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# taz.de -- Historisches Erbe und Ukraine-Krieg: Erinnerung endgültig auslösc…
> Schon einmal hat man in der Westukraine versucht, die Vergangenheit zu
> tilgen. Die Ukrainer kämpfen jetzt auch dafür, dass sich Geschichte nicht
> wiederholt.
Bild: Kulturelle Identität: patriotisches ukrainisches Tattoo, Lwiw, 2022
Wenn man beim Gang durchs Stadtzentrum von Lwiw aufmerksam nach links und
rechts schaut, kann man an den Wänden einiger Gebäude unter abblätternder
Farbe verblasste Inschriften entdecken.
Es sind sogenannte „Geisterschilder“, die Namen ehemaliger Geschäfte und
der Waren, die sie damals im Angebot hatten. Die meisten sind auf Polnisch
oder Jiddisch, manchmal sieht man auch ukrainische oder deutsche
Aufschriften.
Denn bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten in der Stadt
Hunderttausende Juden, Polen und Ukrainer. [1][Nur wenige Jahre später
waren davon nur noch zweihundert Juden am Leben.] Die Mehrheit der Polen
war gezwungen worden, die Stadt zu verlassen und viele Ukrainer hatte man
in Konzentrationslager verschleppt oder wegen Nichtanerkennung der
Sowjetmacht umgebracht.
Unter dem wachsamen Auge des KGB machte man sich dann daran, im Land eine
„leuchtende Zukunft“ aufzubauen, in der für die komplizierte Vergangenheit
kein Platz mehr sein sollte. Straßen wurden umbenannt, Denkmäler
geschleift, Ladenschilder übermalt.
Der russische Einmarsch in die Ukraine, der, wie es russische Medien
berichten, der Klärung der „ukrainische Frage“ dient, soll ebenfalls sicher
stellen, dass alle Erinnerungen an die Vergangenheit ausradiert und
übermalt werden.
Die aufmüpfigsten Ukrainer kann man umbringen, die anderen einschüchtern
oder kaufen. Und dann erst können russische Propaganda und Zensur aus der
Ukraine einen fügsamen Teil des russischen Imperiums machen.
„Aufmüpfig“ zeigt sich allerdings die gesamte Ukraine. Um mit ihr fertig zu
werden, sind die Russen bereit, jede dafür benötigte Anzahl an Menschen zu
töten: [2][durch die völlige Zerstörung von Mariupol], die Bombardierung
von Wohnhäusern in Charkiw und die Erschießung von Zivilisten [3][auf den
Straßen von Butscha].
Und genau deshalb, um „diese tödliche Liebe“ Russlands trotzdem zu
überleben, verteidigen sich die Ukrainer weiter. Sie kämpfen für ihre
Sprache und Kultur, für das Recht, selber Entscheidungen zu treffen. Dafür,
dass sie sich nicht in Geister auf den Straßen ihrer Städte verwandeln
müssen.
Gleichzeitig führt die Ukraine weiter Verhandlungen mit Russland, in der
Hoffnung, dadurch Menschenleben zu retten. Denn das Allerwichtigste, das
sind die Menschen und ihre Würde, und nicht Land und Macht.
Solange die Russen das Leben nicht für ebenso wertvoll erachten wie das
Gefühl der eigenen Größe und den Erwerb von Land – durch Blutvergießen der
Soldaten und ihrer Opfer werden sich die russisch-ukrainischen Beziehungen
nicht verbessern.
Und offene, ehrliche Gespräche werden nur mit den Russen möglich sein, die
zumindest ihr Bedauern darüber ausdrücken, was ihr Staat und ihre
Landsleute tun. Davon, offen gegen die Ermordung derjenigen aufzustehen,
die sie noch bis vor kurzem „Brudervolk“ genannt haben, wollen wir hier gar
nicht sprechen.
Aus dem Russischen von [4][Gaby Coldewey]
Finanziert wird das Projekt durch die [5][taz Panter Stiftung].
16 Apr 2022
## LINKS
[1] /Ueberfall-auf-die-Sowjetunion-1941/!5777525
[2] /Belagerte-Stadt-in-der-Ukraine/!5842898
[3] /Massaker-in-Butscha/!5843277
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[5] /!p4550/
## AUTOREN
Rostyslav Averchuk
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Sowjetunion
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