# taz.de -- Biografie über Hans Litten: Der Hitler vor Gericht grillte | |
> Ein Buch über Hans Litten beleuchtet sein antifaschistisches Engagement: | |
> Der Anwalt ging gegen rechte Schlägertruppen in der Weimarer Republik | |
> vor. | |
Bild: Hans Litten-Büste im Amts- und Landgericht in Berlin-Mitte | |
Es ist nicht so, dass [1][Hans Litten ein Vergessener wäre]. Es gibt da in | |
Berlin eine Littenstraße und das Hans-Litten-Haus, eine Gedenktafel hängt | |
am Landgericht, und eine Büste des Rechtsanwalts findet sich im Aufgang des | |
Gerichts; schließlich existiert auch die Hans-Litten-Schule. Man hat in | |
Großbritannien eine Fernsehfilm über Hans Litten gemacht und eine | |
Dokumentation. Die Bücher über ihn füllen Regalmeter. | |
Und doch ist Litten, der „Anwalt gegen Hitler“, wie es immer wieder heißt, | |
in Teilen ein Unbekannter geblieben. Der junge Mann, der den NS-Führer in | |
den Zeugenstand zwang, der furchtlos gegen die Täter aus den Reihen der SA | |
zu Beginn der 1930er Jahre vorging, ist ob seines Todes im KZ 1938 zu einer | |
Heldenfigur erstarrt, unverrückbar, wie Ikonen der Geschichte eben | |
gezeichnet werden. Aber auch Denkmäler benötigen einen Sockel. | |
Stefanie Schüler-Springorum, Sabine Fröhlich und Knut Bergbauer geht es in | |
ihrer Biografie keineswegs darum, die historische Figur Hans Litten zu | |
beschmutzen. Aber ihrer detaillierten Recherche ist es zu verdanken, dass | |
nun endlich der ganze Mensch Hans Litten, soweit das mit Archivstudien | |
überhaupt möglich ist, hinter dem Vorhang hervortritt. | |
Es gab da nicht nur den uneigennützigen Anwalt, der mit allen Möglichkeiten | |
(und bisweilen darüber hinaus), die ein [2][Rechtsstaat wie die Weimarer | |
Republik bietet], die Totschläger der Nazis im Gerichtsaal an den Pranger | |
stellte und sich darum bemühte, linke, meist kommunistisch orientierte | |
Angeklagte vor der Verurteilung zu bewahren. Die Biografie spart dabei | |
nicht mit unangenehmen Wahrheiten über eine Justiz, die in weiten Teilen | |
auf dem rechten Auge erblindet war. | |
## Um 4 Uhr erschien die Polizei in seiner Wohnung | |
Der 1903 in einer bürgerlichen Familie geborene Litten wurde so in den | |
letzten Jahren der deutschen Demokratie zu einem der prominentesten Gegner | |
der Nazis, die ihm sein Engagement weder vergaben noch vergaßen. | |
In der Nacht zum 28. Februar 1933 um 4 Uhr erschien die Polizei in seiner | |
Wohnung und nahm ihn mit. Bis zu seinem Tod fünf Jahre später sollte er nie | |
wieder die Freiheit erlangen. Es begann eine Odyssee der Erniedrigungen und | |
der Folter, beginnend im Spandauer Militärgefängnis und endend im | |
Konzentrationslager Dachau. Doch auch in der Haft hat sich Litten nicht | |
brechen lassen, auch wenn ihn die Hoffnungslosigkeit immer mehr gefangen | |
nahm. | |
Doch es gab auch einen anderen Hans Litten, einen, der in seiner Jugend die | |
jüdische Religion entdeckte, der sich zur Jugendbewegung hingezogen fühlte | |
und mit der Gruppe der „Kameraden“ – so der Name der Gruppe – ausgedehn… | |
Wanderungen unternahm. Schon damals dominierte der junge Mann die | |
Königsberger Gruppe und verdonnerte deren Mitglieder zu endlosen Lektüren | |
angesagter Literatur. | |
Doch da war nichts von historischem Materialismus. Der junge Litten | |
studierte den Talmud und begeisterte sich für jüdische Mystik. Und, so die | |
Autoren der Biografie, Litten verlangte die unbedingte Treue zu den | |
postulierten Prinzipien, kannte nur Verräter und Getreue, verkrachte sich | |
deshalb mit der Bundesleitung der „Kameraden“ bis zum Bruch und wechselte | |
zum „Schwarzen Haufen“, einer betont antibürgerlichen, gegen die | |
Erwachsenenwelt eingestellten Bewegung, deren Mitglieder in schwarzer | |
Kleidung daherkamen. | |
## Kommunismus und Kunst | |
Litten organisierte Kriech- und Schreichöre. Er fand offenbar aber auch die | |
ersten Berührungspunkte zur kommunistischen Bewegung. Hier war es aber | |
auch, wo Litten seine Begeisterung für die Kunst entdeckte, besonders zur | |
romanischen und gotischen Architektur, die ihn später in der Nazihaft lange | |
aufrecht hielt. | |
Der „Schwarze Haufen“ zerbrach, Litten studierte Jura und blieb doch | |
zunächst dabei, dass die Befreiung der „Unterdrückung der Jugend“ nur das | |
Werk der Jugend selbst sein könne, auch unter der Herrschaft des | |
Kommunismus. Litten begann Projekte zur Selbsthilfe gestrandeter | |
Proletarierkinder in Berlin zu unterstützen. | |
Littens erster Fall als Rechtsanwalt verweist auf sein jugendliches | |
Engagement. Es ging da im März 1929 um eine vorgebliche Beleidigung des | |
Sozialdemokraten Gustav Noske, der von einem Autoren als „Lump“ und | |
„Schurke“ bezeichnet worden war. Schon hier bemühte Litten die gesamte | |
Klaviatur der juristischen Möglichkeiten, verlangte die Vorladung nicht nur | |
von Noske, sondern auch eines Sachverständigen, der erklären sollte, dass | |
Noske durchaus als „Lump“ bezeichnet werden könne. Doch er verlor den Fall. | |
Nur zwei Jahre später war Hans Litten zu einer besonderen Art Staranwalt | |
aufgestiegen, einem ohne Geld nämlich, weil die Zahlungen der „Roten Hilfe“ | |
häufig dürftig ausfielen. In einem Verfahren gegen Mitglieder eines | |
SA-Rollkommandos gelang es ihm, Adolf Hitler persönlich als Zeugen zu | |
berufen und diesen dort nach allen Regeln der Kunst zu grillen. | |
Spätestens das brachte Hans Litten die Todfeindschaft der Naziführer ein. | |
11 Mar 2023 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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