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# taz.de -- Ghost Kitchen und Suppenliebe: Ein roter Eimer voller Ramen
> Christopher Selig war zunächst Foodblogger mit Japanschwerpunkt. Nun
> betreibt er ein Suppenrestaurant – aber ohne eigenen Gastraum.
Bild: Links die Abholung, rechts das Ergebnis
Das Glück kommt von oben. An einem sehr aprilwettrigem Apriltag laufen
meine Freundin und ich um den Berliner Zionskirchplatz und suchen eine
Hausnummer. Dort klingeln wir, sagen unseren Namen und schauen nach oben.
Kurz darauf erscheint im zweiten Stock ein Männerkopf mit Mütze. Er lässt
einen roten Eimer zu uns herunter, darin vier Pappbecher, je zwei mit der
Aufschrift „Soup“ und „Toppings“.
Christopher Selig war erst Foodblogger mit Japanschwerpunkt, jetzt ist er
auch Foodmacher, seine Spezialität: Ramensuppen. Die Brühe dafür setzt er
in seiner Wohnung an, und hin und wieder schickt er eine Mail und
Instagram-Story raus. Dann kann man vorbestellen und ein paar Tage später
abholen kommen. Wenn man schnell genug ist. Denn die Sache hat sich
rumgesprochen in Foodie-Berlin, und das Marketing – allein der knallrote
Eimer ist genial – ist fast so gut wie die Suppen.
Und was sind das für Suppen! Die eine tiefdunkelbraun und hocharomatisch,
von riesigen Fettaugen überzogen, dabei aber vegan, auf Pilz- und
Selleriebasis. Die andere eine Huhn-/Schwein-/Seafoodbrühe und eher
gelblichweißrot; sämig ist sie, dank Tahini und Chiliöl ist richtig was los
im Mund. Zubereitet werden sie zu Hause nach einer exakten Anleitung – die
Nudeln nur genau 60 Sekunden kochen, nach 15 und 45 Sekunden umrühren – und
sie haben den Hype wirklich verdient. Die Zutaten sind alle bio, die Nudeln
natürlich selbstgemacht, mit exakt 38 Prozent Hydratation. Hier wird nichts
dem Zufall überlassen, jedes Detail sitzt, bis zum dezent gestempelten
Logo, einer Krabbe.
Auf Food Technique Berlin, wie Seligs Suppenküche heißt, bin ich dank
[1][eines Artikels in der Berliner Zeitung] gestoßen. Dort ordnet die
Autorin Tina Hüttl die Ramen-Fensterlieferung auch passend ins Trendgefüge
ein: Sie gehört zum Segment der Ghost Kitchen. Das sind Küchen ohne
Gastraum, virtuelle Restaurants – ein dank der [2][fortschreitenden
Lieferdienstifizierung] und durch steigende Ladenmieten in den Städten auch
in Deutschland wachsendes Phänomen, das durch Corona einen Extrabooster
erhalten hat.
Grundsätzlich sehe ich Ghost Kitchens eher skeptisch, denn mehr geliefertes
Essen bedeutet auch mehr Müll und mehr Billiglohnjobs, außerdem liebe ich
die Kulturtechnik Essengehen zu sehr. Und lese ich von anonymen Großküchen,
die mehrere virtuelle Marken bedienen, klingt das für mich nach
Kantinenfraß oder nach diesen Billigpizzerien, die auch Burger anbieten.
Fälle wie Food Technique Berlin könnten mich vom Gegenteil überzeugen. Denn
wo Fixkosten wie Miete und Bedienung wegfallen, kann leichter mit Gerichten
und Konzepten experimentiert werden, können auch private Liebhaberprojekte
Kundschaft finden. Und dafür suche ich gern im Aprilregen nach einer
Hausnummer.
25 Apr 2022
## LINKS
[1] ttps://www.berliner-zeitung.de/wochenende/one-cook-show-li.217283?pid=true
[2] /Lieferdienste-fuer-Lebensmittel/!5774556
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
Kolumne Geschmackssache
Berlin
Gastronomie
Suppe
japanische Küche
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