| # taz.de -- Unabhängige Gewerkschaften in Belarus: Für die Freiheit | |
| > Maryia Taradetzkaya wollte eigentlich nur in Berlin studieren. Jetzt | |
| > führt die 34-Jährige aus der Ferne den Kampf für Arbeitnehmerrechte an. | |
| Berlin taz | Der KGB schlug am vierten Dienstag nach Kriegsbeginn zu. In | |
| mehreren Stadtteilen von Minsk durchsuchten Geheimdienstagenten Büros und | |
| Privatwohnungen. Sie beschlagnahmten Ausweispapiere und Festplatten, | |
| Bankunterlagen und Handys. Und sie nahmen 13 Frauen und Männer mit – fast | |
| die komplette Spitze des unabhängigen Gewerkschaftsverbandes „Kongress der | |
| Demokratischen Gewerkschaften Belarus“ ([1][BKDP]). | |
| Wenige Tage zuvor hatte der Bekannteste unter den Verhafteten öffentlich | |
| die Hilfe für Russland im Krieg gegen die Ukraine kritisiert. „Es ist die | |
| größte Schande, wir können dazu nicht schweigen“, sagte | |
| Gewerkschaftspräsident [2][Alexander Yaroshuk]: „Wir verlangen das | |
| sofortige Ende der Feindseligkeiten und den Abzug der russischen Truppen | |
| aus der Ukraine und aus Belarus“. | |
| Tausend Kilometer weiter westlich erfährt Maryia Taradetzkaya am 19. April | |
| in Echtzeit auf Telegram von den Razzien und Verhaftungen. Die 34-jährige | |
| Belarussin ist erst zwei Wochen zuvor in Berlin angekommen. Nachdem sie | |
| sieben Monate in Kassel studiert hat, will sie nun bis zum Sommer einen | |
| Master in Berlin machen. | |
| Während sie sich mit ihrer Tochter in einem Zimmer im Studentenwohnheim am | |
| Westrand von Berlin einrichtet, verfolgt sie im Stundenrhythmus das | |
| Geschehen in ihrer Heimat. Mehrfach täglich stellt Taradetzkaya Nachrichten | |
| auf ihren Telegram-Kanal. Manchmal interviewt sie sich selbst. Immer geht | |
| es um Belarus. Taradetzkaya ist körperlich in Deutschland, aber gedanklich | |
| in Belarus. Für September plant sie ihre Rückkehr: Sie will ihr neues | |
| Wissen und das Netzwerk, das sie an der gewerkschaftsnahen [3][Global Labor | |
| University] aufbaut, zugunsten ihrer Gewerkschaft einsetzen. Ihre Tochter | |
| soll wieder an die alte Schule. | |
| Die Geheimdienstaktion durchkreuzt diese Pläne. Taradetzkaya kennt alle | |
| Verhafteten. Mit einem von ihnen, Mikolai Sharakh, dem Chef der | |
| Belarussischen Freien Gewerkschaft (SPB) für Erziehung und Wissenschaft, | |
| hat sie das Büro geteilt. Sie ist jetzt eines der letzten | |
| Führungsmitglieder auf freiem Fuß. | |
| Am Morgen nach den Razzien wird Taradetzkaya in Berlin zur internationalen | |
| Sekretärin der unabhängigen Gewerkschaften von Belarus. Wer das Ansinnen an | |
| sie herangetragen hat, sagt sie nicht: „Ich bringe keine Kollegen in | |
| Gefahr.“ Es gibt es keine Regeln und kein Protokoll für diese Situation. | |
| Taradetzkaya weiß weder, wie lange sie das Amt ausfüllen wird, noch, worin | |
| ihre Aufgaben bestehen. Sie will helfen, so gut es irgend geht. Es geht um | |
| das Überleben der unabhängigen Gewerkschaften von Belarus. Sie sagt ja. | |
| „Ich hatte kein Recht abzulehnen“, begründet sie: „Ich bin in Sicherheit. | |
| Ich kann sprechen. Ich kann mich um die internationale Solidarität | |
| kümmern.“ Sie ist auf sich allein gestellt. Was den Gewerkschaftschefs | |
| vorgeworfen wird, ist unklar. Manche werden wochenlang an geheimen Orten | |
| gefangen gehalten. Kontakte mit ihnen sind nicht möglich. | |
| Maryia Taradetzkaya ist erst im Sommer 2020 während der Protestbewegung | |
| gegen die Fälschungen bei der Präsidentschaftswahl Gewerkschaftsmitglied | |
| geworden. Sie trat der unabhängigen Belarussischen Freien Gewerkschaft | |
| ([4][SPB]) bei, die Ärzte, Lehrer und Studenten organisiert. In einem | |
