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# taz.de -- Frühjahrszutat Mönchsbart: Das nächste grüne Ding
> Die Verkostung bisher unbekannter Pflanzen ist stets ein kleines
> Abenteuer. Unser Autor hat Mönchsbart für sich entdeckt – und ist
> begeistert.
Bild: Mönchsbart, wie eine Meeresbrise im Mund
Es ist Ende März, und das ist Tulpenzeit, Ostereierzeit,
Zeitumstellungszeit und – Mönchsbartzeit. Genau, Mönchsbart. Kennen Sie
nicht? Noch nicht, sage ich.
Mönchsbart wächst auf salzigen Böden im Mittelmeerraum, wo er früher zur
Seifengewinnung angebaut wurde. Optisch ähnelt er Schnittlauch, ist aber
fester und knackiger. Er ist ein Frühjahrsgemüse der italienischen Küche
und klingt dort sogar noch schöner: barba di frate, wahlweise auch
ballerina oder agretti.
Entdeckt hat ihn meine Freundin letztes Jahr bei ihrem Stammbiomarkt, und
seitdem essen wir ihn mit Kapern, Olivenöl, Knoblauch, Zitrone, Sardellen
und Spaghettini. Das schmeckt, als hätte man eine Meeresbrise im Mund, aber
nicht so penetrant wie Algen. Sehr lecker, aber das ist nicht das einzige
Schöne daran.
Denn es ist ja so: Während im Bereich der processed foods jeden Tag
Dutzende neue Produkte in die Regale fluten, ist die Verkostung unbekannter
Pflanzen noch immer ein Ereignis. Neues Obst und Gemüse ist auch nicht
einfach von heute auf morgen da, es wird nicht mit großen Aufstellern im
Kassenbereich beworben. Es sickert langsam ein, beginnt seine Reise in
Feinkostläden, Asiamärkten, Ottolenghi-Kochbüchern, [1][Hipster-Foodblogs],
arbeitet sich hoch zur Medienentdeckung, bis es irgendwann [2][auf jeder
Pizza liegt]. Anfangs ist es wie ein kleiner Schatz, bei dem jeder Kunde
das Gefühl haben kann, den jetzt selbst gehoben, ja eigentlich wie ein
Biologe aus dem 18. Jahrhundert diese Pflanzengattung zum ersten Mal
überhaupt gefunden und beschrieben zu haben.
Und während die Produktinnovationen bei Fertignahrung meist im
Nach-Komma-Stellen-Bereich geschehen – Rahmpudding jetzt mit
Zwischenzweidrittelhalbfettstufe, das Inside-out-Überraschungsei mit weißer
Schoki außen, Hafer-Erbsenmilch Barista-Edition glutenfrei –, ist eine neue
Pflanze eben ein komplett eigenständiges Ding, mit dem man sich
auseinandersetzen muss, besser: darf. Mönchsbart, habe ich beim Schreiben
dieser Kolumne gelernt, eignet sich auch roh für Salate, als Ergänzung zu
Omelett oder Eggs Benedict oder als Bett für ein Stück Fisch.
Sein Siegeszug wird nicht aufzuhalten sein. Dafür sorgen sein klangvoller
Name und dass er gut an [3][den Großtrend „salzige Pflanzen“] andockt. Man
muss ihn auch nicht zwingend importieren, in Deutschland wird er unter
anderem [4][in Papenburg angebaut].
Es gibt auf dieser Welt noch viele weitere Kräuter, Früchte, Gräser, Samen,
Nüsse, die es bisher nicht in den limitierten Raum unserer
Obst-und-Gemüse-Abteilungen geschafft haben. Ein Kollege schrieb mir: „…
zum Thema Mittelmeergemüse, die in Deutschland nicht genug Anerkennung
erfahren, gehören für mich übrigens noch Puntarelle (Vulkanspargel) & Cima
di Rapa (Stängelkohl)“.
Vulkanspargel! Ich werde berichten.
27 Mar 2022
## LINKS
[1] https://splendido-magazin.de/barba-di-frate/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Rucola
[3] https://www.lebensmittelverband.de/de/presse/pressemitteilungen/pm-20211222…
[4] https://www.ardmediathek.de/video/ard-buffet/gutes-gemuese-moenchsbart/das-…
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
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