# taz.de -- Aktivismus in Berlin: Nicht alles über den Haufen werfen | |
> Putins Angriff zwingt uns, einige linke Positionen zu überdenken. NATO, | |
> Militarismus und Nationalstaaten muss man dabei trotzdem nicht toll | |
> finden. | |
Bild: Die Ursache für die Konflikte in der Welt liegt sicherlich nicht in eine… | |
Es scheint, als würde die berechnende Grausamkeit, mit der Putin seinen | |
Angriffskrieg auf die Menschen in der Ukraine vorantreibt, viele linke | |
Grundsätze in Frage stellen. Pazifismus erscheint dieser Tage als naive – | |
wenn nicht sogar gefährliche – Traumvorstellung. Stattdessen wird das | |
Verteidigungsbündnis NATO, lange selbst kritisiert für atomares Wettrüsten | |
und interventionistische Angriffskriege, nun zur Notwendigkeit, um unsere | |
westliche Freiheit gegen autoritäre Aggressoren zu verteidigen. | |
Auch wenn Putins Krieg zweifellos [1][ein Umdenken erfordert], sollten wir | |
uns davor hüten, in den Chor jener einzustimmen, die wieder anfangen, die | |
Welt in gute und böse Staaten einzuteilen und in beispielloser | |
militärischer Aufrüstung ein Mittel zum Frieden zu sehen. Stattdessen gilt | |
es, linke Antworten auf den Krieg zu suchen, praktische Solidarität für | |
[2][die Menschen in der Ukraine] und der [3][Opposition in Russland] zu | |
leisten und dabei nicht die gesellschaftlichen Kämpfe im eigenen Land aus | |
dem Auge zu verlieren. | |
So ist Polizeigewalt nicht nur ein Problem in Russland, wo Oppositionelle | |
mittlerweile für das Hochhalten eines leeren Blattes verhaftet werden, | |
sondern auch in Europa, wenn auch in weniger extremer Form. Anlässlich | |
[4][des internationalen Tages gegen Polizeigewalt] veranstaltet die | |
[5][Initiative Wrangelkiez United] eine Kundgebung im Görlitzer Park. Der | |
Ort wurde gewählt, weil BIPOC-Personen auf der Kreuzberger Grünfläche | |
besonders oft von Racial Profiling und rassistischer Polizeigewalt | |
betroffen sind, weil sie allein aufgrund ihrer Hautfarbe verdächtigt | |
werden, mit Drogen zu handeln (Dienstag, 15. März, Görlitzer Park vor Haus | |
3, 16–18 Uhr). | |
Die Polizei ist auch maßgeblich an der Durchsetzung [6][Europas | |
menschenfeindlichen und bisweilen tödlichen Migrationsregimes beteiligt.] | |
Auch wenn sich Europa erfreulich offen gegenüber fliehenden | |
Ukrainer*innen zeigt, sterben immer noch Menschen an Europas | |
Außengrenzen, die aus anderen Regionen fliehen. Aber auch BIPOC-Personen, | |
die aus der Ukraine fliehen, wird oft die Flucht erschwert und sie haben | |
schlechtere Chancen auf politisches Asyl. Eine gerechte Gleichbehandlung | |
fordert [7][die Demo „No Wars on Refugees“] (Samstag, 19. März, Europäisc… | |
Kommission, Unter den Linden 63-67, 14:30 Uhr). | |
## Für einen solidarischen Normalzustand | |
Einen kritischen Blick auf das Freiheitsverständnis einiger NATO-Partner | |
wirft die Demonstration zum [8][internationalen Tag der politischen | |
Gefangenen] am Freitag. So sind in der Türkei zahlreiche Kurd*innen | |
inhaftiert, weil Putins Bruder im Geiste Erdoğan in ihrem Bestreben nach | |
Unabhängigkeit eine Gefahr für seine völkisch-nationalistischen | |
Großmachtambitionen sieht. Doch selbst in Deutschland gibt es immer wieder | |
politisch motivierte Verfahren und Inhaftierungen von linken | |
Aktivist*innen (Freitag, 18. März, Rathaus Neukölln, 18 Uhr). | |
Würde dem Leben von Menschen in anderen Teilen der Welt eine etwas höhere | |
Bedeutung beigemessen, so wäre es vielleicht gar nicht zum Angriff auf die | |
Ukraine gekommen. 2015 griff Putin in den Krieg in Syrien ein, um den | |
Diktator Bashar al-Assad zu stützen. Russland bombte Assad an die Macht | |
zurück – ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die westliche | |
Wertegemeinschaft ließ Putin und Assad damals alles durchgehen: Angriffe | |
auf Krankenhäuser, Bombardierungen von Wohnvierteln und sogar Giftgas. | |
Harte Sanktionen wären schon damals das Mindeste gewesen. Passiert ist aber | |
nichts. Am Samstag gibt es eine [9][Demo anlässlich des elften Jahrestages | |
der syrischen Revolution] (Samstag, 19. März, Neptunbrunnen, 13 Uhr). | |
Nicht aus dem Auge verloren werden sollte auch die Coronapandemie. | |
Offensichtlich will sich das Virus nicht an das angekündigte Ende halten. | |
Die Fallzahlen sind so hoch wie nie zuvor, trotzdem sollen viele Maßnahmen | |
aufgehoben werden. Von der vielbeschworenen gesellschaftlichen Solidarität | |
ist wenig übrig. Stattdessen hat sich die neoliberale Krise im | |
Gesundheitssystem verschärft, vulnerable Gruppen werden weitgehend sich | |
selbst überlassen. Für einen solidarischeren Normalzustand gibt es deswegen | |
am Sonntag eine Demo unter dem Motto: [10][„Freiheit geht nur solidarisch! | |
Gesundheit ist Klassenfrage! Die Normalität ist die Krise! Gemeinsam gegen | |
neoliberale Krisenverwaltung.“] (Sonntag, 20. März, Mehringplatz, 14 Uhr). | |
15 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-und-der-Ukrainekrieg/!5834130 | |
[2] https://www.paypal.com/donate/?hosted_button_id=Q2K9RMBVVJMN4 | |
[3] https://wiki.avtonom.org/en/index.php/Donate | |
[4] https://www.15mrz.org/ | |
[5] https://wrangelkiezunited.noblogs.org/category/general/ | |
[6] /Westeuropa-und-seine-Grenzen/!5836813 | |
[7] https://antifa-nordost.org/12725/demo-kundgebung-no-war-on-refugees/ | |
[8] http://political-prisoners.net/internationaler-tag-der-politischen-gefangen… | |
[9] https://stayhappening.com/e/jahrestag-der-syrische-revolution-E2ISU6EPB6N | |
[10] https://kontrapolis.info/6517/ | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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