# taz.de -- G7 wollen Getreidepreise abbremsen: Gegen Exportverbote für Weizen | |
> Der Ukraine-Konflikt sorgt für Engpässe bei Getreide. Deshalb wollen die | |
> G7 Ausfuhrbeschränkungen verhindern. Krieg erhöht Zahl Hungernder | |
> weltweit. | |
Bild: Die Ukraine gilt als eine der Kornkammern der Welt: Winterweizenfeld im D… | |
BERLIN taz | Die LandwirtschaftsministerInnen der G7-Staaten haben sich | |
gegen [1][Exportbeschränkungen für Getreide und andere Agrarprodukte] wegen | |
des Kriegs in der Ukraine ausgesprochen. Ausfuhrverbote würden die Preise | |
noch weiter steigen lassen, erklärte der deutsche Ressortchef Cem Özdemir | |
nach einer Sondersitzung am Freitag. „Zudem sollen Hilfsorganisationen | |
dabei unterstützt werden, weiterhin Getreide beschaffen und verteilen zu | |
können“, sagte der Grünen-Politiker. Er hatte die Videokonferenz der | |
G7-Staaten Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien, Japan, USA und | |
Großbritannien einberufen. | |
Die Maßnahmen sollen einer Knappheit durch den Krieg in der Ukraine | |
entgegenwirken. Russland erzeugt dem Bundesagrarministerium zufolge 10 | |
Prozent und die Ukraine 4 Prozent des Weizens weltweit. Beide Länder | |
gehören zu den wichtigsten Exporteuren. Ihr Anteil an den globalen | |
Ausfuhren beträgt 17 Prozent (Russland) und 12 Prozent (Ukraine). Die | |
ukrainischen Exporte sind Medienberichten zufolge bereits beinahe zum | |
Erliegen gekommen, da Handelswege gekappt und Infrastruktur zerstört worden | |
sind. Der Handel mit Russland wird erschwert durch die Sanktionen gegen das | |
Land infolge des Angriffs auf die Ukraine. | |
Um die Produktion hierzulande zu erhöhen, dürfen die deutschen Bauern 2022 | |
Özdemir zufolge ausnahmsweise die Pflanzen von bestimmten „ökologischen | |
Vorrangflächen“ verfüttern. Was dort wächst, wird normalerweise | |
untergepflügt, um den Boden zu verbessern. Jetzt gibt das Ministerium den | |
Aufwuchs auf 1,06 Millionen Hektar Zwischenfrüchteflächen und 0,17 | |
Millionen Hektar Brache frei. Das entspricht etwa 7 Prozent des Agrarlands | |
in Deutschland. Zudem will sich Özdemir dafür einsetzen, dass die EU | |
Ökobauern ausnahmsweise gestattet, auch konventionelles Futter zu | |
verwenden. Denn bisher hat die Ukraine einen Großteil der proteinhaltigen | |
ökologischen Futterkomponenten wie Sonnenblumen und Sojabohnen geliefert. | |
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) [2][rechnete | |
in einer Simulation vor], dass die Zahl von unterernährten Menschen | |
weltweit 2022/23 um 8 bis 13 Millionen steigen wird, wenn der Konflikt in | |
der Ukraine noch Monate andauert. Betroffen davon seien dann vor allem der | |
asiatisch-pazifische Raum, Länder südlich der Sahara, der Nahe Osten und | |
Nordafrika. Laut FAO beziehen 26 Länder wie [3][Eritrea], Kasachstan oder | |
Somalia mindestens die Hälfte ihres Weizens aus der Ukraine und Russland. | |
## Getreidepreise bereits auf Rekordständen | |
Wegen des Konflikts sind die Getreidepreise bereits auf Rekordstände | |
gestiegen. Zu höheren Lebensmittelpreisen trägt auch bei, dass Energie | |
infolge des Kriegs teurer geworden ist. Denn für die Produktion von | |
Kunstdünger wird Erdgas benötigt, die Traktoren brauchen Diesel. Weil | |
Deutschland und die EU mehr Weizen produzieren, als sie selbst verbrauchen, | |
ist die Versorgung dort gesichert. Die ohnehin schon stark gestiegenen | |
