!5791248 | |
[3] https://www.hansewasser.de/wir-als-unternehmen/ueber-uns/geschaeftsberichte/ | |
[4] https://www.kellnerverlag.de/wasserwirtschaft-zwischen-profit-und-gemeinwoh… | |
[5] https://paris.bremische-buergerschaft.de/starweb/paris/servlet.starweb?path… | |
[6] https://www.hansewasser.de/wir-fuer-bremen/leistungen-fuer-die-bremer-buerg… | |
[7] https://www.gesetzblatt.bremen.de/fastmedia/218/2022_12_15_GBl_Nr_0144_sign… | |
[8] https://sd.bremische-buergerschaft.de/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZcaLkcmQ… | |
[9] /Hohe-Abwassergebuehren-in-Bremen/!5862475 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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