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# taz.de -- Preissteigerungen im Ukraine-Krieg: Für Weißkohl reicht’s
> Dass Elektronik teurer wird, können die meisten Russen verschmerzen.
> Dafür hatten sie schon vorher kein Geld. Anders sieht es bei
> Lebensmitteln aus.
Bild: Lebensmittelpreise in Russland sind deutlich gestiegen
Mama kocht Borschtsch und klagt über die Preise für Weißkohl. „Ich hab den
für 90 gekauft, kannst du das glauben? Früher hat der 30 gekostet!“
Natürlich kann ich das glauben.
Anfang März stiegen aufgrund der Abwertung des Rubels und der
Einfuhrbeschränkungen die Preise für Elektronik und Technik um etwa 30 bis
50 Prozent. Jetzt ist der Dollarkurs zum Rubel sogar niedriger als im
Februar, und die Preise liegen in etwa wieder da, wo sie vor den Sanktionen
waren.
Außerdem wurden in Russland Parallelimporte erlaubt: noch bevor die
Geschäfte ihre Lagerbestände verkauft hatten, hat das Ministerium für
Industrie und Handel die Einfuhr einiger Waren ohne Erlaubnis des
Urheberrechteinhabers über Drittländer legalisiert. Die Liste der
betroffenen Waren ist lang: Von Streichhölzern bis zu Autos. iPhones etwa
kann man nicht mehr über die offizielle Website von Apple kaufen, aber bei
re-store und in anderen Geschäften – bitte schön, kein Problem.
Für die meisten Russen ist dieser ganze iPhone-Rummel übrigens nichts
weiter als eine interessante Beobachtung. Ein iPhone 13 kostet um die
100.000 Rubel (circa 1.400 Euro). In der russischen Provinz beträgt das
Durchschnittsgehalt kaum mehr als 40.000 Rubel (600 Euro). Dort lebt man
übrigens schon immer, als gäbe es Sanktionen.
Wenn sie hören, welches ausländische Unternehmen sich gerade als nächstes
vom russischen Markt zurückzieht, zucken die meisten Russen nur mit den
Schultern: sie haben sowieso nicht viel, für sie ändert sich nichts. Sie
leben auch ohne neuen Staubsauger und Parfum.
[1][Die Lebensmittelpreise sind eine andere Sache]. Buchweizen und Zucker
waren ausverkauft: Die Menschen hatten Angst vor Defiziten und
Preisanstieg. Gewissermaßen hatten sie recht. Die Lebensmittelpreise sind
letzten Monat um 20 Prozent gestiegen. Aber auch Hunger macht uns natürlich
keine Angst. In den Geschäften ist nach wie vor alles da, und selbst wenn
es keine Schweizer Schokolade mehr gibt und kein Olivenöl – Geld dafür hat
man ja sowieso nicht. Für Weißkohl sollte es aber reichen.
Aber hol ihn der Teufel, diesen Weißkohl! Wie sieht es denn mit
ausländischen Lizenzen aus? Bei uns im Büro läuft bald die Nutzungsfrist
für das Adobe-Paket aus, und wie wir die Verlängerung von Russland aus
bezahlen sollen – das wissen wir nicht. Noch vor einigen Monaten wurde in
staatlichen Kreisen ernsthaft darüber nachgedacht, unlizensierte Programme
zu legalisieren. Diese Idee hat man dann wieder verworfen und
vorgeschlagen, lieber den Übergang zu russischer Software zu forcieren.
Tja, dann warten wir halt so lange mit dem Weiterarbeiten. [2][Wir kaufen
dann einfach heimische Hühnchen statt importiertes Rindfleisch] und Äpfel
statt Mangos. Bis wohin das gehen soll, weiß ich nicht. Aber bitte, niemand
übertrifft uns Russen in der Fähigkeit zu leiden und auszuhalten, und das
fällt uns jetzt böse auf die Füße.
Aus dem Russischen von Gaby Coldewey
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA
im September als Dokumentation heraus.
25 May 2022
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## AUTOREN
Olga Lizunkova
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