# taz.de -- Juristin über Macht am Familiengericht: „Frauen trauen sich nich… | |
> Müttern wird gedroht: Kooperieren sie nicht, sieht es für die elterliche | |
> Sorge schlecht aus. Sabine Heinke über Macht und Kontrolle am | |
> Familiengericht. | |
Bild: Das Gewalt-Problem ist allgegenwärtig: Demo am Tag für die Beseitigung … | |
taz: Frau Heinke, worum geht es am Freitag auf der Tagung „[1][Macht und | |
Kontrolle] im familiengerichtlichen Verfahren“? | |
Sabine Heinke: Es geht darum, wer seine Realitätswahrnehmung vor dem | |
Familiengericht durchsetzen kann. | |
taz: Sie haben mit Ihrer Kollegin Katrin Bülthoff in einem Artikel vom | |
Verschwinden häuslicher Gewalt in familiengerichtlichen Verfahren | |
geschrieben. Wer kann vor Gericht seine Wahrnehmung durchsetzen? | |
Heinke: Gewalt wird häufig als etwas Mechanisches begriffen. Die | |
systemische Wirkung von Gewalt, wie sie in der [2][Istanbul-Konvention] zum | |
Schutz vor Gewalt aufgeführt wird, also auch die psychische und die | |
wirtschaftliche Gewalt, wird nicht gesehen. Da heißt es dann: „Na, Sie | |
leben ja jetzt getrennt, jetzt brauchen Sie nichts mehr zu befürchten.“ | |
Dann muss man die Aufmerksamkeit des Gerichts darauf lenken, dass die | |
Gewalt fortdauert. | |
taz: Und das gelingt nicht? | |
Heinke: Die Frage ist, wie versteht man was? Da wehrt sich eine Mutter | |
gegen das Umgangsrecht und sagt: „Der Mann will das Kind nur sehen, weil er | |
mich kontrollieren will.“ Was sagt eine Kollegin? Sie könne so was nicht | |
mehr lesen. So attraktiv seien diese Frauen ja alle nicht. Dass ein Mann | |
den Kontakt zum Kind nutzt, um die Mutter unter Kontrolle zu behalten, | |
wollen viele nicht glauben. | |
taz: Was meinen Sie mit mechanisch? | |
Heinke: Hauen ist mechanisch. Und das Verständnis ist: Bin ich nicht mehr | |
da, kann mich keiner hauen. Aber dieses Kleinmachen und Abwerten ist etwas, | |
was sich fortsetzt, auch über Umgang. Wenn Kinder den Vater besuchen und | |
der sagt: „Eure Mutter, die alte Schlampe, was macht die eigentlich?“ | |
taz: Ist [3][Zwang zum Umgang] ein Problem? | |
Heinke: Eines der Hauptprobleme. Im Gesetz steht: „Umgang dient in der | |
Regel dem Kindeswohl“. Viele Gerichte machen daraus ein „immer“. Da muss | |
die Frau die Ausnahme beweisen. Und das ist schwierig. Es ist ja nun mal | |
der Vater der Kinder. Und dann kommt noch: „Sie haben sich den ja | |
ausgesucht“. | |
taz: Schadet fehlender Vater-Kontakt? | |
Heinke: Es gibt [4][keine Forschung, die das belegt]. Ob der Umgang positiv | |
oder negativ ist, hat sehr viel damit zu tun, wie die Familienverhältnisse | |
vor der Trennung waren. Es ist gut, wenn Kinder mit beiden Eltern | |
aufwachsen. Aber sind die Eltern getrennt, ist die Frage, was die Kinder | |
dann brauchen? Da ist zum Beispiel eine vernünftige materielle Basis | |
wichtig. | |
taz: Wir berichteten über Kinder, die [5][ins Heim kamen], weil Umgang | |
nicht klappte. Gibt es noch solche Entscheidungen? | |
Heinke: Der Punkt ist, wir haben fast keine Entscheidungen. Die Verfahren | |
enden häufig mit Vereinbarungen. Den Müttern wird gedroht, kooperieren sie | |
nicht, sieht es für die elterliche Sorge schlecht aus. Und so stimmen sie | |
Umgang zu, um ihr Kind nicht zu verlieren. | |
taz: Es heißt, [6][Mütter manipulieren] Kinder? | |
Heinke: Das schafft man nicht. Und als Alleinerziehende hat man anderes zu | |
tun, als sein Kind [7][auf irgendwas zu trainieren]. Der Vater muss ja gar | |
nicht so super gewesen sein. Aber das spielt bei Gericht keine Rolle. Es | |
fragt keiner, was so ein Gewalttäter für eine Erziehungskompetenz hat. | |
Leider gibt es diese Entfremdungstheorie heute noch in Handbüchern. Und | |
auch eine Relativierung der häuslichen Gewalt. Motto: Frau provoziert, Mann | |
kann nicht anders. | |
taz: Was müsste passieren? | |
Heinke: Wenn ich das wüsste. Die Frauen trauen sich nicht mal mehr, über | |
[8][Gewalt zu berichten], denn dann würden sie ja den Vater der Kinder vor | |
Gericht schlecht machen. Auch ihre Anwälte sagen, das geht nach hinten los. | |
Ich denke, ein Richter muss den Sachverhalt von Amts wegen aufklären. Das | |
tun die Kollegen nicht. Oft leiten sie die Verfahren an einen | |
psychologischen Sachverständigen weiter. Die sollen sagen, wie es für die | |
Familie weitergeht. Sagt die Mutter, der Vater haut mich, und der Vater | |
sagt, das tue ich nicht, dann weiß der Sachverständige nicht, was Sache | |
ist. Und dann lässt er das weg. Der Richter könnte aber sagen: Du, | |
Sachverständiger, geh bitte davon aus, dass der Mann die Frau geprügelt | |
hat. Ich bin als Gericht nach der Anhörung und nach meinen Ermittlungen | |
davon überzeugt. Aber das machen die Richter nicht. | |
5 Mar 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Frauenfeindlichkeit/!6047112 | |
[2] /Istanbul-Konvention/!t5574951 | |
[3] /Muetter--und-kinderfeindliche-Gerichte/!6047126 | |
[4] /Entscheidungspraxis-im-Familienrecht/!5919662 | |
[5] /Fragwuerdige-Inobhutnahmen/!5636682 | |
[6] /Doku-ueber-Eltern/!5963312 | |
[7] /Muettervertreterin-ueber-ARD-Drama/!5659752 | |
[8] /Mutter-ueber-Sorgerechtsprozesse/!5889961 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Familie | |
Justiz | |
Trennung | |
Familienrecht | |
Bad Segeberg | |
Tagung | |
häusliche Gewalt | |
Gewalt gegen Frauen | |
Social-Auswahl | |
Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen | |
Familie | |
Familie | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauenfeindlichkeit: Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich | |
Mitarbeitende von Gerichten und Jugendämtern hegen Vorurteile gegen Mütter. | |
Dies schwächt den Schutz der Kinder, wie eine neue Studie zeigt. | |
Entscheidungspraxis im Familienrecht: Mutter-Kind-Bindung wird zerstört | |
Obwohl das „PAS-Sydrom“ lange als widerlegt gilt, hält sich die Idee, dass | |
Mütter ihr Kind manipulieren. Das richte Schaden an, warnen ForscherInnen. | |
Studie über Trennungspolitik: Kinderfeindliche Justiz | |
Eine Studie kritisiert die Praxis der Gerichte und Jugendämter. | |
Ideologische Doktrin führe dazu, dass Kinder ihren Müttern weggenommen | |
werden. |