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# taz.de -- Bericht des Stockholmer Sipri-Instituts: Atomare Abrüstung war ein…
> Alle Nuklearmächte stocken ihre Arsenale auf – zu dem Ergebnis kommt das
> Forschungsinstitut Sipri. Das globale Risiko durch Atomwaffen steige.
Bild: Wettrüsten in Moskau: Interkontinentalrakete aus russischer Produktion b…
Stockholm taz | „Die Atommächte loben die Abrüstung, lehnen aber alle
Vorschläge ab, sich zu konkreten Abrüstungsmaßnahmen zu verpflichten.“ So
kritisierte das Jahrbuch 1968/69 des internationalen
Friedensforschungsinstituts Sipri die Diskrepanz zwischen Worten und Taten
anlässlich des 1968 geschlossenen Atomwaffensperrvertrags.
In der diesjährigen Ausgabe dieses Jahrbuchs, das am Montag veröffentlicht
wurde, fällt das Fazit der Stockholmer FriedensforscherInnen noch weniger
ermutigend aus: Es gehe mittlerweile gar nicht mehr um die Frage einer
möglichen [1][Reduktion der Atomwaffenarsenale]. Vielmehr gebe es
eindeutige Anzeichen dafür, dass die Welt vor einem neuen nuklearen
Wettrüsten stehe.
„Ein sehr besorgniserregender Trend“, sei nicht nur, dass „alle
Atomwaffenstaaten ihre Arsenale aufstocken und modernisieren“, konstatiert
Wilfred Wan, Direktor des Sipri-Programms für Massenvernichtungswaffen.
„Die meisten verschärfen auch ihre nukleare Rhetorik und haben die Rolle
der Nuklearwaffen in ihrer militärischen Strategie hochgestuft.“
Ebenso wie die USA und Russland, die über 90 Prozent aller Atomwaffen
verfügten, seien auch die übrigen sieben Nuklearwaffenstaaten dabei, neue
Systeme zu entwickeln oder hätten entsprechende Absichten angekündigt. Es
gebe „klare Anzeichen dafür, dass die [2][Zeit der Reduzierungen, die die
globalen Atomwaffenarsenale] seit dem Ende des Kalten Krieges geprägt
haben, vorbei ist“, sagt Hans Kristensen, dänischer Friedensforscher und
Direktor des [3][Nuclear Information Project] des Bundes amerikanischer
Wissenschaftler (Federation of American Scientists, FAS).
## Statistischer Tiefstand nur scheinbar
Statistisch gesehen habe zwar die Zahl aller weltweit vorhandenen atomaren
Sprengköpfe Anfang des Jahres 2022 mit 12.750 einen neuen Tiefstand
erreicht. Zu Beginn des Jahres 2020 waren es noch 13.400, im Januar 2021
13.080 Sprengköpfe gewesen.
Aber offiziell ausgemustert worden sei im Wesentlichen nur das, was sowieso
veraltet und schon seit Jahren nicht mehr einsatzfähig war. Und das, was da
ausgemustert wurde, bewegt sich auch nur im Rahmen dessen, wozu sich die
USA und Russland im New-START-Abkommen von 2010 ohnehin verpflichtet
hatten.
Der Bestand der mit „hoher operationeller Bereitschaft“ unmittelbar
einsatzbereiten Atomwaffen liegt dagegen mit rund 1.750 für die USA und
1.580 für Russland seit einigen Jahren nahezu unverändert auf gleichem
Niveau. „Gleichzeitig haben sowohl die USA wie auch Russland umfangreiche
und teure Programme im Gange, um diese zu ersetzen“ konstatiert Sipri. Das
gelte sowohl für Atomsprengköpfe als auch für die Modernisierung von
Raketen- und Bombenflugzeugträgersystemen sowie für die Produktionsanlagen
für Atomwaffen.
## Kehrtwende in Großbritannien
Auch China ist laut Sipri „mitten in einer bedeutenden Modernisierung und
Erweiterung seines Nukleararsenals“. Satellitenbilder zeigten den Bau von
über 300 neuen Raketensilos. Neue mobile Trägerraketen und ein zusätzliches
U-Boot seien für Atomsprengköpfe einsatzbereit gemacht worden. Insgesamt
schätze man den [4][Bestand chinesischer Atomsprengköpfe] auf rund 350. In
Indien und Pakistan liege die Anzahl bei jeweils rund 160, in Nordkorea bei
20 und in Israel bei 90.
Frankreich verfügt demnach über 280 einsatzbereite Atomwaffen,
Großbritannien über 120. Frankreich startete im Frühjahr 2021 ein Programm
zur Entwicklung einer dritten Generation von Atom-U-Booten mit
ballistischen Raketen. Das Budget für Wartung und Modernisierung des
nuklearen Arsenals wurde von 23 Milliarden Euro für den vorangegangenen
Fünfjahreszeitraum deutlich auf 37 Milliarden für den Zeitraum bis 2025
aufgestockt.
Die britische Regierung vollzog fast zeitgleich einen völligen
Strategiewechsel. Nach einer rund 15 Jahre andauernden schrittweisen
Abrüstungspolitik will das Land die Zahl der nuklearen Sprengköpfe wieder
erhöhen.
## Warnung vor Atomwaffen
Über Details und Hintergründe rätselt auch Sipri: Anders als Frankreich,
das relativ transparent mit Informationen zur nuklearen Rüstung umgehe,
„kündigte das Vereinigte Königreich an, keine Zahlen mehr über das
operative Atomwaffenarsenal, die stationierten Sprengköpfe oder die
stationierten Raketen des Landes offenzulegen“. Wobei man aber selbst
„China und Russland wegen mangelnder nuklearer Transparenz kritisiert“.
„Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen und darf nie geführt werden“, heißt es
in einer gemeinsamen Erklärung der atomar bewaffneten ständigen Mitglieder
des Weltsicherheitsrats vom 3. Januar 2022. Trotzdem, so Sipri, „erweitern
und modernisieren sie weiterhin ständig ihre Nukleararsenale“ und „scheinen
die Relevanz von Nuklearwaffen in ihren militärischen Strategien zu
erhöhen“. Die Konsequenz: „Das [5][Risiko des Einsatzes von Atomwaffen]
scheint heute höher als je zuvor seit dem Höhepunkt des Kalten Krieges“,
sagt Sipri-Direktor Dan Smith.
13 Jun 2022
## LINKS
[1] /Stockholm-Initiative-zu-Atomwaffen/!5780480
[2] /Konferenz-zur-atomaren-Abruestung/!5823532
[3] https://fas.org/issues/nuclear-weapons/
[4] /Ruestungskontrolle-und-Atomwaffen/!5695923
[5] /Waffenexperte-ueber-Russlands-Aggression/!5838971
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Atomwaffen
Abrüstung
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USA
Sipri
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Rüstung
Raketentest
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Verbot von Atomwaffen
China
Bundeswehr
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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