| rasanten Aufstieg wurde sie wenig später die Vize-Chefin der SPB. „Ich bin | |
| noch neu“, warnt sie, „es gibt Dinge, die ich nicht weiß.“ Manche Fragen | |
| gibt sie per Handy weiter. Ihre langen hellrosa lackierten Fingernägel | |
| klicken auf dem Display. | |
| Für deutsche und andere westliche Gewerkschaften ist die Studentin, die von | |
| ihren Freunden „Mascha“ genannt wird, eine wichtige Verbindungsfrau zu dem | |
| geworden, was von den unabhängigen belarussischen Gewerkschaften übrig | |
| geblieben ist. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ([5][DGB]), die | |
| Bildungsgewerkschaft GEW, die IG Metall oder die IG BCE sprechen mit ihr. | |
| ## Die Furcht vor Kontakten | |
| Seit Beginn des Kriegs sind die meisten direkten gewerkschaftlichen | |
| Kontakte nach Belarus – ebenso wie nach Russland – abgebrochen. Bei E-Mails | |
| fürchten die Westler Cyberattacken, die Ostler mitlesende Geheimdienste. | |
| Telefonieren war wegen der Sprachbarrieren und der Abhörrisiken schon | |
| vorher schwierig. Zudem droht Belarussen, die mit Organisationen im Ausland | |
| in Kontakt stehen, der Vorwurf, „ausländische Agenten“ zu sein. In Belarus | |
| kann das mit Gefängnishaft geahndet werden. | |
| Die Inhaftierten brauchen Geld, Anwälte und Kampagnen zu ihrem Schutz. Aber | |
| die internationale Solidarität ist eine Gratwanderung mit vielen | |
| Unbekannten. Was aus dem Ausland kommt, kann immer auch für den Vorwurf | |
| „Agententätigkeit“ genutzt werden. Deutsche Gewerkschafter, die an | |
| gemeinsamen Diskussionen und Schulungen mit Belarussen teilgenommen haben, | |
| trauen sich deswegen nicht, die Orte, Themen und Teilnehmer dieser Treffen | |
| zu nennen. „Aufpassen, dass wir mit unserer Unterstützung die Unterstützten | |
| nicht gefährden“, lautet die Parole. | |
| Die internationale Zusammenarbeit konzentriert sich auf die Forderung nach | |
| Freilassungen. „Wir brauchen keine Märtyrer“, sagt Frank Hoffer, der sich | |
| in seiner Zeit als Diplomat und als ILO-Mitarbeiter auch mit Belarus | |
| befasst hat. Zahlreiche Einzelgewerkschaften, aber auch die UN-Organisation | |
| für die Rechte von Beschäftigten, ILO, und der Internationale | |
| Gewerkschaftsbund appellieren an die Regierung in Minsk, die Gewerkschafter | |
| freizulassen. Belarus verletzt Konventionen über Versammlungsfreiheit und | |
| Organisationsrechte, die es selbst ratifiziert hat, schreibt | |
| ILO-Generaldirektor Guy Rider. Minsk reagiert auf keine der Petitionen. | |
| „Wir wissen nicht, ob es der finale Schritt bei der Liquidierung der | |
| Gewerkschaften ist“, sagt Gabriele Ibrom, die für die IG Metall den Kontakt | |
| nach Belarus gewahrt hat. Für Frank Zach in der internationalen Abteilung | |
| des DGB ist es „unklar, in welche Richtung es in Belarus geht“. Frank | |
| Hoffer fühlt sich an die Zerschlagung der deutschen Gewerkschaften im Jahr | |
| 1933 erinnert. | |
| In dem verminten Terrain ist Taradetzkaya die Kennerin. Sie besitzt ein | |
| dichtes Netz von Kontaktpersonen in Belarus. Sie weiß, wie sie mit ihnen | |
| kommunizieren kann, ohne sie zu gefährden. Und Russisch ist ihre | |
| Muttersprache – ihr eigenes Belarussisch beschreibt sie als „schlechter als | |
| mein Englisch“. Außerdem hat sie gelernt, auch im Sturm die Ruhe zu wahren. | |
| Das war noch ganz anders, als sie vor zwei Jahren, im Sommer 2020, zu der | |
| Gewerkschaftsbewegung stieß. „Da war ich viel zu emotional“, sagt sie. Um | |
| sich nicht selbst zu lähmen, setzt sie sich heute Grenzen, wie viele | |
| Details über Misshandlungen in den Gefängnissen und über Vergewaltigungen | |
