# taz.de -- Russland und die westlichen Sanktionen: Wenn die Preise explodieren | |
> In Sankt Petersburg wie auch in anderen russischen Städten sind westliche | |
> Produkte kaum noch erhältlich. Die Menschen beginnen mit Hamsterkäufen. | |
Bild: Beliebtestes Hamster-Produkt in russischen Läden: Buchweizen | |
Schon seit einer Woche kann ich keinen Buchweizen mehr kaufen, ich schaffe | |
es einfach nicht. Wenn ich abends von der Arbeit komme, ist er überall | |
ausverkauft. Am leeren Regal hängt ein Preisschild, daneben der kleine | |
Hinweis: „nicht mehr als 5 Stück pro Person“. Witzig, dass man in jeder | |
schwierigen Situation in Russland sofort Buchweizen kauft. | |
Für Reis und Hirse interessieren sich die Leute weniger. Hier macht man | |
schon Witze darüber, Buchweizen sei unser graues Gold. Die Menschen legen | |
ihr Geld darin an. Zucker ist übrigens mittlerweile auch schwer zu | |
bekommen. Und Salz. Von allen anderen Lebensmitteln gibt es noch genug in | |
den Regalen. Auf die Preise schaut man allerdings lieber nicht. Es scheint, | |
als ob die sich jeden Tag ändern. | |
Der Arbeitstag beginnt mit Gesprächen über Nachrichten, die neuesten | |
Sanktionen und die aktuellen Preise. Und wir reden hier natürlich nicht von | |
Buchweizen, sondern zum Beispiel über Medikamente. Meine Mutter nimmt | |
regelmäßig Schilddrüsenhormontabletten. Die werden in Deutschland | |
hergestellt. Ich rufe sie an und bitte sie, sich einen Vorrat anzulegen. | |
Aber die deutschen Tabletten gibt es schon nicht mehr in den Apotheken zu | |
kaufen, auch nicht mehr auf Lager. | |
Es gibt nur noch das russische Pendant, und ich frage mich: Ist das genauso | |
wirksam? Wird das in einem Monat noch in der Apotheke verkauft? Und wie | |
viel wird es dann kosten? Ein Besuch beim Zahnarzt hat mich gerade mein | |
halbes Monatsgehalt gekostet. Die andere Hälfte gebe ich ihm dann nächste | |
Woche. Der Zahnarzt hat erzählt, dass die Preise für Material und | |
Implantate um 200 bis 250 Prozent gestiegen sind. Und die Vorräte, die die | |
Zahnklinik noch hatte kaufen können, reichen etwa einen Monat. | |
[1][Wo leben die, die behaupten, dass es in unserem Land alles gibt?] Ich | |
weiß es nicht. Vermutlich in irgendeinem anderen Russland. „Macht nichts“, | |
sagte mir eine Taxifahrerin an dem Tag, an dem Ikea zugemacht wurde. „Dann | |
kaufen wir eben unsere eigenen Sachen!“ Ich habe mich auf keinen Streit | |
eingelassen, aber daran gedacht, dass meine Freunde schon Schuhe auf | |
Bestellung nähen. Klebstoff, Leder und Zubehör kaufen sie in China. Und das | |
kostet jetzt alles dreimal mehr als früher. Wir kaufen halt unsere eigenen | |
Sachen. Aber nur, wer es eben kann. | |
Meine Eltern haben die Zeiten des Mangels, den Zerfall der Sowjetunion, die | |
Finanzkrise und die Geldentwertung von 1998 miterlebt. Und jetzt sehe ich | |
die Preisschilder in den Geschäften und denke: [2][„Warum muss ihnen jetzt | |
schon wieder so etwas passieren?“] Bald schmilzt der Schnee und sie werden | |
Kartoffeln im Garten setzen. So, wie sie es in jedem Frühjahr gemacht | |
haben, ihr ganzes Leben lang. Ich sollte am Wochenende mit ihnen | |
rausfahren, um das auch zu lernen. | |
Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Projekt durch die [4][taz Panter Stiftung]. | |
30 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Olga Lizunkova | |
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