| # taz.de -- Russische Massaker in der Ukraine: Charakterzüge eines Völkermords | |
| > Die Gräueltaten von Butscha sind eine neue Dimension im Ukrainekrieg. | |
| > Solche nationalistischen Exzesse sind keine Ausrutscher. Sie haben | |
| > System. | |
| Bild: Soldaten in Butscha prüfen, ob der Leichnam eines Zivilisten als Sprengf… | |
| Man hat sich an vieles gewöhnt in gut fünf Wochen Krieg in der Ukraine: die | |
| hemmungslosen russischen Angriffe auf Städte, die brennenden Wohnhäuser, | |
| die verzweifelte millionenfache Flucht, die U-Bahn-Luftschutzbunker von | |
| Kiew und Charkiw, die Trümmerfelder von Mariupol. | |
| Und doch markiert der [1][Fund unzähliger Hinrichtungsopfer im verwüsteten | |
| Butscha], die Russlands Armee bei ihrem Rückzug von der Front bei Kiew | |
| zurücklässt, eine neue Dimension des Grauens. Russlands Armee hat nicht nur | |
| versucht, die Ukraine zu erobern – vergeblich, wie mit jedem Tag deutlicher | |
| wird –, sondern vernichtet auch die Menschen in der Ukraine, deren sie | |
| habhaft wird. | |
| Es gibt ein Wort für dieses Vorgehen: Völkermord. Im [2][bosnischen | |
| Srebrenica separierten die serbischen Belagerer im Juli 1995 die | |
| muslimischen Männer von ihren Frauen und Kindern und töteten sie alle], | |
| nach Plan. Srebrenica nennt die Regierung der Ukraine jetzt als Parallele | |
| zu Butscha. | |
| Der [3][Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 mit bis zu einer Million Toten], | |
| ebenfalls nach Plan und nach Kommando ausgeführt, verlief in noch weitaus | |
| ungeheuerlicheren Dimensionen. Planmäßiges Vorgehen auf Befehl, um eine | |
| vorab definierte Gruppe von Menschen auszulöschen – das ist es, was einen | |
| Völkermord charakterisiert. | |
| Nicht jeder Massenmord ist ein Völkermord, und man wird darüber diskutieren | |
| können und müssen, ob das Vorgehen der russischen Armee in der Ukraine | |
| wirklich dieser Charakterisierung entspricht oder doch „nur“ ein Verbrechen | |
| gegen die Menschlichkeit darstellt. Aber der Vorwurf steht im Raum. | |
| ## Völkermordtäter sind keine Verhandlungspartner | |
| Die Ukraine sieht sich jetzt bestätigt in ihrer Wahrnehmung, dass sie gegen | |
| Russland um ihr Überleben kämpft. Die Täter in Butscha sind Soldaten eines | |
| Landes, dessen Präsident der Ukraine das Recht auf eine eigenständige | |
| Existenz abspricht und wo Politiker von der „Endlösung der ukrainischen | |
| Frage“ und der „Entfernung des Krebsgeschwürs bis hin zur polnischen | |
| Grenze“ reden. Solche nationalistischen Exzesse sind keine Ausrutscher. Sie | |
| haben System. | |
| Die Diskussion darüber ist nicht abstrakt, sondern von unmittelbarer | |
| politischer Relevanz. Einer Regierung Völkermord vorzuwerfen heißt: Diese | |
| Regierung hat ihre Legitimität verwirkt. Völkermordtätern schüttelt man | |
| nicht die Hand. Sie sind keine Verhandlungspartner. | |
| Bestenfalls gehören sie vor Gericht – und für ihre direkten Opfer und deren | |
| Nachfahren ist es legitim, sie weltweit zu jagen, wie man in Kigali und | |
| Jerusalem weiß und praktiziert. Wenn Putin ein Völkermordtäter ist, haben | |
| die russischen Soldaten in Butscha nicht nur Ukrainer getötet. Sie haben | |
| auch ihrer eigenen Regierung das Grab geschaufelt. | |
| 3 Apr 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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