Lebensmittelpreise dürften jedoch weiter zulegen. Auch Fleisch und Milch | |
könnten teurer werden, weil das Futter mehr kostet. | |
Die Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Produkte in Deutschland stiegen | |
im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 21,1 Prozent, wie das | |
Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Die Verbraucher mussten | |
demnach für Lebensmittel im Februar durchschnittlich 5,3 Prozent mehr als | |
vor einem Jahr zahlen. | |
Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund oder [4][Greenpeace] | |
forderten, im Kampf gegen eine drohende Hungerkrise die Fläche für den | |
Anbau von Biokraftstoffen zu reduzieren: „Allein in Deutschland könnten | |
hierdurch 800.000 Hektar freigemacht werden.“ Das entspricht knapp 5 | |
Prozent der Agrarfläche, auf denen bisher zum Beispiel Weizen, Roggen oder | |
Zuckerrüben für Bioethanol wachsen. Außerdem verlangten die Verbände, | |
weniger Getreide zu verfüttern. Bisher landeten 60 Prozent der deutschen | |
Produktion im Trog. Das World Food Programme müsse mehr Geld bekommen. | |
Die Organisationen lehnten es aber ab, auf Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen | |
in der Landwirtschaft zu verzichten, um die Ernten zu vergrößern. Dabei | |
geht es vor allem darum, dass ab 2023 mindestens 4 Prozent der Ackerflächen | |
brachliegen oder von Bäumen, Hecken oder Tümpeln besetzt sein müssen, wenn | |
die Landwirte EU-Agrarsubventionen erhalten wollen. Würden die Behörden | |
diese Bedingung streichen, „kann hiermit nur wenig Produktionsfläche | |
aktiviert werden“, argumentieren die Umweltschützer. | |
## Mehr Hilfen für Entwicklungsländer | |
Denn schon jetzt liegt der Anteil bei etwa 2 Prozent. Solche Flächen seien | |
meist auch nicht so produktiv. Für den Schutz vor Erosion sowie als Wasser- | |
und Kohlenstoffspeicher etwa seien nicht produktive Flächen aber sehr | |
wichtig. Ohne Klima- und Artenschutz „sind unsere Ernten langfristig massiv | |
gefährdet“, so die Verbände. | |
Germanwatch forderte mehr Hilfen für Entwicklungsländer, ihre eigene | |
Erzeugung mit ökologisch angepassten, nicht auf teurem Dünger und | |
Pestiziden basierenden Methoden zu steigern. | |
Die unionsgeführten Agrarministerien der Länder dagegen verlangten, | |
vorübergehend keine Flächen für den Naturschutz zu reservieren. | |
„Ökologische Aspekte sind wichtig, sie müssen aber jetzt für die nötige | |
Zeit ein Stück zurücktreten“, erklärten die Ressortchefs aus Bayern, | |
Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. | |
Auch die FDP hatte sich so geäußert. | |
Der Bauernverband stellte die „Green Deal“-Klimaschutzstrategie der | |
EU-Kommission und deren Landwirtschaftsumsetzung in der „Farm to | |
Fork“-Strategie infrage. Die Papiere fordern zum Beispiel, dass 2030 25 | |
Prozent der EU-Agrarfläche bio sind. Der Pestizideinsatz soll im Vergleich | |
zum Durchschnitt der Jahre von 2015 bis 2017 um 50 Prozent sinken. Beide | |
Ziele könnten die Erträge senken. | |
11 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Folgen-des-Ukraine-Kriegs/!5836788 | |
[2] https://www.fao.org/fileadmin/user_upload/faoweb/2022/Info-Note-Ukraine-Rus… | |
[3] /Folgen-des-Ukrainekriegs-in-Ostafrika/!5839961 | |
[4] https://presseportal.greenpeace.de/211912-kommentar-zum-g7-treffen-der-land… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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