| # taz.de -- Außenministerin in Mali und Niger: Sie hört Frauen zu | |
| > Wie sehr hängen Sicherheitsinteressen, Hunger und Klimakrise zusammen? | |
| > Auf ihrer Afrikareise konnte Annalena Baerbock dies vor Ort erfahren. | |
| Bild: Eindrücke sammeln, Zeit mit Menschen verbringen: Annalena Baerbock in Ou… | |
| Gao/Bamako/Niamey taz | Es ist heiß. Dieser Satz fällt immer wieder: Es ist | |
| heiß, gerade in Niger, wo Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin, | |
| am Mittwoch, direkt nach ihrer Ankunft aus Mali, der vorherigen Station | |
| ihrer Reise, vor Studierenden in einem voll besetzten Seminarraum spricht. | |
| Bei über 40 Grad Celsius. Die Deckenventilatoren surren. | |
| Die Hitze passt zum Titel der Konferenz, auf der Baerbock spricht: | |
| „Klimawandel, Nahrungsmittelsicherheit und Sicherheit der Menschen.“ Dass | |
| die Grünenpolitikerin ihren Niger-Besuch an der Universität Abdou Moumouni | |
| – ihr Namensgeber war Panafrikanist und Experte für Solarenergie – beginnt, | |
| findet Anklang. „Es ist eine große Ehre für uns“, sagt Rektor Saidou | |
| Mamadou. | |
| Auch Geraldo Segbedji Favi, der den Aktionsclub für Klima und nachhaltige | |
| Entwicklung (CSDAC) mitgegründet hat, ist angetan. Der Doktorand aus Benin | |
| spricht im Namen der Kommiliton*innen, die am Westafrikanischen | |
| Wissenschaftszentrum zu Klimawandel und angepasster Landnutzung studieren, | |
| vor Baerbock. Dass sie sich mit ihnen trifft, findet er richtig: „Wenn man | |
| die Probleme in einem Land lösen möchte, muss man mit jungen Leuten | |
| sprechen.“ Klar machen will er der Außenministerin aber auch, dass junge | |
| Menschen selbst etwas für ihre Zukunft tun müssen: „Wir können doch nicht | |
| darauf warten, dass uns Weiße aus dem Ausland Geld geben“, sagt er. Dass | |
| Baerbock im Anschluss einige Worte aus seiner Rede zitiert, beeindruckt | |
| Favi dann doch am meisten: „Sie hat die Botschaft verstanden.“ | |
| Baerbock spricht von einem „Sturm aus Not und Krisen, der über die Menschen | |
| im Sahel fegt“. Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, erlebe eine | |
| extreme Dürre, die von extremistischen Gruppen ausgenutzt werde. Nach einem | |
| Besuch in Ouallam im südlichen Sahel, wo Einheimische und Binnenvertriebene | |
| leben – mehr als eine viertel Million sind innerhalb des Niger auf der | |
| Flucht, sagt Baerbock auf einer Pressekonferenz mit Nigers Außenminister | |
| Hassoumi Massoudou: „Im Sahel, das ist die traurige Realität, wird die | |
| Klimakrise nicht in Emissionszahlen und Gradzielen gemessen, sondern sie | |
| bedeutet ganz konkret Leid, Hunger und Vertreibung.“ Auf der Fahrt dorthin | |
| habe sie Flächen aus Stein und Staub gesehen, auf denen einst – so habe man | |
| das erklärt – Baumwolle angebaut wurde. | |
| Tatsächlich steht Baerbocks Reise im Zeichen des Klimawandels, sagt | |
| Jennifer Morgan. Die Klimabeauftragte der Bundesregierung ist mit nach Mali | |
| und Niger gereist und nimmt an Gesprächen teil. Das zeige, welche Relevanz | |
| das Thema für die Bundesregierung habe. Morgans Fazit: „Die Klimakrise | |
| passiert heute, und sie ist dramatisch.“ Viele andere Probleme wie | |
| Ernährungsunsicherheit, Instabilität und Terrorismus würden dadurch | |
| beeinflusst. | |
