| # taz.de -- Ausgang der Parlamentswahl in Ungarn: Wahlsieg für Orbán | |
| > Ungarns rechtsnationaler Regierungschef erringt bei der Wahl erneut eine | |
| > Zweidrittelmehrheit. Die Opposition fährt eine verheerende Niederlage | |
| > ein. | |
| Bild: Kann weiterregieren: Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Vikt… | |
| Wien taz | Ungarn bleibt weiter auf Kurs. Der rechtsnationale Premier | |
| Viktor Orbán konnte sich bei den Parlamentswahlen am Sonntag mit 53 Prozent | |
| der Stimmen neuerlich eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten sichern. | |
| Das sind fünf Prozentpunkte mehr als 2018. „Wir haben einen großen Sieg | |
| errungen – so groß, dass man ihn vom Mond sehen kann, ganz gewiss von | |
| Brüssel“, verkündete er in der Wahlnacht vor seiner Wahlkampfzentrale in | |
| Budapest. | |
| Vor einer johlenden Menge von Anhängern zeigte er der [1][EU], die | |
| unverhohlen auf einen Regimewechsel gesetzt hatte, eine lange Nase. Brüssel | |
| konnte der Unterhöhlung von Rechtsstaat und Pressefreiheit, der Gängelung | |
| von Kultur und Wissenschaft, die Orbán systematisch betrieben hat, kaum | |
| Widerstand entgegensetzen. Das breite Oppositionsbündnis unter dem | |
| parteilosen Konservativen [2][Péter Márki-Zay], das sich zu Europa und der | |
| Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit bekannte, erlitt eine verheerende | |
| Niederlage. | |
| Nach Auszählung fast aller Stimmen dürfte das Bündnis Fidesz-KDNP | |
| mindestens 135 der 199 Sitze im Einkammernparlament erobert haben. Die | |
| Oppositionsallianz Egységben Magyarországért mit rund 35 Prozent der | |
| Stimmen (In Einheit für Ungarn) wird nur über 56 Abgeordnete verfügen. Ins | |
| Parlament schaffte es auch die rechtsextreme Partei Unsere Heimat mit 7 | |
| Prozent und ebenso vielen Abgeordneten. | |
| Orbán wird also weiterhin die Verfassung nach Belieben Richtung illiberales | |
| System, das er nach eigener Bekundung anstrebt, anpassen können. Wahlgesetz | |
| und die Wahlkreise sind schon jetzt auf die Bedürfnisse der | |
| Regierungspartei zurechtgeschnitten. | |
| ## Orbán als Friedensapostel, Opposition als Kriegstreiber | |
| Der seit 2010 regierende Orbán wird, so fürchten Beobachter, den | |
| Rechtsstaat weiter demontieren. Als Vorbilder hat er China, Russland und | |
| die Türkei genannt. Opposition und Zivilgesellschaft haben immer weniger | |
| Möglichkeiten, sich zu artikulieren. „Viele von Orbáns Reformen tragen den | |
| Stempel Putins“, sagt der Historiker Krisztian Ungváry. | |
| Dass der Triumph Orbáns so deutlich ausfallen und sogar die Ergebnisse von | |
| 2018 und 2014 übertreffen würde, hatte kaum jemand erwartet. „Die meisten | |
| Umfragen hatten einen Sieg mit knappem Abstand erwarten lassen“, sagt | |
| Zsuzsanna Szélenyi in einer ersten Analyse. Die ehemalige | |
| Fidesz-Abgeordnete hat seinerzeit Orbáns Schwenk von Liberal nach Rechts | |
| nicht mitvollzogen und sympathisiert heute mit der liberalen | |
| Momentum-Partei, die in das Oppositionsbündnis eingebunden ist. Außerdem | |
| arbeitet sie am Demokratieinstitut der Central European University, die | |
| Orbán erfolgreich aus dem Land gejagt hat. | |
| Szélenyi schreibt den Erfolg in erster Linie dem Krieg in der Ukraine zu: | |
| „Orbán ist es gelungen, sich selbst als Friedensapostel und die Opposition | |
| als Kriegstreiber darzustellen“. Die fast totale Kontrolle der Medien und | |
| der Werbeflächen sei dafür hilfreich gewesen. Szélenyi: „Das war ein | |
| wirklich schmutziger Wahlkampf.“ | |
| Dass Orbán sein Land in eine Kleptokratie von regierungsnahen Oligarchen | |
| verwandelt und EU-Gelder in die Taschen von Günstlingen und | |
| Familienmitgliedern umgeleitet hat, war nach Putins Angriffskrieg kein | |
| Thema mehr. Außerdem sei die Strategie der Opposition gescheitert, alle | |
| oppositionellen Kräfte von Links bis Rechts einzubinden. Während die einst | |
| rechtsextreme Jobbik in die Mitte gewandert ist und mit Sozialdemokraten, | |
| Grünen und Liberalen an einem Strang zog, hat die faschistoide Abspaltung | |
| Unsere Heimat die rechtsextremen Stimmen einsammeln können. | |
| Erfolgreich war die Opposition nur in der Hauptstadt Budapest, wo sie 16 | |
| von 18 Bezirken erobern konnte. Budapest wird seit drei Jahren von einem | |
| Linksbündnis unter dem Grünen [3][Gergely Karácsony] regiert. Auf dem | |
| flachen Land, wo die Menschen fast nur Staatsmedien konsumieren, konnte | |
| sich Orbán fast flächendeckend durchsetzen. „Dort hat er gewaltig | |
| mobilisiert und in den letzten Wochen noch besondere Präsenz gezeigt“, sagt | |
| Zsuzsanna Szélenyi. | |
| Das Oppositionsbündnis wird diese Niederlage wohl nicht überstehen. Péter | |
| Márki-Zay musste vor seinen Sympathisanten allein auftreten, um die | |
| Niederlage einzugestehen. Dass Orbán die durch teure Wahlgeschenke | |
| verschärfte Wirtschaftskrise jetzt selbst ausbaden muss, ist ein geringer | |
| Trost. Gegenüber Brüssel, das die Ausschüttung von Fördergeldern an die | |
| Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit binden will, wird Orbán mit noch | |
| breiterer Brust als bisher auftreten. Gespannt darf man auf den Bericht der | |
| OSZE-Beobachtermission sein, die erstmals innerhalb der EU in voller Stärke | |
| von 300 Leuten angetreten ist. | |
| 4 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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