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# taz.de -- Jobs für die Generation Friday: Irgendwas mit Klimaschutz
> Eine Beschäftigung mit Sinn wünschen sich viele. Rund ums Klima gibt es
> derzeit jede Menge neue Arbeitsplätze, ja sogar einen Fachkräftemangel.
Bild: Ganz schön weit oben: Industriekletterer im Windpark Hohenselchow in Bra…
Berlin taz | Von Familie und Freund:innen bekommt Jakob Pförtner oft zu
hören, er werfe seine Zukunft weg. Der 20-jährige Klimaaktivist hat die
Schule abgebrochen, die Abiturprüfung einfach verlassen, ohne sie
abzulegen. Der Grund: die Klimakrise. So berichtet er es selbst. „Wie soll
ich meine Zukunft wegwerfen, wenn die Regierung diese mit ihrem fossilen
Weiter-so sowieso ruiniert?“, meint Pförtner zu den Sorgen und Vorwürfen in
seinem Umfeld.
Jetzt will er sich in den Aktivismus stürzen. Er engagiert sich beim
[1][Aufstand der Letzten Generation], einer Gruppe mit knapp 100
Mitgliedern, die zuletzt durch Straßenblockaden Schlagzeilen gemacht hat.
„Es ist meine moralische Pflicht, gewaltfrei Widerstand zu leisten, um die
Bundesregierung von ihrem todbringenden Kurs abzulenken“, findet Pförtner.
Auch die Lehrer:innen, die die Abiturprüfung abnehmen sollten, habe er dazu
aufgefordert.
Pförtner ist seiner Mitstreiterin Lina Eichler gefolgt, die auch beim
„Aufstand“ aktiv ist. Die 19-Jährige hätte ebenfalls dieses Jahr ihr Abit…
machen sollen, gibt aber an, die Schule im Januar abgebrochen zu haben.
„Wir haben nur noch wenige Jahre – wenn nicht Monate, um das Ruder
herumzureißen“, sagt sie. „Es ergibt keinen Sinn, auch nur einen Tag weiter
dem normalen Alltag nachzugehen.“
Demonstrativ die Schullaufbahn abbrechen? Das ist nicht für jede:n was.
Die gute Nachricht: Wer selbst dazu beitragen will, dass der ökologische
Umbau unseres Lebens und Wirtschaftens klappt, der kann das eventuell auch
beruflich tun.
## Klimaschutz ein Jobkiller?
Dass Klimaschutz ein Jobkiller sei, ist jedenfalls nur ein Schreckgespenst.
„Gesamtwirtschaftlich gesehen stimmt das nicht“, sagt der
Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung in Nürnberg. Das heißt: Natürlich werden bestimmte Berufe
künftig weniger gebraucht. Die Autoindustrie zum Beispiel wird wohl weniger
Arbeitsplätze bieten können. Die Anzahl der Autos muss schließlich
schrumpfen und die, die noch über die Straße rollen, sollen zunehmend
strombetrieben sein. Um ein E-Auto zusammenzubauen, braucht man im
Vergleich zu den fossil betriebenen Fahrzeugen weniger Leute.
„Man darf natürlich nicht nur darauf gucken, was wegfällt, sondern muss
auch einbeziehen, was hinzukommt“, erklärt Weber. Und das ist den Analysen
seines Instituts nach eine ganze Menge. Gerade erst ist eine Studie
erschienen, die den [2][Effekt des Ampel-Koalitionsvertrags auf den
Arbeitsmarkt] aufzeigt. Ab 2025 werden demnach etwa 400.000 zusätzliche
Erwerbstätige benötigt – unter anderem für den Klimaschutz.
„Die ganze Transformation, die muss ja auch geleistet werden“, sagt Weber.
Ökolandbau braucht zum Beispiel weniger Chemie und mehr Fläche – und damit
ein paar mehr Arbeitskräfte. Selbst das Verkehrswesen, das bei den Autos
Arbeitskräfte verliert, wird Weber zufolge insgesamt mehr brauchen als
bisher. „Momentan ist der Sektor ja stark auf Individualverkehr
ausgerichtet – aber wenn ich in mein Auto einsteige und losfahre, dann
hängt da unmittelbar erst mal überhaupt kein Job dran“, erklärt Weber. „…
sieht beim öffentlichen Verkehr anders aus.“ Neben den Bus- und
Bahnfahrer:innen brauche es auch mehr Personal bei der Steuerung,
Logistik und Organisation des ganzen Verkehrssystems. „Da werden
Arbeitskräfte auf allen Anforderungsniveaus gebraucht, vom Helfer bis zur
hochqualifizierten Verantwortungsträgerin.“
Daneben gibt es noch die klassischen Energiewende-Jobs. Einerseits müssen
(Erneuerbare-) Energie-Unternehmen gestartet und geführt werden. Vor allem
aber: Solaranlagen, Windräder und Wärmepumpen müssen installiert werden,
Häuser saniert.
## Nachwuchs fehlt im Handwerk
„Das könnte sogar eng werden, der Flaschenhals bei der Umsetzung der
Klimapläne sein“, warnt Weber. Sprich: Es gibt einen [3][Fachkräftemangel],
in manchen Branchen schon jetzt.
