# taz.de -- Buch über Rechtsrocklabel: Angenehme Unterhaltung mit Herbert | |
> Das Buch „Rock-O-Rama. Als die Deutschen kamen“ will das Rechtsrocklabel | |
> Rock-O-Rama näher beleuchten. Doch kritische Aufarbeitung sieht anders | |
> aus. | |
Bild: In der westdeutschen Provinz war die Punkszene durchlässig für Einflüs… | |
„Menschlich kann ich überhaupt nichts Negatives über ihn sagen“, behauptet | |
Dirk Windgassen alias Deutscher W, Sänger der umstrittenen Leverkusener | |
Punkband OHL über Herbert Egoldt, Boss des Labels Rock-O-Rama Records in | |
Köln. Egoldt, seine Labelpolitik und sein Geschäftsgebaren geben bis heute | |
Anlass für Gerüchte. | |
Das möchte das Buch „Rock-O-Rama – Als die Deutschen kamen“ von Björn | |
Fischer ändern. Auf dem Deckel wird versprochen, „Licht ins Dunkel der | |
Legenden und Mythen rund um den Rechtsrock-Nukleus in Europa“ zu bringen. | |
Allerdings handelt Fischer nur die Frühphase der Plattenfirma von 1980 bis | |
1984 ab, als dort deutsche Punk- und Skinhead-Bands, neben OHL etwa Musik | |
von [1][Die Alliierten aus Wuppertal (mit Caspar Brötzmann),] später auch | |
finnische Hardcorepunkbands veröffentlicht wurden. | |
Fischer, ehedem Drummer der Hannoveraner Punkband Recharge, hat Statements | |
von Musikern, Labelmitarbeitern und Plattenhändlern eingeholt – | |
ausschließlich Männer. Ihre Antworten klingen allerdings arg gestanzt, | |
offensichtlich hat der Autor jeweils nur schriftliche Fragebögen geschickt: | |
Dementsprechend oberflächlich heißt es dann: „Die Unterhaltungen mit | |
Herbert waren immer sehr angenehm.“ | |
Hinweise auf rechtsradikale Einstellungen bleiben dadurch vage. Ganz am | |
Ende wird zwar erwähnt, dass es Egoldt geschafft hat, aus dem Punklabel | |
Rock-O-Rama einen der weltweit führenden Rechtsrock-Vertriebe zu machen. | |
Vorher erfährt man hauptsächlich von der Rock-’n’-Roll-Passion des 1947 | |
geborenen Malermeisters, der 1977 in Brühl bei Köln den | |
„Tonträgerversandhandel“ Rock-O-Rama und einen gleichnamigen | |
Schallplattenladen in Köln eröffnete. Zwei Jahre später startete das Label. | |
## Schlechte Deals, mieser Sound | |
Von der ersten Veröffentlichung im April 1980 hangelt sich Fischer | |
chronologisch entlang der über 40 Veröffentlichungen bis 1984. Jedes Werk | |
wird vorgestellt, dazu erzählen Musiker ausführlich ihre jeweilige | |
Bandgeschichte. Fast alle bezeugen für sie unvorteilhafte Deals, miesen | |
Sound und die Einflussnahme Egoldts auf Covergestaltung und Musik. | |
Alle ließen sich darauf ein, im Glauben, es sei die einzige Chance, | |
überhaupt Musik veröffentlichen zu können, denn Egoldt übernahm alle | |
Herstellungskosten. Dafür behielt er den Großteil der Einnahmen für sich, | |
ein lukratives Geschäftsmodell in der voluntaristischen und | |
unprofessionellen westdeutschen Punkszene der frühen Achtziger. | |
Die Zitate in Fischers Buch erinnern an die Oral History „Verschwende Deine | |
Jugend“ von Jürgen Teipel, freilich ohne dessen kritische Kommentierung und | |
ästhetische Einordnung. Fischer hält sich mit eigenen Bewertungen zurück; | |
rechte Tendenzen, zum Beispiel bei der Kölner Punkband Cotzbrocken tarnt er | |
mit harmlosen Begriffen wie „umstritten“ und „befremdlich“. Egoldt war … | |
Vermarktungstalent und machte als einer der ersten Kasse durch die | |
Verwendung von militaristischer Symbolik. | |
Mehrfach zierten Wehrmachtssoldaten die Cover, wie auf dem Sampler „Die | |
Deutschen kommen“ (1982). Allerdings waren nicht alle Bands rechtsoffen, | |
Fasaga aus Köln (mit Spex-Redakteur Dirk Scheuring) und Chaos Z aus | |
Stuttgart seien hier genannt. Egoldt habe sich selbst nie politisch | |
eindeutig geäußert, da sind sich alle Interviewten im Buch einig. Er sei | |
der Kölner CDU nahegestanden und flirtete mit Rechtsaußen. In erster Linie | |
ging es ihm aber ums Geld. | |
## Kollaboration mit Neonazi-Netzwerk | |
Als Goldgrube erwies sich für ihn die Zusammenarbeit [2][mit dem | |
rassistischen Briten Ian Stuart Donaldson,] der 1981 die Skinheadband | |
Skrewdriver neu gründete. Später lebte Stuart auch zeitweilig in Stuttgart. | |
Bereits 1983 vertrieb Egoldt seine Nazi-EP „White Power“ und | |
veröffentlichte 1984 auch ein Album von Skrewdriver, das sich weltweit | |
verkaufte. Im selben Jahr erschien dann auch das Debütalbum der Frankfurter | |
Skinheadband Die Böhsen Onkelz: „Der nette Mann“ wurde 1986 indiziert und | |
darf bis heute nicht an Menschen unter 18 Jahren verkauft werden. | |
Durch die Kollaboration mit Ian Stuart und dem von ihm mitgegründeten | |
Neonazi-Netzwerk Blood and Honour, heute in Deutschland als terroristische | |
Vereinigung verboten, stieg Egoldt Mitte der 1980er zum führenden | |
Rechtsrock-Produzenten auf und verdiente Millionen, die er teils in | |
Immobilien anlegte. Die Rechtsrockszene wiederum erlangte durch diese | |
Zusammenarbeit eine bis dahin ungeahnte Reichweite. | |
2005 starb Herbert Egoldt an einem Herzinfarkt. Ein Jahr zuvor hatte das | |
NSU-Netzwerk, das sich aus Blood-and-Honour-Strukturen rekrutierte, einen | |
verheerenden Bombenanschlag in Köln verübt. Ob man aus dem harmlos stumpfen | |
Oi und Punksound der Anfangstage den blutigen NSU-Terror in Köln direkt | |
ableiten kann, bleibt dennoch unbeantwortet. | |
## Rechtsoffene Punkszene | |
Der Autor steht dem damaligen Label-Umfeld leider undifferenziert | |
gegenüber, dadurch fehlt Fischers Buch ein Blick von außen. Er gibt keine | |
Einordnung der zerstrittenen Kölner Szene und es wird ignoriert, dass, | |
anders als die großteils antifaschistisch eingestellte Punkszene in den | |
Großstädten, es in der westdeutschen Provinz durchaus fließende Übergänge | |
nach Rechtsaußen gab. Das machte sich auch der Geschäftemacher Egoldt zu | |
eigen. | |
„Als die Deutschen kamen“ erscheint im Verlag von Klaus Farin, der es auch | |
lektoriert hat. Wie zuvor in einem relativierenden Buch über die | |
rechtsaußen Band Frei.Wild wird erneut eine umfassende Aufarbeitung von | |
Machenschaften und rechtsradikalen Strukturen versäumt. | |
26 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
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