# taz.de -- Abwassergebühren in Bremen: Undurchsichtige Verträge | |
> Zum 1. April sollten in Bremen die Gebühren für Abwasser sinken. Aber der | |
> Abschlag ist unverändert hoch. Was ist los mit der Gebührenkalkulation? | |
Bild: Geld aus dem Dreckwasser zu fischen lohnt sich: Es behält seinen Wert | |
BREMEN taz | Eine gute Nachricht gab es im März – die Abwasser-Gebühren | |
sollen für Bremens Bürger sinken, um rund zehn Prozent. Das mache für einen | |
Vier-Personen-Haushalt rund 48 Euro pro Jahr, teilte die Umweltsenatorin | |
mit, und das entsprechende Ortsgesetz „tritt am 1. 4. 2020 in Kraft“. | |
Wer in diesem Monat nun auf seine Abschlagszahlung fürs Wasser guckt, der | |
muss überrascht feststellen: Keine Spur von Absenkung. Der Abwasserpreis | |
wird bis zum Ende des Jahres 2020 weiterhin mit 2,82 pro Kubikmeter | |
berechnet, nicht mit den ab dem 1. April gültigen 2,54 Euro. Die | |
Gebührenzahler müssen so insgesamt zwei bis drei Millionen Euro mehr | |
zahlen, als wenn die Gebührensenkung ab April 2020 wirklich wirksam wäre. | |
Das sei normal, teilen die Kundenberater der SWB mit, am Ende des Jahres | |
wird die zu viel gezahlte Summe gutgeschrieben. | |
Schön immerhin, dass die Absenkung überhaupt kommt, könnte man sagen. Was | |
die gute Nachricht aus dem März aber verschweigt, ist die Tatsache, dass | |
die Abwasserpreise zum 1. Januar 2017 um 18 Cent angehoben worden waren. | |
Damals hatte der Linken-Abgeordnete Klaus-Rainer Rupp schon dagegen | |
gestimmt und erklärt, wenn die Abwasser-Firma Hansewasser 20 Millionen | |
Gewinn mache bei 85 Millionen Euro Umsatz, dann könne mit der | |
Gebührenkalkulation ja etwas nicht stimmen. | |
Die Gebührenerhöhung 2017 wurde offiziell damit begründet, die | |
„Gebührenüberdeckung“ aus früheren Jahren sei am Ende des Jahres 2016 | |
„aufgebraucht“ gewesen. Stimmte das? Immerhin hat die Stadt in den Jahren | |
2005 bis 2015 insgesamt 14 Millionen Euro mehr an Abwassergebühren kassiert | |
als der Firma Hansewasser überwiesen werden mussten. | |
In der offiziellen Mitteilung des Senats vom März 2020 ist zudem zu lesen: | |
Im Jahre 2019 sind wieder allein für die Abwassergebühr 4,45 Millionen Euro | |
„Überdeckungen“ aufgelaufen. Im Klartext: Die Erhöhung war auf jeden Fall | |
zu stark. Rechnet man die Erhöhung von 2017 ab, beträgt die Senkung von | |
2020 (im Vergleich zu 2016) nur zehn Cent pro Kubikmeter. Das Geld, was die | |
Gebührenzahler 2017 bis 2019 zu viel an den „Umweltbetrieb Bremen“ (UBB) | |
gezahlt haben, bekommen sie über die Gebührensenkung ab dem Jahre 2021 | |
zurück. | |
In der Pressemitteilung der Umweltbehörde wird die aktuelle Gebührensenkung | |
damit begründet, dass der „Verrechnungszinssatz“ gesunken sei. Stellt sich | |
zunächst die Frage: Warum müssen Bremer Gebührenzahler für die | |
Abwasserentsorgung Zinskosten zahlen? Und dann zweitens: Dass irgendwelche | |
Zinssätze 2017 gestiegen und 2020 gesunken sind, hat der ehrliche Sparer | |
nicht mitbekommen. | |
Der Sprecher des Umweltressorts erklärt dazu erstens: Bei diesen Zinsen, | |
die Hansewasser in die Wasserrechnung an die Stadt einrechnet und die die | |
Stadt an die Gebührenzahler weitergibt, handelt es sich um die Verzinsung | |
des Kaufpreises für das Kanalnetz, das die Firma Hansewasser 1999 für rund | |