| sie ertragen kann. „Ich kann die schlechten Nachrichten nicht vermeiden“, | |
| sagt sie, „aber wenn ich eine gewisse Dosis erreicht habe, schalte ich ab.“ | |
| ## Die Basis stärken, Ängste bekämpfen | |
| Taradetzkaya findet, dass die Kinder der Inhaftierten das Recht haben, in | |
| diesen Tagen emotional zu sein. Ihre eigene Rolle sieht sie darin, die | |
| verunsicherten Mitglieder an der Basis zu stärken. Sie hat ihr Gesicht | |
| sorgfältig geschminkt. Sie ist in makelloses, eierschalenfarbenes Outfit | |
| gekleidet. Sie strahlt Selbstbewusstsein aus. | |
| Dass die unabhängigen Gewerkschaften von Belarus überhaupt noch existieren, | |
| grenzt an ein Wunder. Gegenüber dem aus der Sowjetzeit herrührenden | |
| Gewerkschaftsbund Vereinigung der Gewerkschaften von Belarus (FPB) mit | |
| seinen vier Millionen Mitgliedern nehmen sich die Unabhängigen mit ihren | |
| 11.500 Mitgliedern winzig aus. Während die staatsnahen Gewerkschaften die | |
| Politik von Alexander Lukaschenko unterstützen, verlangen die Unabhängigen | |
| seit ihrer Gründung in den 1990er Jahren eine demokratische Öffnung. | |
| Die Behörden begegnen ihnen mit immer neuen Einschüchterungen. Sie reichen | |
| vom Abhören, Verhaften und brutalen Verhören einzelner Aktivisten bis hin | |
| zu Entlassungen kompletter Belegschaften, die bei den Unabhängigen | |
| organisiert waren, wie in dem Stahlwerk BMZ. Aber die Behörden verzichten | |
| auf ein komplettes Verbot. Nachdem sie Dutzende von Menschenrechts- und | |
| Demokratiegruppen verboten und ausländischen politischen Stiftungen die | |
| Lizenz entzogen haben, sind die unabhängigen Gewerkschaften bei | |
| Kriegsbeginn ein verbliebenes zivilgesellschaftliches Refugium. | |
| Seit Anfang April ist es damit vorbei. Die Weißrussische Gewerkschaft der | |
| Radioelektronischen Arbeiter“ (REP), ebenfalls eine unabhängige | |
| Gewerkschaft, die zum Dachverband BKDP gehört, ist die erste, die den | |
| Stempel „extremistisch“ und ein Verbot bekommt. Ein paar ihrer | |
| Führungsmitglieder können sich in das benachbarte Litauen retten. | |
| Seither breitet sich Angst bei Gewerkschaftsmitgliedern aus. Sie zeigt sich | |
| in den Austrittserklärungen, von denen Taradetzkaya täglich neue bekommt. | |
| Sowie in der rasant sinkenden Zahl von Abonnenten ihres Telegram-Kanals. | |
| Sie versteht die vielen Rückzüge. In Minsk kann jeder Polizist auf der | |
| Straße die Herausgabe von Handys verlangen, um sie auf „extremistische“ | |
| Nachrichten zu durchsuchen. | |
| ## „Wir haben unser Land verloren“ | |
| Die Ereignisse der letzten Wochen haben Maryia Taradetzkaya überrascht. Sie | |
| hat den Krieg nicht erwartet. „Wir haben unser Land verloren“, sagt sie, | |
| und: „Wir teilen unser Territorium mit dem Angreifer.“ Sie hat auch nicht | |
| mit der Enthauptung der unabhängigen Gewerkschaften gerechnet. „Wir haben | |
| schon oft gedacht, dass die kriminellen Aktivitäten unserer Regierung eine | |
| Grenze erreicht haben“, seufzt sie, „aber dann wird es doch schlimmer.“ In | |
| ihrer Kommunikation achtet sie jetzt noch sorgfältiger darauf, keine Spuren | |
| zu hinterlassen. Kaum hat sie eine Signal-Nachricht verschickt, löscht sie | |
| sie wieder. Namen von Gesprächspartnern in Belarus nennt sie grundsätzlich | |
| nicht. | |
| Die Geheimdienstaktion in Minsk reißt Taradetzkaya aus ihrem | |
| Studienrhythmus. In der ersten Woche danach verpasst sie ihre Seminare. | |
| Stattdessen organisiert sie mit Kommilitonen eine Online-Kampagne für die | |
| Freilassung ihrer Kollegen. Sie nimmt an Zoomkonferenzen mit | |
| Gewerkschaftern aus aller Welt teil. Sie sucht nach Anwälten in Belarus, | |
