# taz.de -- NDR verbaselt Gesichter-Verpixelung: TV-Bericht wird teuer für Mut… | |
> Der NDR hat ein Video ausgestrahlt, das unverpixelte | |
> Jugendamtsmitarbeiter zeigt, die den Sohn von Frau A. abholen. Nun soll | |
> Frau A. Strafe zahlen. | |
Bild: MDR-Screenshot. Der NDR zeigte die Aufnahmen unverpixelt. Das wurde teuer… | |
HAMBURG taz | Das Amtsgericht Wismar hat eine Mutter zu einer Geldstrafe | |
von 2.000 Euro verurteilt, weil sie Videoaufnahmen aus ihrem eigenen Haus | |
an den NDR übermittelt haben soll. Im Mai 2022 hatte das NDR-„Nordmagazin“ | |
diese Aufnahmen, die zeigen, wie der Sohn von Frau A. im Juni 2021 vom | |
Jugendamt abgeholt wird, unverpixelt in einem Beitrag gezeigt. Woraufhin | |
eine Jugendamtsmitarbeiterin dagegen klagte, dass sie zu sehen war. | |
Das Urteil sorgte für Empörung in Mütter-Foren. Es sei überhaupt nicht | |
bewiesen, dass Frau A. die Bilder dem Sender gegeben habe. „Der Prozess | |
hatte es in sich“, sagt die Mutter Andrea Kuwalewsky, die Frau A. als | |
ehrenamtliche Beiständin begleitet. „Wenn das Schule macht, traut sich bald | |
keine Frau mehr an die Öffentlichkeit.“ | |
Erst in der vergangenen Woche hatte [1][die taz von einem ähnlichen Fall | |
berichtet]. Frau W. wurde zu 2.500 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise | |
Ordnungshaft, verurteilt. Auch in ihrem Fall ging es in einem | |
Fernsehbeitrag um Mütter, die von ihren Kindern getrennt werden. Das | |
Landgericht hatte Frau W. aus dem „Off“ gesprochene Aussagen in dem | |
NDR-Beitrag zugeordnet. | |
Auch im Fall von Frau W. wurde nicht der Sender, sondern die Mutter | |
juristisch angegriffen. Allerdings erklärte sich der [2][NDR] nach | |
Erscheinen des Artikels bereit, die Geldsumme zu zahlen, sodass die | |
finanziell klamme Frau doch nicht in Haft musste. | |
Im Wismarer Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Wir haben | |
Berufung eingelegt“, sagt Anwalt Dominic Vogg, der Frau A. vertritt. Dass | |
in dem Haus Videokameras existierten, darauf habe ein Warnschild am Eingang | |
aufmerksam gemacht, so seien die Aufnahmen legal entstanden. Doch wie die | |
Aufnahmen in die Hände des NDR kamen, sei nicht geklärt. „Wir wissen nicht, | |
wer das gemacht hat“, sagt Vogg. Sein Beweisantrag, doch bitte den NDR dazu | |
zu hören, sei vom Amtsgericht abgelehnt worden. Die Begründung: Der Sender | |
könnte sich ja auf den Quellenschutz berufen. | |
## NDR spricht von einem Versehen | |
Verdeckt entstandene Aufnahmen werden von Medien gepixelt, um zu vermeiden, | |
dass die dort gezeigten Personen einen Verstoß gegen das Recht am eigenen | |
Bild gemäß dem [3][Kunsturhebergesetz] reklamieren. So haben auch andere | |
Sender, die [4][wie der Mitteldeutsche Rundfunk] (MDR) die Aufnahmen aus | |
dem Haus von Frau A. zeigten, die Gesichter der Akteure unkenntlich | |
gemacht. Diese Bilder sind heute noch online verfügbar, der Bericht des NDR | |
ist hingegen nicht mehr in der Mediathek zu finden. | |
Der Verzicht auf die Verpixelung sei „Aufgrund einer Personenverwechslung | |
in der Redaktion“ passiert, sagt NDR-Sprecherin Iris Bents. „Wegen dieses | |
Versehens wurde der Beitrag umgehend offline gestellt.“ Der Rechtsvertreter | |
der Mutter habe sich mit der Bitte um Unterstützung an den NDR gewandt. | |
„Der NDR wird mit dem Anwalt in Kontakt treten“, sagt Bents. | |
Frau A. sagt, sie habe den Eindruck, dass ein Keil zwischen sie und die | |
Presse getrieben werden solle. Ihr Sohn wurde nach der Herausnahme für | |
mehrere Monate in ein Heim gegeben und danach zum Vater. Ihr Anwalt sagt, | |
die Herausnahme sei nicht rechtmäßig gewesen, weil der dazugehörige | |
Beschluss schon seine Rechtskraft verloren gehabt habe. Ohnehin hätte | |
dieser nur den Gerichtsvollzieher berechtigt, die Wohnung zu betreten, | |
unter zu Hilfenahme von Polizisten. Das Jugendamt hätte nicht mit ins Haus | |
gedurft und somit Hausfriedensbruch begangen. | |
Wegen diesem und weiterer Delikte hatten Vogg und seine Mandantin im Juni | |
2022 Strafanzeige gestellt. Der Strafbefehl gegen die Mutter wegen der | |
unverpixelten Aufnahmen könnte eine Reaktion darauf sein, sagt Vogg. „Ich | |
vermute, dass der Staat seine Beamten und Angestellten schützen will.“ | |
Konkret zur Last gelegt wurde der Frau in dem Strafbefehl des Amtsgerichts, | |
entgegen der Vorschriften des Kunsturhebergesetzes ein Bildnis verbreitet | |
zu haben. Allerdings kommt ihr Anwalt zu dem Schluss, dass, selbst wenn | |
seine Mandantin das Material der Presse gegeben hätte, das Urteil nicht | |
haltbar wäre. | |
## Nun entscheidet das Landgericht Schwerin | |
„Die Weitergabe von Bildnissen ist zwischen Personen, wo ein | |
Vertrauensverhältnis besteht, nicht strafbar“, sagt er. Zwischen einem | |
Journalisten und seinem Informanten bestehe ein solches Verhältnis, | |
„wenigstens dann, wenn dieser Journalist Materialien von seinem Informanten | |
erhält“. Das ist die juristische Einschätzung von Rechtsanwalt Vogg. Der | |
Fall wird in der nächsten Instanz vor dem Landgericht Schwerin entschieden | |
werden. | |
Die beiden bisherigen Urteile in Folge sorgen jedenfalls schon für Unruhe | |
in Mütterkreisen. „Dass auf Basis von Vermutungen Personen verurteilt | |
werden, halten wir für fragwürdig und gefährlich“, sagt [5][Stefanie | |
Ponikau], die stellvertretende Vorsitzende der Mütterinitiative | |
Alleinerziehende, die für rund 2.000 Mütter spricht. Wenn Protagonistinnen, | |
die sich an Medien wenden, um über Missstände zu berichten, strafrechtlich | |
eingeschüchtert und „gesilenced“ würden, werde „die Pressefreiheit | |
bedroht“. | |
Frau A.s Beiständin Andrea Kuwalewsky sagt, sie habe den Eindruck, dass | |
hier auch die Presse eingeschüchtert werden solle, damit sie „von solchen | |
Fällen die Finger lässt“. | |
22 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-Doku-ueber-Sorgerecht/!5940478 | |
[2] /NDR/!t5015042 | |
[3] /Beschluss-des-Landgerichts-Kassel/!5631059 | |
[4] https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/panorama/sorgerecht-streit-geset… | |
[5] /Aktivistin-ueber-Gewalt-gegen-Frauen/!5813900 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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