# taz.de -- Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Windkraft mit Beteiligung | |
> Die Klage gegen ein Gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern ist abgelehnt. | |
> Damit darf es eine Pflicht geben, Bürger am Ertrag neuer Anlagen zu | |
> beteiligen. | |
Bild: Windpark in Werder, Mecklenburg-Vorpommern | |
FREIBURG taz | Bürger- und Gemeinden dürfen zwangsweise an den Erträgen von | |
Windkraftanlagen beteiligt werden – um so die [1][Akzeptanz der Windräder | |
vor Ort] zu steigern. Das entschied nun das Bundesverfassungsgericht in | |
einem Beschluss zu einem entsprechenden Landesgesetz aus | |
Mecklenburg-Vorpommern (MV). | |
Seit 2016 gilt in dem windträchtigen Küstenland das Bürger- und | |
Gemeindenbeteiligungsgesetz. Danach müssen die Betreiber neuer Windparks | |
vor Ort eine Projektgesellschaft gründen und den Gemeinden und Bürgern im | |
Umkreis von fünf Kilometern insgesamt 20 Prozent Unternehmensanteile zum | |
Kauf anbieten. Alternativ dazu kann der Betreiber den Gemeinden auch eine | |
jährliche Zwangsabgabe und den Bürgern ein verzinstes „Sparprodukt“ | |
offerieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Gemeinden meist die | |
weniger aufwendige Abgabe bevorzugen. | |
Gegen dieses Gesetz erhob ein Windkraftbetreiber, der in MV acht neue | |
Windräder bauen wollte, Verfassungsbeschwerde. Die „Zwangskollektivierung“ | |
greife unverhältnismäßig in seine Berufsfreiheit ein. Außerdem werde die | |
Windkraft diskriminiert, weil andere unbeliebte Vorhaben, etwa | |
Schweinezuchtanlagen, nicht gezwungen werden, Bürger und Gemeinden | |
finanziell zu beteiligen. | |
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Klage nun im Kern | |
ab. Zwar gehe es hier um „beträchtliche“ Eingriffe in die Grundrechte von | |
Windunternehmen. Diese seien jedoch durch den Klimaschutz und die Sicherung | |
der Energieversorgung gerechtfertigt. So sei die finanzielle Beteiligung | |
von Kommunen an Windkraftanlagen ein „geeignetes“ Mittel, um die Akzeptanz | |
der Windräder zu erhöhen. In Umfragen hätten sich knapp 80 Prozent der | |
Befragten hierfür ausgesprochen, heißt es im Karlsruher Beschluss. | |
Gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs spreche auch nicht, so das | |
Gericht, dass die Windräder in Mecklenburg-Vorpommern nur einen sehr | |
kleinen Teil zum globalen Klimaschutz beitragen. Denn bei dem Landesgesetz | |
handele es um ein „Pilotprojekt“, und nach der verfassungsrechtlichen | |
Klärung könnten weitere Bundesländer folgen. Außerdem trage jede | |
„Verbesserung der nationalen Emissionsbilanz zum Gelingen des globalen | |
Klimaschutzes“ bei, weil sich alle Staaten mehr anstrengten, wenn sie | |
sähen, dass auch andere handelten. | |
## Erfolg bislang gering | |
Bisher war das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz allerdings nur wenig | |
erfolgreich. Wegen der Antiwindkraftpolitik der Großen Koalition im Bund | |
ging die Zahl der Windräder in Mecklenburg-Vorpommern 2021 sogar erstmals | |
zurück, von 1.965 auf 1.850. [2][Das dürfte sich unter der neuen | |
Bundesregierung und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ändern.] | |
Bisher hat nur Brandenburg ein ähnliches Gesetz wie Mecklenburg-Vorpommern | |
beschlossen. In Brandenburg müssen Windkraftbetreiber pro Anlage 10.000 | |
Euro Sonderabgabe an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern abführen. Auf | |
Bundesebene gibt es seit Januar 2021 eine nur halbherzige Regelung im | |
Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). Danach „dürfen“ Anlagenbetreiber „den | |
Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, Beträge | |
durch einseitige Zuwendungen ohne Gegenleistung anbieten“. Die Betreiber | |
machen sich also nicht der versuchten Bestechung schuldig. Eine Abgabe auf | |
Grundlage des Bundesgesetzes ist bisher aber völlig freiwillig. | |
MV-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) empfiehlt dem Bund, dem | |
Beispiel seines Landes zu folgen: „Einer verpflichtenden Bundesregelung | |
stehen mit der heutigen Entscheidung nun keine juristischen Zweifel mehr im | |
Weg.“ | |
(Az.: 1 BvR 1187/17) | |
5 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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