# taz.de -- Studie über Trennungspolitik: Kinderfeindliche Justiz | |
> Eine Studie kritisiert die Praxis der Gerichte und Jugendämter. | |
> Ideologische Doktrin führe dazu, dass Kinder ihren Müttern weggenommen | |
> werden. | |
Bild: Gerichtsverfahren belasten vor allem die betroffenen Kinder | |
HAMBURG taz | Ideologische Vorstellungen unter Richtern, Anwälten und | |
Jugendämtern würden dazu führen, dass man Kinder zu Unrecht von ihren | |
Müttern trennt. Davor warnt der Soziologe Wolfgang Hammer in der Studie | |
„[1][Familienrecht in Deutschland]“, die auf über 1.000 Fällen basiert. D… | |
Hamburger Forscher kritisiert zudem zu lange und belastende | |
Gerichtsverfahren. Beides schade den betroffenen Kindern. | |
Die Studie wirft einen Blick auf die Rechtsprechung der vergangenen 20 | |
Jahre, innerhalb derer das „Kindschaftsrecht“ reformiert und unter anderem | |
das gemeinsame Sorgerecht von Mutter und Vater als Regelfall festgelegt | |
wurde. Faktisch stieg die Zahl der Sorgestreite stark an, in Ostdeutschland | |
seit 2010 sogar um über 50 Prozent. Etliche der Fälle gelten als | |
„hochkonflikthaft“. | |
An Hammer wandten sich seit 2013 [2][mehr und mehr alleinerziehende | |
Mütter], die ad hoc von ihren Kindern getrennt wurden. In 90 Prozent der | |
692 von ihm überprüften Fälle wurden aufgrund „mangelnder | |
Erziehungsfähigkeit“ veranlasste Inobhutnahmen mit einer „zu engen | |
Mutter-Kind-Bindung“ begründet. Das sei aber kein Grund für eine | |
Kindeswegnahme, sagt Hammer, der selber früher leitend in einer Behörde | |
tätig war und die Studie mit zwei Wissenschaftlerinnen schrieb. | |
## Besonders alleinerziehenden Mütter seien gefährdet | |
Das Team analysierte zudem 90 Verfahren, die von 1998 bis 2021 vor dem | |
Bundesverfassungsgericht entschieden wurden. Dort zeige sich, wie die | |
Lebensmodelle von Kindern, die gesund und in Kita oder Schule gut | |
integriert waren, durch richterliche Anordnung von „Inobhutnahmen, | |
Umplatzierungen und Wechselmodellen aller Art“ aufgelöst wurden. In der | |
Folge würden die Kinder häufig auffällig und entwickelten Störungen. | |
Alleinerziehende Mütter, so Hammers Fazit, wären im Umgang mit dem | |
Jugendamt „erheblichen Risiken“ ausgesetzt. Auch das Umfeld der | |
Familiengerichte sei durch „Lobbyorganisationen“ beeinflusst. Deren | |
Narrative hätten sich, obwohl wissenschaftlich nicht haltbar, zu einer | |
„Doktrin“ in Aus- und Fortbildung entwickelt. So werde gestreut, dass | |
Mütter ihre Kinder von Vätern „entfremden“, sie nur Kinder und Geld wollt… | |
und sogar Gewalt und Missbrauch erfänden. Zudem werde verbreitet, einzig | |
eine „50:50-Aufteilung“ der Betreuungszeit lasse Kinder gesund aufwachsen. | |
Hier werde der Anspruch der Gleichberechtigung missbraucht und die | |
Besonderheit der Mutter-Kind-Beziehung marginalisiert. | |
## Wechselmodell berge Gefahren | |
Doch ein von Richtern angeordnetes Wechselmodell bedeute für ein Kind | |
„Entwurzelung“ und könne zum Martyrium werden. Leider habe sich eine | |
„quantitative Elterngerechtigkeit“ zum Maßstab für das Kindeswohl | |
entwickelt. Dabei sei ein Kind kein „teilbares Objekt“. Fifty-fifty-Modelle | |
funktionierten nur freiwillig. | |
Zu „Umplatzierungen“ der Kinder komme es sogar in Fällen mit gewalttätigen | |
Vätern. Selbst in Fällen mit Pädophiliehintergrund werde vom | |
„Elternkonflikt“ gesprochen. Es sollen sogar in 38 Fällen Jugendamt und | |
Familiengericht vertreten haben, dass Väter Verantwortungsbewusstsein | |
zeigten, da sie nur ihre Frauen schlugen, nicht aber ihre Kinder. | |
Es hätten sich Subsysteme bei Gericht gebildet. Dort entscheide nicht das | |
Gesetz, sondern die Auswahl von Richtern, Gutachtern und Beiständen über | |
das weitere Leben der Kinder. Denn auch die Aus- und Fortbildung sei | |
einseitig, laut in der Studie zitierten Materialien werden Mütter etwa als | |
„Kinderbesitzerinnen“ mit „Verfügungsgewalt“ bezeichnet, Eltern als | |
„entgleist“ und „nicht geschäftsfähig“ entwürdigt. | |
Die Studie wird vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) und | |
der Mütterinitiative Alleinerziehender (MIA) unterstützt. Die Publikation | |
fördert die Stiftung „Alltagsheld:innen“. Sie sei ein „gut belegter | |
parteilicher Aufschrei“, sagt [3][Kinderpsychiater Jörg Fegert von der Uni | |
Ulm], dem die Studie vorab vorlag. In Deutschland würden seit Jahren | |
empirisch nicht abgesicherte Konstrukte wie das | |
Parental-Alienation-Syndrom in tendenziösen Gutachten und | |
Gerichtsentscheidungen eingesetzt. | |
Die VAMV-Vorsitzende Daniela Jaspers fordert eine Enquete-Kommission im | |
Bundestag, um aufzuklären, was schiefläuft. Nötig sei zudem zertifizierte | |
Fortbildung, um Neutralität zu sichern. Die MIA-Vorsitzende Sybille Möller | |
ergänzt, die Kinder gefährdende Dynamik beginne bereits „mit der Beratung | |
in Jugendämtern“. Da die Ampel plant, diese Beratung einheitlich auf das | |
Wechselmodell auszurichten, fürchtet sie eine „weitere Verschärfung“. | |
4 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.familienrecht-in-deutschland.de | |
[2] /Fragwuerdige-Inobhutnahmen/!5636682 | |
[3] /Isolation-wegen-Schulschliessungen/!5673405 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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