Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Kunst der Woche für Berlin: Die Bilder nach außen
> „Spheres of Interest*“ liest Werke aus dem ifa-Bestand neu und fragt, wie
> Deutschland im Ausland erzählt wird. Die Künstlerin Lizza May David im
> Einblick.
Bild: Spheres of Interest*, ifa-Galerie Berlin, Ausstellungsansicht
Mit der Reihe „Out of the Box“ lenken die [1][ifa-Galerien in Berlin] und
Stuttgart den Fokus auf einzelne Werken aus dem Kunstbestand des Instituts
für Auslangsbeziehungen. Die Sammlung, in die Teile der Sammlung des
Zentrums für Kunstausstellungen (ZfK) der DDR übergegangen sind, umfasst
über 20.000 Werke, von denen nur ein Bruchteil in den internationalen
ifa-Tourneestellungen zu sehen sind, die Kunst aus Deutschland im Ausland
zeigen.
Für „Spheres of Interest*“ luden die Kurator:innen Inka Gressel und
Susanne Weiß die Künstler:innen Isaac Chong Wai, Lizza May David,
Wilhelm Klotzek, Ofri Lapid, Adrien Missika und Gitte Villesen quasi zum
Ko-kuratieren ein: Sie alle wählten Werke aus dem [2][schier endlosen
ifa-Bestand] aus, um sie (teils zum ersten mal) aus den Archivkisten zu
holen und in Berlin zu zeigen. Einige nahmen dabei die Inhalte der Arbeiten
künstlerisch auf, andere befragten sie konzeptuell – ein Suchprozess, der
im September in einem zweiten Teil fortgesetzt wird.
So zitiert Isaac Chong Wai, der sich schon länger mit Käthe Kollwitz
beschäftigt, ihr Werk „Die Mütter“ (1922/23) aus ihrer Serie „Krieg“ …
einer Tanzperformance. Der Moment des verzweifelten Umklammerns, das zum
gegenseitigen Halten wird, ist bei ihm in Bewegtbildern und als trauernde
Tonspur erfahrbar. Gleichzeitig ist Kollwitz’ Holzschnitt in gleich drei
Ausführungen mit unterschiedlichen Graden der Farbdeckung präsent, eine
unheimliche wie starke Repetition.
Daneben war Rosemarie Trockels Arbeit ohne Titel von 1989 von gemeinsamem
Interesse. Sie war vielen der beteiligten Künstler:innen aufgefallen.
Ihre Spanplatte mit minimalistischen Löchern, einige der Lochpaare leicht
umrundet, wirkt dank der Hängung zunächst wie eine Leerstelle, die auf
Kollwitz reagiert bzw. ihren Bildinhalt fortsetzt. Der Kreis Mütter scheint
gänzlich in einem großen Nichts verschluckt. Dass die Arbeit von 1995 bis
1999 in der Ausstellung [3][„Leiblicher Logos –14 Künstlerinnen aus
Deutschland“] tourte, passt da umso mehr.
Auch in der Auswahl von Ofri Lapid verschieben sich die Bedeutungen.
Eigentlich als ausrangierte Ersatzkopien gekennzeichnete Textblöcke wie
„[(Kunst als Idee als Idee): Lila]“ (1967/68) von Joseph Kosuth spiegeln
lexikalische Verkürzungen wieder. Rapid selbst hat mit [4][„Sprachtournee“]
ein mehrsprachiges Meer aus Bezügen geschaffen, in denen lila Fische sich
den Weg durch den lingusitischen Stillstand bahnen.
## Praktiken des Zeigens
Lizza May David wiederum trat noch einmal einen Schritt zurück und fragte,
welches „Deutschlandbild“ in den ifa-Wanderausstellungen exportiert wird –
mit welchen Bildern und Kunstwerken Deutschland also (nach)erzählt wird.
Sie stieß in einem Ausstellungskatalog mit dem merkwürdig anklingenden
Titel „Deutsche Naive Malerei“ auf Franz Klekawa. Der gelernte Schlosser
malte abends nach der Arbeit und holt in seinen Werken die Malerei in ihre
Rolle als Zeitzeugin zurück.
In den Bildern „Maidemonstration mit Gastarbeitern“ von 1974 und
„Treffpunkt Bahnhof“ von 1973 bildet Klekawa Kapitel aus der Geschichte der
der türkischen, jugoslawischen und italienischen Arbeitsmigration nach
Deutschland ab. Teils stereotyp, teils sozialkritisch, lässt sich die
Geschichte der wilden Streiks hier ebenso ablesen wie weiß-deutsche
Missionierungsansprüche. Als Teil einiger ifa-Tourneeausstellungen in den
70ern und 80ern war mit Klekawa das „Exportbild“ nach außen also
tatsächliches eines von Deutschland als Migrationsgesellschaft.
Der Versuch der Kritik bei gleichzeitiger Wiederholung bestimmter
Blickachsen und Tropen ist eine Problematik, die sich durch einige der hier
gezeigten Werke aus dem ifa-Bestand zieht. So setzten sich Gitte Villesen
und Lizza May David auf umsichtige Weise mit einer Collage von Hanna Höch
aus deren Serie „Aus einem ethnographischem Museum“ auseinander, einem
Bild, mit dem Höch die aufsteigenden Abstammungsideologien der 1920er
ironisierte, das auf der Bild- und Titelebene aber auch entlang der Logiken
der Differenz schrappt.
