# taz.de -- Linkspartei will Spitze neu wählen: Hoffnung auf Neuanfang | |
> Die Linke hat beschlossen, im Juni ihre komplette Führungsspitze neu zu | |
> wählen. Beim Parteitag soll es auch um Sexismus in den eigenen Reihen | |
> gehen. | |
Bild: Will „die Vielstimmigkeit in Kernfragen überwinden“: Linken-Vorsitze… | |
BERLIN taz | Mit vorgezogenen Vorstandsneuwahlen versucht die Linkspartei, | |
einen Ausweg aus [1][ihrer tiefen Krise] zu finden. Nach dem Rücktritt der | |
Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow soll nun Ende Juni auf dem Parteitag | |
in Erfurt die komplette Führungsspitze neu gewählt werden. „Angesichts der | |
schwierigen Lage der Partei sind wir überzeugt, dass der Parteivorstand ein | |
neues Mandat des Parteitages benötigt“, beschloss der Linken-Bundesvorstand | |
am Sonntag. | |
Die Linkspartei müsse „wieder mehr Menschen überzeugen“, dass sie gebrauc… | |
werde, sagte die verbliebene Vorsitzende Janine Wissler nach der Sitzung im | |
Karl-Liebknecht-Haus. Es gehe um nichts weniger als die Existenz der | |
Partei. Sie wolle dazu beitragen, die Linkspartei „als moderne | |
Gerechtigkeitspartei neu aufzustellen“, sagte Wissler der taz. „Wir müssen | |
unser Profil schärfen, mit Pluralität solidarisch umgehen und die | |
Vielstimmigkeit in Kernfragen überwinden.“ | |
Dazu solle der Parteitag im Juni einen entscheidenden Beitrag leisten, so | |
Wissler. Neben den Vorstandsneuwahlen müssten dort der Umbau der | |
Parteistruktur in Angriff genommen und inhaltliche Fragen geklärt werden. | |
So würden den Delegierten Leitanträge zur Außen- und Friedenspolitik | |
angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die | |
Ukraine sowie zum sozial-ökologischen Umbau vorgelegt. Zugleich solle es | |
eine gesonderte Debatte zum Thema Sexismus geben. | |
Aufgrund einer [2][#MeToo-Affäre in ihrem hessischen Landesverband], in den | |
Wissler über ihren Ex-Partner auch persönlich involviert ist, sieht diese | |
sich derzeit scharfen Angriffen ausgesetzt. Ob sie im Juni erneut für den | |
Vorsitz kandidieren wird, ist derzeit noch offen. Wissler scheint jedoch | |
dazu bereit zu sein. | |
## Feministinnen stützen Wissler | |
Kurz vor der Bundesvorstandssitzung hatten bekannte Feministinnen in der | |
Linkspartei der 40-jährigen Bundestagsabgeordneten den Rücken gestärkt. | |
„Die teils selbst sexistische und entwürdigende Berichterstattung sowie die | |
Attacken auf unsere Parteivorsitzende Janine Wissler weisen wir zurück“, | |
heißt es [3][in ihrem am Samstag veröffentlichten Aufruf]. Es sei „eine | |
völlige Verdrehung des Problems, nun eine Frau stellvertretend für | |
mutmaßliche Täter an den Pranger zu stellen“. | |
Zu den 23 Unterzeichnerinnen gehören mehrere Bundestagsabgeordnete, | |
darunter Cornelia Möring und Kathrin Vogler, die Parteivorstandsmitglieder | |
Bettina Gutperl und Daphne Weber, die Landessprecherinnen von Bayern, | |
Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie die Vorsitzenden der | |
Bürgerschaftsfraktionen in Bremen und Hamburg. | |
„Viele von uns haben eigene Erfahrungen mit sexueller Belästigung, verbalen | |
oder körperlichen Übergriffen in dieser Partei und außerhalb gemacht“, | |
schreiben die 23 Autorinnen. Nicht nur in der Linkspartei müsse es darum | |
gehen, „Strukturen zu schaffen, die Übergriffe verhindern und Betroffene | |
schützen“, fordern sie. „Für uns steht fest: Sexualisierte Gewalt und | |
sexistische Strukturen dürfen in unserer Partei keinen Platz haben.“ | |
Nur 14 Monate nach Amtsantritt hatte Wisslers bisherige Co-Vorsitzende | |
Hennig-Wellsow [4][am Mittwoch ihren sofortigen Rücktritt erklärt]. Die | |
44-jährige Thüringerin begründete ihren überraschenden Abgang mit | |
persönlichen Motiven, unerfüllten Erwartungen bei der Erneuerung der | |
Partei, aber auch mit dem Umgang der Linkspartei mit [5][Sexismus in den | |
eigenen Reihen]. | |
## Keine Mehrheit für Urabstimmung | |
Als Alternative zu der jetzt beschlossenen Neuwahl auf dem Parteitag im | |
Juni wurde auf der Bundesvorstandssitzung auch über eine mögliche | |
Urabstimmung diskutiert, also die neue Führungsspitze von den knapp 60.000 | |
Mitgliedern wählen zu lassen. Doch wie schon bei einer Sondersitzung am | |
Mittwoch fand die Idee, dem [6][Beispiel der griechischen Schwesterpartei | |
Syriza] zu folgen, nicht ausreichend Fürsprecher:innen. | |
Die Urwahl-Idee sei sachlich diskutiert worden, so die stellvertretende | |
Parteivorsitzende Katina Schubert. „Im Endeffekt waren pragmatische Gründe | |
ausschlaggebend“, sagte Schubert der taz. Auch finanzielle Gründe sollen | |
eine Rolle gespielt haben. Nach dem schlechten Abschneiden bei der | |
Bundestagswahl hat die Linkspartei auch erhebliche finanzielle Probleme. | |
Mit dem Neuwahlbeschluss wächst nun auch der Druck auf Dietmar Bartsch und | |
Amira Mohamed Ali, die blassen Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag. | |
„Die Linke ist in einer schweren Krise“, sagte das Parteivorstandsmitglied | |
Lorenz Gösta Beutin der taz. „Das bedeutet, alle Strukturen, alles Personal | |
muss auf den Prüfstand.“ Gerade die Fraktion habe in den letzten Monaten | |
ein „Bild der Beliebigkeit“ geboten, so Beutin. Eine „Führung nach vorne… | |
habe gefehlt. | |
Der Ex-Bundestagsabgeordnete kritisierte, dass in der Linksfraktion zu | |
häufig eine „Vielstimmigkeit je nach Tagesform“ geherrscht habe – [7][ob | |
bei Corona, beim Klima oder der Außenpolitik]. „Wir brauchen eine Linke, | |
die weiß, wo sie hinwill.“ Beutin forderte Bartsch und Mohamed Ali auf, den | |
Weg für eine personelle Neuaufstellung freizumachen: „Eine Neuwahl des | |
Fraktionsvorstands ist zwingend für eine glaubwürdige Erneuerung.“ | |
24 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Zukunft-der-Linkspartei/!5846591 | |
[2] /Sexismus-und-Politik/!5846284 | |
[3] https://www.links-bewegt.de/de/article/539.den-grundkonsens-erneuern-f%C3%B… | |
[4] /Hennig-Wellsow-gibt-Linken-Spitze-ab/!5849789 | |
[5] /MeToo-bei-der-Linkspartei/!5846760 | |
[6] /Parteitag-der-Linken-von-Griechenland/!5849418 | |
[7] /Linkspartei-in-der-Existenzkrise/!5845373 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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