| die trotz der Risiken für ihre eigene Lizenz bereit sind, die Verhafteten | |
| zu vertreten. | |
| Am 1. Mai geht sie mit anderen ausländischen Gewerkschaftern, die an der | |
| Global Labor University studieren, zur Kundgebung am Berliner Brandenburger | |
| Tor. Für die Belarussin ist es eine Premiere. Sie ist schockiert über das | |
| Ei, das jemand auf die Berliner Regierende Bürgermeisterin wirft. „Bei uns | |
| wäre so etwas undenkbar“, sagt sie. „Freiheit für die inhaftierten | |
| Gewerkschafter“ steht auf dem Transparent, das sie mit Kommilitonen aus | |
| Ghana, Südafrika, Großbritannien, der Türkei und Belarus zum Brandenburger | |
| Tor trägt. An Tagen wie diesem hat Taradetzkaya früher Fenster geputzt. Der | |
| 1. Mai in Belarus ist ein „Subbotnik“ – ein Tag in der sowjetischen | |
| Tradition, bei dem die Beschäftigten in die Betriebe kommen müssen, um | |
| unbezahlte Arbeit zu leisten. | |
| Für Taradetzkaya ist die Sowjetunion alte Geschichte. Sie hat keine eigene | |
| Erinnerung daran. Als das Land verschwand, war sie zwei Jahre alt. Während | |
| anderswo in Osteuropa in ehemaligen Sowjetrepubliken demokratische | |
| Experimente begannen, entstand in Belarus eine autoritäre Alleinherrschaft. | |
| Mitte der 1990er Jahre hörte Taradetzkaya erstmals Erwachsene über | |
| Präsident Alexander Lukaschenko klagen. Es fielen Sätze wie: „Er will alles | |
| kontrollieren“ und „Er ist ein Diktator“. Als sie wenig später in die | |
| Schule ging, verstand sie, dass es keinen Sinn macht, irgend etwas | |
| verändern zu wollen. | |
| Das Mädchen nimmt die Mahnungen ernst. Sie lernt. Studiert. Arbeitet. Wird | |
| Mutter. Reist. Unterwegs in Moskau und Petersburg fühlt sie sich „wie zu | |
| Hause“. Der Lebensstandard in Russland erscheint ihr niedriger und die | |
| Infrastruktur heruntergekommener als in Belarus. „Lukaschenko war bemüht um | |
| das Bild eines guten Landes mit einem wundervollen Leben“, sagt sie | |
| rückblickend, „Putin schert sich nicht um sein Image“. | |
| Von Politik jeder Art hält Taradetzkaya sich fern. Sie geht nicht einmal | |
| wählen. Nach der Schule studiert sie internationale Beziehungen und | |
| Weltökonomie in Minsk. Erst jetzt, bei der Global Labor University, | |
| versteht sie, dass sie dort ausschließlich auf die marktliberale Ökonomie | |
| programmiert worden ist. Nach dem Studium leistet sie ihre obligatorischen | |
| zwei Jahre in der Exportabteilung eines Staatsbetriebs ab. Dann wechselt | |
| sie in einen privaten Konzern. Sie muss zu viele Überstunden machen. Oft | |
| schläft ihre Tochter schon, wenn sie abends nach Hause kommt. | |
| ## Die Wende im Frühling 2020 | |
| Das Leben von Taradetzkaya nimmt im Frühling 2020 eine erste radikale | |
| Wende. Sie ist 30 und arbeitet seit Kurzem als selbstständige Beraterin und | |
| PR-Fachfrau. Ihre beste Freundin schwärmt von der Oppositionskandidatin | |
| [6][Swetlana Tichanowskaja]. Die Freundin benutzt die Worte „Veränderung“ | |
| und „Ehrlichkeit“. Taradetzkaya staunt. Ihre Freundin war politisch genauso | |
| abstinent wie sie selbst. Auch sie hat nie gewählt. | |
| Wie hunderttausende andere Belarussen lässt sich Taradetzkaya von der | |
| Aufbruchsstimmung anstecken. Sie wählt. Und sie schließt sich den | |
| unabhängigen Gewerkschaften an. Deren Mitgliederzahl schnellt in einem Jahr | |
| um 20 Prozent in die Höhe. Als [7][Lukaschenko] an der Macht festhält und | |
| nach einer offensichtlichen Wahlmanipulation behauptet, er habe mehr als 80 | |
| Prozent der Stimmen erhalten, geht sie auf die Straße und protestiert. In | |
| verschiedenen Betrieben finden politische Streiks statt. Zum ersten Mal in | |