Der Ausstellung gelingt es, beide Ebenen anzuerkennen ohne vorzugeben das
Konflikthafte damit zu lösen. Vielmehr ist hier das Interesse an der
Konfrontation mit widerständigen und reproduzierenden Überlappungen
spürbar, zu denen politische, biografische, ebenso wie kunsthistorische
Verschränkungen gehören können. In jedem Fall handelt es sich bei einer
Sammlung auch um ein „Affekt der Archive“ wie Lizza May David es nennt.
## EINBLICK (819): Lizza May David, Künstlerin
Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und
warum?
Angeregt wurde ich von dem Baum in der Ausstellung „Emeka Ogboh. Ámà: The
Gathering Place“ im Gropius Bau. Der Sound und die Installation waren sehr
schön. Inspirierend war die Stimmung in der dortigen Ausstellung von Zanele
Muholi.
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?
Eigentlich kann ich es noch nicht empfehlen, weil ich nur neugierig bin:
[5][RSO.berlin]. Sie legen Elektro und Minimal auf, das mich an die 2000er
erinnert, als ich nach Berlin gezogen bin.
Welche Zeitschrift und welches Buch begleitet dich zurzeit durch den
Alltag?
Es gibt viele Bücher, in denen ich nur ab und zu blättere, ich lese
langsam. Oft benötige ich nur kurze Textpassagen, über die ich nachdenke,
wie z.B. aus dem Sammelband: [6][„Asiatische Deutsche Extended. Vietnamese
Diaspora and Beyond“], herausgegeben von Kien Nghi Ha.
Was ist dein nächstes Projekt?
Ende September geht es weiter mit der zweiten ifa-Gruppenausstellung. Ich
arbeite mit Affekt/Emotionen im Archiv, die ich als Farbverdichtungen auf
Leinwand übersetze. Dabei gehe ich von den Begegnungen mit Kunstwerken aus,
wie z.B. Hannah Höchs Collage „Mischling“, die ich gemeinsam mit Gitte
Villesen für Teil I ausgewählt habe.
Welcher Gegenstand des Alltags macht dir am meisten Freude?
Momentan ist es ein Kamm, über den ich mit meiner Cousine aus den
Philippinen gechattet habe, im Kontext eines weiteren Archivprojektes.
Darin beziehen wir uns auf philippinische Objekte, die wir in Museen und
Sammlungen in Deutschland finden. Es ist schön zu sehen, welche
Erinnerungen mit einem Kamm in Verbindung stehen können.
8 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.ifa.de/en/exhibitions/ifa-gallery-berlin/
[2] https://agora.ifa.de/de
[3] /Von-allen-Umhuellungen-befreit/!1515812/
[4] https://ofrilapid.com/sprach-tournee
[5] https://rso.berlin/
[6] https://www.korientation.de/sammelbestellung-buch-asiatische-deutsche/
## AUTOREN
Noemi Molitor
## TAGS
taz Plan
Kunst Berlin
zeitgenössische Kunst
Malerei
Skulptur
Word Art
Kunstsammlung
Einblick
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ausstellungsempfehlung für Berlin: Am Knotenpunkt des Materials
Das 13. Design Lab im Kunstgewerbemuseum geht den Geschichten diverser Bau-
und Designmaterialien auf den Grund. Befragt werden Werke aus der Sammlung.
Die Kunst der Woche: Im Hot(s)pot
Mit „Tasty Painting“ im Deutschen Künstlerbund hat die Künstlerin Zuzanna
Skiba eine Malerei-Ausstellung kuratiert, die Lust auf Experimente macht.
Die Kunst der Woche für Berlin: Im Rief'schen Durchlicht
Die Künstlerin Marie Rief reizt die Grenzen von Kopiermaschinen aus. Ihre
Bilder sind Druck und Foto, unendliche Verfielfältigung und Original
zugleich.
Die Kunst der Woche für Berlin: In der Zettelwirtschaft
In ihren seriellen Raumskizzen bei SOX codiert die Künstlerin Christel
Fetzer drei Jahre Kommen und Gehen in einer Bar. Auch Zigaretten fehlen
nicht.
Die Kunst der Woche für Berlin: Wachsam im Späti
Jeden Tag ein neuer Beitrag: Zum Project Space Festival kommt im August
wieder die freie Szene Berlins zusammen. Diese Woche mit Videokunst in
Spätis.
Die Kunst der Woche für Berlin: Tief in den Gedärmen
Henrik Olesen malt bei Buchholz sein Verdauungssystem in Öl. Und Christa
Joo Hyun D’Angelo schickt im Projektraum Soma Vampirinnen los.
Gedenktafel an der Humboldt-Universität: Du Bois in Berlin
Eine Gedenktafel des Künstlers Jean-Ulrick Désert erinnert an die Berliner
Studienzeit des Bürgerrechtlers W.E.B. Du Bois. Nun wird sie eingeweiht.
Die Kunst der Woche für Berlin: Schulen, die Brücken sind
In den Werkstätten der Jugendkunstschule FRI-X BERG erarbeiten sich
Schüler:innen künstlerische Freiräume. Zu sehen im Projektraum Alte
Feuerwache.
Die Kunst der Woche für Berlin: Blatt und Stock
Ein Doge in Venedig, eine Bretonische Hochzeit: Die neue Reihe im
Kupferstichkabinett stellt künstlerische Drucktechniken vor. 1400 fängt
alles an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.