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# taz.de -- Einfach leben: Abenteuer oder Abenbillig?
> Unser Kolumnist versuchte sich an einem „Micro-Adventure“ und stellte
> fest, dass man sich auch drei Tage von Müsliriegeln ernähren kann.
Bild: Das einfachere Leben geht schon, man muss sich trauen
Halten die Schnürsenkel noch eine Tour? Soll ich den Kocher mitnehmen oder
nur von Rohkost leben? Und wie erkläre ich dem Schaffner, dass meine
BVG-Abokarte in Hessen als 9-Euro-Ticket gelten sollte?
Ganz schön kompliziert, wenn man das einfache Leben sucht. In meinem Fall:
ein paar Tage Wandern auf dem „Grünen Band“, der ehemaligen
deutsch-deutschen Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Nicht groß planen,
nur an den nächsten Schritt denken. Keine Termine, keine Meetings. Schluss,
zumindest mal für ein paar Tage, mit dem Komplexen, den Komplexen und dem
An-alles-gleichzeitig-Denken.
Aber einfach so losgehen, das geht ja nicht. Es braucht einen trendigen
Namen: „Micro-Adventure“ heißt das heute. Und natürlich lässt sich damit
Kasse machen: Ratgeberbücher, Kurse und Apps wollen mir das simple Leben
ganz einfach machen. Der Autobauer Smart warb mit dem Slogan „Reduce to the
max“. Es gibt eine eigene, gut kuratierte Zeitschrift namens einfach leben.
Und eine milliardenschwere Outdoorindustrie hämmert uns ein, dass wir ohne
die Nanga-Parbat-taugliche Jacke keinen Frühlingsspaziergang im Tiergarten
wagen sollen. Schließlich heißt es Abenteuer, nicht Abenbillig.
Wenn man doch loszieht, merkt man: Das einfachere Leben geht schon, man
muss sich trauen. Die Grundregel: Nur das Allernötigste packen – und davon
die Hälfte mitnehmen. Dann heißt es: frieren oder improvisieren. Man kann
auch drei Tage von Müsliriegeln (über-)leben, das Handy nur als Fotoapparat
gebrauchen. Und ein gutes Messer löst so ziemlich alle Probleme. Klingt
nach Rambo, stimmt aber.
Der Escape Room Natur ist natürlich Luxus und eigentlich Quatsch. Denn er
bedeutet, dass zu Hause der gefüllte Kühlschrank wartet. Und er suggeriert,
dass wir im „normalen“ Leben gut ohne die Natur auskommen. Aber allein um
das immer mal wieder zu spüren, ist es gut, draußen zu sein: Planschen im
Waldbach, einem Buntspecht beim Hämmern zusehen, Lust auf eiskalte Cola
nach einem heißen Tag.
Und dann müssen mir noch alle, die den Journalismus der Zukunft nur noch im
Digitalen sehen, eines erklären: Wie stopfe ich mit meiner Zeitungs-App
nachts die nassen Stiefel aus?
10 Jun 2022
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Reisen
Wir retten die Welt
Natur
Konsum
Naturschutzgebiet
Kolumne Geschmackssache
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