| ihrem Leben hat Taradetzkaya den Eindruck, dass es tatsächlich eine | |
| Alternative gibt. Zum ersten Mal auch erkennt sie in den Menschenmengen, | |
| dass sie nicht allein ist. „Wir waren voller Hoffnung“, erinnert sie sich. | |
| Auf die Euphorie folgt monatelange Repression. Zigtausende werden | |
| festgenommen. Andere fliehen ins Ausland. Taradetzkayas beste Freundin lebt | |
| seither in Polen. Zwei Jahre später kommt es immer noch zu neuen Anklagen | |
| gegen Menschen, die auf Fotos von Demonstrationen identifiziert werden. | |
| Der russische Krieg gegen die Ukraine sorgt für neue, schwere Zerwürfnisse | |
| in Belarus. Lukaschenko lässt Wladimir Putin gewähren und stellt sein Land | |
| als Aufmarschgebiet zur Verfügung. Aber anders als in Russland ist der | |
| Krieg in Belarus unpopulär. Selbst ein Teil von Lukaschenkos ländlicher | |
| Basis ist dagegen. Entlang der Eisenbahnstrecken, die russische Soldaten | |
| und Waffen zu der ukrainischen Grenze bringen, greifen Unbekannte | |
| Umschalthäuschen an. Die Sabotageakte zerstören nicht die | |
| Eisenbahnstrecken. Aber sie verlangsamen die russische Kriegsmaschine. | |
| Als auch die unabhängigen Gewerkschaften den Krieg öffentlich verurteilen, | |
| nimmt die Repression ihren Lauf. BKDP-Präsident Yaroshuk ist kein | |
| Unbekannter. Er ist Vizepräsident des [8][Internationalen | |
| Gewerkschaftsbund]es und er sitzt mit an der Spitze der ILO. | |
| Kollegen im Ausland staunen über den Mut vieler Belarussen, die trotz der | |
| Repression im Land bleiben. | |
| Nicht so Taradetzkaya. „Ich glaube an das Universum und an die | |
| Gewerkschaften“, sagt sie in Berlin. | |
| Fast einen Monat nach den Razzien ist nicht klar, wie es weitergehen wird | |
| und welche Rolle sie im Augenblick hat. Immer noch sitzen zehn | |
| Spitzengewerkschafter, darunter Yaroshuk, in Haft. Die Freigelassenen haben | |
| lähmende Auflagen, unterliegen strengen Kontrollen und warten auf ihr | |
| Gerichtsverfahren. Manche mussten Schweigeverpflichtungen unterzeichnen und | |
| dürfen nicht ausreisen. | |
| Maryia Taradetzkaya ist davon überzeugt, dass die Diktatur in ihrem Land | |
| bald zu Ende geht. Spätestens dann will sie in ihr Land zurück. Fürs Erste | |
| wäre sie in Belarus nicht sicher. Sie wird im Ausland bleiben und einen Job | |
| suchen. Bei der Global Labor University hat sie gelernt, dass „Menschen | |
| keine Waren sind“. Und wofür sich die Gewerkschaften in ihrem Land wappnen | |
| müssen. Eine „Schocktherapie“ wie in anderen postsowjetischen Ländern hat | |
| es in Belarus bislang nicht gegeben. Aber spätestens wenn Lukaschenko geht, | |
| wird es massive Privatisierungen von Staatsbetrieben geben, prognostiziert | |
| sie. Dann kommen neue Aufgaben auf die Gewerkschaften zu: „Wir müssen | |
| verhindern, dass die Beschäftigten leer ausgehen. Sie brauchen | |
| Entschädigungen, Umschulungen.“ | |
| Für diesen Moment will Taradetzkaya dafür sorgen, dass die unabhängige | |
| Gewerkschaftsbewegung in Belarus überlebt. | |
| 12 May 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://bastun.nu/about-bastun/belarusian-free-trade-union-movement-12115477 | |
| [2] https://www.ituc-csi.org/spotlight-interview-with-alexander?lang=en | |
| [3] https://global-labour-university.org/start | |
| [4] http://library.fes.de/pdf-files/id/gewerkschaftsmonitore/16046/2020-belarus… | |
| [5] https://www.dgb.de/ | |
| [6] /Swetlana-Tichanowskaja-ueber-Belarus/!5733819 | |
| [7] /Nachruf-auf-Staatschef-von-Belarus/!5847851 | |
| [8] https://www.ituc-csi.org/about-us.html?lang=de | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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