400 Millionen Euro gekauft hat. Die Gebührenzahler finanzieren also die | |
Zinsen für den Kaufpreis der Firma Hansewasser. Das hat der Bremer Senat | |
1998 so verhandelt, weil er einen hohen Kaufpreis haben wollte. | |
Aber auch die Zinsen, die Hansewasser real zahlen muss, sind seit 2017 | |
weder gestiegen noch 2020 gesunken. Da der Senat für den Kredit von | |
Hansewasser bürgt, zahlt die Firma real den günstigen Kommunalzins. Der | |
rechnerische Zinssatz für den Kaufpreis, der in die Gebühren eingerechnet | |
wird, hat nichts mit dem effektiven Kommunalzins zu tun, Maßstab dafür ist | |
die „Umlaufrendite festverzinslicher börsennotierter Bundeswertpapiere mit | |
Restlaufzeiten über 9 bis 10 Jahre“ und da das nicht reicht, werden zwei | |
Prozent aufgeschlagen. | |
Angepasst wird der rechnerische Zinssatz zudem erst Jahre später. Über fast | |
20 Jahre hat Hansewasser diesen Zinsvorteil also einstreichen dürfen. Weil | |
die „Umlaufrendite“ für Bundeswertpapiere vor Jahren gesunken ist, sinkt | |
der Zinsanteil, der in die Abwassergebühren eingerechnet wird. | |
Die Firma Hansewasser kann nichts dafür, dass der Senat 1999 solche | |
Verträge auf Kosten der Gebührenzahler gemacht hat. Der Abwasserpreis liege | |
heute immerhin um zwölf Cent unter dem Preis, den Bremer Bürger 1999 | |
bezahlen mussten – vor der Privatisierung, teilt Hansewasser dazu mit. Das | |
waren damals 2,66 Euro. „Eine solche Entwicklung dürfte bundesweit einmalig | |
sein“, lobt sich Hansewasser. | |
## Gebührenerhöhung vor dem Verkauf von Hansewasser | |
Die Leistungsverträge zwischen der Freien Hansestadt Bremen und der | |
Hansewasser hätten sich eben zum Vorteil der Bremer Bürger erwiesen. Was | |
Hansewasser nicht zu verantworten hat: Vor dem Verkauf sind die | |
Abwasser-Gebühren um 30 Prozent angehoben worden. Auch damit hatte der | |
Senat den Abwasser-Bereich attraktiv gemacht, um einen möglichst hohen | |
Verkaufspreis zu erzielen. „Tafelsilber“ nannte man das damals. Die Grünen, | |
die heute das Umweltressort zu verantworten haben, betonen, dass sie damals | |
gegen diesen Deal der großen Koalition gewesen seien. | |
Hansewasser betont den Vergleich mit 1999 besonders, weil der Bremer | |
Volkswirtschaftsprofessor Ernst Mönnich für das Vertragsende 2028 die | |
Rekommunalisierung fordert. Unbestritten ist, dass Hansewasser den ehemals | |
kommunalen Abwasser-Betrieb kaufmännisch gut reorganisiert hat. Aber pro | |
Jahr überweist Hansewasser bei einem Umsatz von 100 Millionen Euro zwischen | |
12 und 20 Millionen Euro Gewinn an seine Gesellschafter Gelsenwasser und | |
SWB. | |
Die Stadtgemeinde Bremen übrigens, mit 25 Prozent an der Gesellschaft | |
beteiligt, hat auf ihren Gewinnanteil verzichtet. Das ist zu viel Gewinn | |
für einen kommunalen Monopol-Versorger ohne Konkurrenz und kaufmännisches | |
Risiko, für den die Stadtgemeinde die Gebühren eintreibt, findet Mönnich. | |
Die doppelte Preissenkung wäre angemessen. Um das durchzusetzen, zieht er | |
seit Jahren vor Gericht. Inzwischen beschäftigt sich das | |
Oberverwaltungsgericht mit einer entsprechenden Normenkontrollklage. | |
28 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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aber die Stadt mag die Kalkulation der zuständigen Privatfirma nicht | |
offenlegen. |