| Diese Zusammenhänge werden erst seit einigen Jahren in dieser Deutlichkeit | |
| ausgesprochen. Lange hieß es in Europa, dass es extreme Wetterbedingungen | |
| im Sahel immer gegeben habe. Klimawandel wurde als Modethema abgetan. „Es | |
| ist klar, dass schon vor 30 Jahren viel mehr hätte passieren müssen“, sagt | |
| Morgan. Dass nichts geschah, mache sie wütend. | |
| Ständiges Begleitthema der Reise der Außenministerin ist der „furchtbare | |
| Krieg in der Ukraine“, wie Baerbock sagt. Bereits die Covidkrise habe die | |
| Preise in die Höhe getrieben. Jetzt folgen die Auswirkungen des Krieges mit | |
| voller Wucht. Nicht nur immer teurer werdendes Benzin gehört dazu, sondern | |
| vor allem die ausbleibenden Weizeneinfuhren aus der Ukraine und Russland. | |
| Sie boten einigermaßen Versorgungssicherheit, weil die Ernte lokaler | |
| Getreide großen Schwankungen aufgrund von Ernteausfällen unterliegt. | |
| Mancherorts im Sahel haben sich Preise für Grundnahrungsmittel wie Öl und | |
| Hirse schon jetzt verdoppelt. Prognosen gehen davon aus, dass in den | |
| kommenden Monaten alleine in Westafrika bis zu 38 Millionen Menschen | |
| hungern könnten. | |
| Angesichts dieser Probleme betont Baerbock, dass Deutschland sich trotz des | |
| Unkrainekrieges nicht von anderen Krisen abwenden werde. Diese Befürchtung | |
| ist seit Kriegsausbruch im globalen Süden gestiegen. Schon jetzt deckt die | |
| finanzielle Hilfe nur einen Bruchteil des Bedarfs. Im Februar warnten | |
| Nichtregierungsorganisationen, dass allein in Mali mehr als 7,5 Millionen | |
| Menschen auf Hilfe zum Überleben angewiesen sind. Die Bundesregierung, so | |
| Baerbock, habe nun für die Sahelzone weitere 100 Millionen Euro für | |
| humanitäre Hilfe und für Entwicklungszusammenarbeit auf den Weg gebracht. | |
| Vor allem aber eine Begegnung mit drei Frauen in Gao im Norden Malis hat | |
| bei Annalena Baerbock Eindruck hinterlassen. Eine Begegnung, über die sie | |
| auch in Niamey, der Hauptstadt Nigers und dritten Station ihrer Reise noch | |
| spricht. Im Gespräch mit den Frauen ging es um ihre Leben, ihren Alltag, | |
| ihre Hoffnungen und Ängste. Der Austausch mit ihnen fand im Camp Castor | |
| statt, wo die Bundeswehr im Rahmen von „Minusma“, so der Name der | |
| Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen für Mali, stationiert ist. | |
| Die Mission soll gegen dschihadistischen Terror für Sicherheit im Nordosten | |
| des Landes sorgen. „Diese Frauen wollen für ihr Land, ihre Dörfer, ihre | |
| Rechte und eine bessere Zukunft einstehen“, sagt Baerbock. | |
| Solche Gespräche wie auch die Begegnungen mit Binnenvertriebenen in Ouallam | |
| und mit Schulkindern waren, was Baerbock bei ihrer ersten Afrikareise | |
| wollte: Eindrücke sammeln, Zeit mit Menschen verbringen. Gleichzeitig haben | |
| die Gespräche mit den Frauen im malischen Gao dem aus europäischer Sicht | |
| oft abstrakten Terror im Sahel ein Gesicht gegeben: Das Leben in ständiger | |
| Angst, kaum vorstellbar; ebenso wenig, dass die Frauen sich nicht mehr auf | |
| den Markt trauen, ihre wenigen Früchte nun gar nicht mehr verkaufen können. | |
| In dem Gespräch sei auch darüber gesprochen worden, dass Schulwege nicht | |
| mehr sicher sind. Laut Kinderhilfswerk Unicef seien 1.664 Schulen im Land | |
| geschlossen. | |
