# taz.de -- Windradtürme aus nachhaltigem Material: Auf dem Holzweg | |
> Nachhaltiger, billiger und leichter zu transportieren: In Schweden werden | |
> jetzt Windradtürme aus Holz statt aus Stahl produziert. | |
Bild: Ganz ohne Schwertransport: So sollen die Bauteile für die Holztürme tra… | |
Stockholm taz | Windräder aus Holz: An dieser Idee wird schon länger | |
getüftelt. Die erste derartige Anlage wurde sogar in Deutschland gebaut und | |
nahm Ende 2012 in Hannover-Marienwerder den Betrieb auf: 100 Meter hoch, | |
ein 100 Tonnen schweres Windkraftwerk an der Spitze. Der damalige | |
Umweltminister Peter Altmaier gab sich zur Eröffnung persönlich die Ehre. | |
„Gleich wird auf Holz geklopft“, twitterte er. | |
Das half nicht wirklich. Dem Prototyp sollte eine Serienproduktion folgen, | |
doch daraus wurde nie etwas. Die Firma Timbertower gibt es auch nicht mehr. | |
Das lag nicht am Holz. Holztürme sind belastbarer und haltbarer als | |
Stahltürme. Die Manager von Timbertower klagten über die Skepsis der | |
Windkraftbranche, die sich mit Holztürmen nicht anfreunden wollte. | |
Vielleicht war aber auch die aus Furniersperrholz gefertigte achteckige | |
Fachwerkkonstruktion der ersten Anlage nicht optimal. Je höher eine | |
Windkraftanlage ist, desto kostengünstiger ist der Strom, der damit | |
produziert werden kann. Zwar waren die Timbertower-Konstrukteure überzeugt, | |
man könne mit ihrer Baumethode auch 160 Meter hohe Türme bauen. Doch | |
tatsächlich wurde das nie in Angriff genommen. | |
Doch jetzt gibt es einen neuen Anlauf: Im westschwedischen Göteborg hat | |
jetzt die erste Fabrik ihre Produktion aufgenommen, in der Windkrafttürme | |
ausschließlich aus Holz gefertigt werden. „Unser Design ist vorteilhafter“, | |
meint jedenfalls Otto Lundman, der Chef den Unternehmens mit Namen Modvion. | |
„Wir mussten aber auch erst einmal dazulernen.“ | |
Gelernt haben die Windturmbauer von den KonstrukteurInnen von bis zu 85 | |
Meter hohen Holzhochhäusern, mit denen die nordischen Staaten mittlerweile | |
zu den führenden Ländern im Holzhochbau gehören. Die Segmente der | |
Modvion-Türme sind nicht eckig, sondern rund und bestehen aus | |
Furnierschichtholz (Laminated veneer lumber, LVL), das aus nordischem | |
Tannenholz hergestellt wird. Dieser sehr feste und formstabile Werkstoff | |
ist nicht nur dem Vollholz, sondern auch Stahl in vielerlei Hinsicht | |
überlegen. | |
Selbst wenn Stahl einmal ausschließlich aus grünem Wasserstoff hergestellt | |
werden wird, würde Windenergie mit Stahltürmen nie klimaneutral zu | |
produzieren sein, [1][hat das Stockholmer Forschungsinstitut RISE | |
errechnet]. Mit Windkrafttürmen aus Holz sei dies dagegen erreichbar. Die | |
Herstellung der Holzkonstruktion selbst ermögliche eine CO2-Emissionsbilanz | |
mit negativem Vorzeichen, da das im Holz gelagerte Kohlendioxid nicht | |
freigesetzt werde. | |
Voraussetzung sei dafür natürlich eine Wiederverwendung der nach rund drei | |
Jahrzehnten ausgedienten Turmelemente beispielsweise als hochfeste Träger | |
in der Bauindustrie. Damit könne „Kohlenstoff für Hunderte von weiteren | |
Jahren gespeichert werden“. Insgesamt würde eine Windkraftanlage auf einem | |
Holzturm den CO2-Ausstoß bei der Herstellung des gesamten Windkraftwerks um | |
30 Prozent vermindern. | |
Mit Serienproduktion der LVL-Elemente werde die Turmherstellung nicht nur | |
klimafreundlicher, sondern auch billiger werden als mit den bislang | |
üblichen Konstruktionen, sagt Lundman. Die Produktionskosten für die | |
Windenergie ließen sich damit um rund 6 Prozent senken. Außerdem würde sich | |
der Transport zum Installationsstandort der Windenergieanlagen sehr | |
vereinfachen. Ein Holzturm wiegt zwei Drittel weniger als ein gleich hoher | |
Stahlturm. | |
In der neuen Fabrik werden 14,5 Meter lange und bis zu 4,5 Meter breite | |
Module produziert. Das sind Dimensionen, die ohne aufwändige | |
Schwertransporte auf normalen Lkws zum Bauplatz geliefert werden können. | |
Dort werden diese Elemente [2][zu konisch zulaufenden Zylindern | |
zusammengefügt] und mithilfe von Kränen oder dem Einsatz von Hubschraubern | |
aufeinandergestapelt. | |
„Das ist so ähnlich, wie wenn man Kaffeetassen ineinanderstellt“, erklärt | |
der Ingenieur und Modvion-Mitgründer David Olivegren: „Und dann werden | |
diese Zylinder mit sogenannten Klebeverbindungen zusammengefügt.“ Das hält? | |
„Absolut“, versichert er: „Wir mussten Ermüdungstests abbrechen, weil sie | |
zu lange dauerten. Die Konstruktionen waren so stark, dass sie einfach nie | |
brechen wollten.“ Am Schluss werde das Holz dann noch mit Polyurea-Lack als | |
Wetterschutz beschichtet. | |
Ein [3][30 Meter hoher Prototyp] ist auf der Insel Björkö nahe Göteborg | |
seit 2020 in Betrieb. Der erste kommerzielle, 100 Meter hohe Turm soll | |
Anfang 2023 geliefert werden, zehn weitere 150 Meter hohe Türme sollen | |
folgen. Zwei Jahre später als ursprünglich geplant: Corona kam dazwischen | |
und auch Modvion musste erst Skepsis in der Branche überwinden. | |
Doch zwischenzeitlich konnte man den staatlichen schwedischen | |
Energiekonzern Vattenfall und den dänischen Windturbinenbauer Vestas als | |
Investoren und Teileigentümer mit ins Boot holen und hofft, dass die | |
weitere Entwicklung schneller geht. Die Ambitionen sind hoch. Derzeit | |
werden weltweit jährlich rund 34.000 neue Windkraftanlagen gebaut und deren | |
Produktion müsse ganz einfach nachhaltiger werden, rechnet Lundman vor. Er | |
ist überzeugt: „Holz wird die Windkraft revolutionieren.“ | |
10 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ri.se/sv/berattelser/vindkraftverk-i-tra-levererar-klimatneutra… | |
[2] https://modvion.com/the-product/ | |
[3] https://www.swedishwood.com/publications/wood-magazine/2020-4/extreme-loads/ | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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