| # taz.de -- Neues Buch zum Verrat an Anne Frank: „Das Buch ist voller Fehler�… | |
| > Wer verriet Anne Frank? Eine Recherche nannte den Namen eines jüdischen | |
| > Notars aus Amsterdam. Nun mehrt sich die Kritik daran. | |
| Bild: Eine Statue in Amsterdam erinnert an Anne Frank | |
| Berlin taz | Die Zweifel an den Recherchen eines internationalen | |
| Ermittlerteams, [1][das den Verräter von Anne Franks Versteck entdeckt | |
| haben will,] wachsen. Inzwischen hat der niederländische Verlag, der das | |
| Buch von Rosemary Sullivan zu der Ermittlung mit dem Titel „Het verraad van | |
| Anne Frank“ (Der Verrat an Anne Frank) herausgibt, um Entschuldigung | |
| gebeten. Ob die deutsche Fassung des Buchs wie geplant bei HarperCollins im | |
| März erscheinen wird, ist zweifelhaft. Man befinde sich „nach zwei | |
| Fachlektoraten des Manuskripts in einer internen Überprüfung“, sagte | |
| Verleger Jürgen Welte der Süddeutschen Zeitung. | |
| Das Team hatte fünf Jahre untersucht, wer 1944 das Versteck von acht | |
| jüdischen Menschen in Amsterdam an die Nazis verraten hatte. [2][Anne Frank | |
| schrieb dort ihr weltberühmtes Tagebuch.] Zwei Jahre lang lebten die | |
| Familien in dem Hinterhaus, bevor sie entdeckt und deportiert wurden. Nur | |
| Annes Vater Otto überlebte. | |
| Mitte Januar hatte das Team um den ehemaligen FBI-Agenten Vincent Pankoke | |
| und dem Journalisten Pieter van Twist mit der Erklärung, ein jüdischer | |
| Notar namens Arnold van den Bergh habe das Versteck der Familie Frank | |
| verraten, um selbst der Deportation zu entgehen, für internationale | |
| Schlagzeilen gesorgt. Als wesentliches Indiz präsentierten die privaten | |
| Ermittler die Kopie eines Schreibens von Annes Vater Otto Frank, in dem ein | |
| Unbekannter van den Bergh beschuldigt, eine Liste mit den Orten versteckter | |
| Juden an die SS weitergegeben zu haben. | |
| Allerdings war die Existenz dieses Briefs schon lange bekannt, nur lag das | |
| Papier nicht mehr vor. Unklar bleibt bis heute, wer der anonyme | |
| Hinweisgeber war und ob seine Behauptung der Wahrheit entspricht. Das | |
| Ermittlerteam machte in seiner Präsentation der Ergebnisse daraus eine | |
| Wahrscheinlichkeit von „mindestens 85 Prozent“ für den Verrat des Notars. | |
| Einen Beweis für diese These konnte es aber nicht vorlegen. | |
| ## Vorwurf der unsauberen Arbeit | |
| Historiker werfen den Rechercheuren eine unsaubere Arbeit vor. So zweifelt | |
| Sytze van der Zee, der selbst ein Buch über jüdische Verräter während der | |
| Nazi-Besatzung in den Niederlanden mit dem Titel „Vogelfrei“ veröffentlicht | |
| hat, an der Behauptung, das Team habe andere mögliche Verräter mit | |
| Sicherheit ausgeschlossen. So hätten die Privatermittler zwar seine | |
| Forschungen herangezogen, dabei aber die bekannte Gestapo-Zuarbeiterin Ans | |
| van Dijk nicht in Betracht gezogen, weil sich diese zum Zeitpunkt der | |
| Verhaftung von Anne Frank in Utrecht aufgehalten habe. Tatsächlich sei sie | |
| aber zeitweise zu Besuch in Amsterdam gewesen und habe dort ihren | |
| Gestapo-Kontaktmann getroffen, sagte van der Zee der taz. | |
| Zudem moniert van der Zee, dass der beschuldigte Notar Arnold van den Bergh | |
| zum Zeitpunkt von Anne Franks Verrat längst untergetaucht in einem Versteck | |
| gelebt hat. „Es bestand überhaupt keine Notwendigkeit für einen Verrat“, | |
| sagt der Historiker: „Das Buch ist voller Fehler und falscher Annahmen.“ | |
| Auch der in Basel beheimatete Anne Frank Fonds wirft dem Team vor, nicht | |
| ergebnisoffen und nicht rein wissenschaftlich“ gearbeitet zu haben. „Wir | |
| hofften auf eine seriöse und faktenbasierte Recherche“, sagte deren | |
| Präsident John D. Goldsmith. „Doch die Art und Weise, wie da ‚geforscht‘ | |
| worden war, hat uns enttäuscht.“ | |
| ## Ein Jude verrät Juden? | |
| Unstrittig ist, dass es in der NS-Zeit auch wenige Juden gab, die meist | |
| unter Zwang mit der Gestapo kooperierten und andere Juden ans Messer | |
| lieferten. Die Art und Weise der Veröffentlichung – als internationales | |
| Medienevent einschließlich einer Fernsehshow beim US-Sender CBC – löste | |
| allerdings heftige Kritik aus. Das Buch schiebe „die Schuld am grausamen | |
| Tod von Anne Frank einem unschuldigen Juden in die Schuhe“, sagte der | |
| Schriftsteller Leon de Winter. | |
| „Jetzt lautet die Kernaussage: Ein Jude verrät Juden. Das bleibt im | |
| Gedächtnis und das beunruhigt“, beklagte auch Goldsmith vom Anne Frank | |
| Fonds. Und Elise Tak, eine Verwandte des 1950 verstorbenen van den Bergh, | |
| sagte dem Spiegel: „Jetzt ist das Stereotyp eines jüdischen Verräters | |
| wieder in der Welt.“ | |
| Der niederländische Verlag Ambo Anthos kündigte am Montag in einer E-Mail | |
| an, den Druck des Buchs auszusetzen. Es seien Fragen aufgetaucht, schrieb | |
| Verlegerin Tanja Hendriks. Man entschuldige sich „aufrichtig bei allen, die | |
| sich durch das Buch angegriffen fühlen“. Unklar blieb allerdings, ob auch | |
| der Verkauf der ersten Auflage gestoppt wird. | |
| 2 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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