| Der Besuch in Gao stand in Hinblick auf die Verlängerung für das | |
| Minusma-Mandat auf dem Programm. Annalena Baerbock wollte sich selbst ein | |
| Bild machen. Nach der Ankunft führte Bundeswehr-Kontingentführer Peter | |
| Küpper sie durch das Camp, sie ließ sich den NH90-Transporthubschrauber und | |
| die Aufklärungsdrohnen zeigen, besucht den Ehrenhain für die im Einsatz | |
| gestorbenen Soldaten. In der Krankenstation lässt sie sich die | |
| Behandlungsmöglichkeiten erklären. Als sie aus dem Sanitäts-Fuchspanzer | |
| steigt, stellt sie eine der Fragen, die immer wieder fallen: Wie weit wirkt | |
| sich der Abzug Frankreichs auf den Einsatz aus? | |
| Die einstige Kolonialmacht plant den Abzug der Antiterrormission Barkhane, | |
| für die bisher 5.300 Soldat*innen in Mali stationiert waren. Geklärt | |
| werden muss, wer den Flughafen in Gao übernimmt und den Luftraum sichert. | |
| Baerbock betont: Es gehe nur gemeinsam mit den anderen Nationen. Wenn ein | |
| zentraler Akteur geht, könne nicht einfach so weitergemacht werden. | |
| Trotzdem gibt es ein klares Bekenntnis zur Minusma: Man leiste in den | |
| Vereinten Nationen einen Beitrag, „um für einen gewissen Grad an | |
| Stabilisierung in der Region zu sorgen und auch dafür, dass | |
| Friedensprozesse wieder auf den Weg kommen können. Tatsächlich gelten | |
| Städte wie Gao und Timbuktu im Norden Malis wieder als besser gesichert. | |
| Die noch vor ein paar Jahren zu hörende Kritik, dass sich | |
| Minusma-Soldat*innen vor allem selbst schützen, hat abgenommen. | |
| Die Gespräche am Mittwochmorgen vor der Abreise nach Niger im | |
| Präsidentenpalast Koulouba der malischen Hautpstadt Bamako ziehen sich hin. | |
| Baerbock spricht mit Übergangspräsident General Assimi Goïta und | |
| Außenminister Abdoulaye Diop. Mit Letzterem tritt sie anschließend vor die | |
| Presse. Von der Nahbarkeit, die andere Stationen der Reise prägen, ist da | |
| nichts zu spüren. Die Worte sind überaus deutlich: „Wir brauchen dringend | |
| ein klares Bekenntnis zur Demokratisierung und wir brauchen Wahlen“, sagt | |
| Baerbock. | |
| In Mali war es im August 2020 und Mai 2021 zu Putschen gekommen. Die für | |
| Ende Februar geplanten Wahlen hat die Übergangsregierung platzen lassen. | |
| Ebenso schwerwiegend wirkt jedoch die Präsenz der russischen | |
| Wagner-Söldner, die als besonders brutal gelten. Von bis zu 300 Söldnern | |
| ist die Rede, die in Mali seien. Schon am Tag zuvor hatte die | |
| Außenministerin auf das Massaker von Moura Ende März angespielt. Etwa 300 | |
| Menschen, davon gehen NGOs aus, wurden umgebracht. Am Massaker sollen | |
| Wagner-Söldner beteiligt gewesen sein. | |
| Auch deshalb hat die Europäische Union die praktische Ausbildung für | |
| malische Soldat*innen gerade gestoppt. „Wir können keine Zusammenarbeit | |
| leisten, wenn es keine Abgrenzung zu russischen Kräften gibt. Putin führt | |
| einen schweren und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“, sagte Baerbock. | |
| Danach musste sich Diop äußern: Mali entscheide selbst, mit wem es | |
| zusammenarbeite. Eine Einmischung lässt Mali nicht zu, sagt er. Mali habe | |
| eine Kooperation mit dem russischen Staat. | |
| 15 Apr 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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