Vor allem der Nachwuchs im Handwerk fehlt. Der Zentralverband des Deutschen
Handwerks wirbt bereits damit, dass eine Karriere in der Branche beim
Klimaschutz helfen kann. „Millionen Handwerkerinnen und Handwerker sind
bereits jetzt täglich aktive Klimaschützer, wenn sie Solardächer
installieren, Ladesäulen für die E-Mobilität und Windparks bauen, wenn sie
Heizungen austauschen und Häuser energieeffizient sanieren und bauen“, sagt
eine Verbandssprecherin.
Neben Jobs, die unmittelbar mit Klimaschutz zu tun haben, ergrünen auch
andere Berufe. Schließlich muss die gesamte Wirtschaft klimaneutral werden:
Als Anwältin kann man an Klagen gegen klimaschädliche Unternehmen
arbeiten, als Journalist über die Klimakrise berichten, als
Stadtplaner die Städte hitzefest machen, als Programmiererin Apps für
den neuen digital gesteuerten Verkehr entwickeln.
Und dann gibt es noch die NGO-Szene mit ihren Sprecher:innen,
Referent:innen, Fundraiser:innen. Dort kann man Vollzeitaktivist:in
mit Gehaltsabrechnung sein.
Etliche dieser grünen Jobs stehen Jakob Pförtner und Lina Eichler vom
Aufstand der letzten Generation nun erst einmal nicht mehr offen. „Nicht
das fehlende Abitur, sondern die Klimakrise und das Versagen der Regierung
macht mich perspektivlos“, argumentiert Pförtner. Sollte er es sich anders
überlegen, lässt sich eine Schullaufbahn aber auch auf dem Zweiten
Bildungsweg fortsetzen.
## Anlagenmechaniker:in Sanitär/Heizung/Klima
Seit Russlands Präsident Wladimir Putin einen Krieg gegen die Ukraine
führt, ist es das Topthema: Wie werden wir unabhängig von (russischem) Öl
und Gas? Ein wichtiger Teil der Antwort: Die alten Öl- und Gasheizungen
müssen raus aus den Häusern – und dürfen erst recht nicht rein, wenn
ohnehin eine neue Heizung installiert wird. Erneuerbare Alternativen wie
die Wärmepumpe müssen her.
Wer Heizungen einbauen kann, ist also gefragt – das sind
Anlagenmechaniker:innen für Heizungs-, Sanitär und Klimatechnik.
Die Wärmewende, also die Energiewende beim Heizen, steht vor einigen
Hemmnissen. Beispielsweise sind Wärmepumpen teurer als Gaskessel und nicht
für alle Gebäude geeignet. Aber das Handwerk kommt auch beim Einbauen kaum
hinterher, benötigt also dringend Nachwuchs.
Anlagenmechaniker:in ist ein Ausbildungsberuf. Dreieinhalb Jahre
lernt man, wie man Wasserrohre verlegt, Toiletten installiert und Heizungen
einrichtet und wartet. Bohren, schrauben und schweißen sind für die Azubis
bald keine Fremdwörter mehr, genauso wie der Kontakt mit Kund:innen. Wie
man an der aktuellen Lage sieht, ist es mit dem Abschluss aber nicht getan:
Anlagenmechaniker:innen müssen sich auch nach der Ausbildung in
neue Technologien einarbeiten.
Wer seinen eigenen Betrieb starten möchte, muss noch den Meisterbrief
machen. Das erfordert zunächst einige Berufserfahrung und dann einen
mehrjährigen Lehrgang, der mit theoretischen sowie praktischen Prüfungen
abschließt.
Außerdem gibt es Weiterbildungen wie die zur Fachkraft für Solartechnik.
Manche Anlagenmechaniker:innen schließen auch noch ein Studium der
Versorgungstechnik an, sofern sie (Fach-)Abitur oder Meister:in haben.
Also, Zeit zum Einheizen!
## Stadtplaner/in
Mehr als drei Viertel der Deutschen leben in Städten. Wie diese gestaltet
sind, betrifft also viele Menschen. Momentan sind die meisten Kommunen
nicht fit für die Klimakrise, und zwar in vielerlei Hinsicht.
Beispielsweise sind viele Verkehrssysteme stark am Bedarf von Autos
ausgerichtet, was Energiewende und Energiesparen im Verkehrswesen
erschwert. Aber es geht auch um Anpassung: Städte sind von manchen Folgen
der Klimakrise besonders betroffen, zum Beispiel von der Hitze. Die staut
sich besonders in großen Metropolen durch den vielen Beton und Asphalt,
sodass es immer ein paar Grad wärmer ist als im Umland. Das ist
gefährlich. Hitze ist in Deutschland jetzt schon das bei Weitem tödlichste
Extremwetter. Vom Hitzeschlag über Nierenversagen bis zu Thrombosen
begünstigen extrem hohe Temperaturen alle möglichen Krankheiten, die im
schlimmsten Fall zum Tod führen können.
Das gilt es also möglichst zu verhindern – eine der Herausforderungen für
Stadtplaner:innen. Die arbeiten zum Beispiel in Behörden oder auch
selbstständig oder angestellt in Planungsbüros. Wege zum Job gibt es
einige. Manche Hochschulen und Universitäten bieten direkt Studiengänge für
Stadtplanung oder Städtebau, Raum- und Regionalplanung an. Zur Eintragung
in die Stadtplaner:innenlisten der Architektenkammern ist ein Master-
oder Diplomabschluss in solch einem einschlägigen Studiengang nötig – dann
darf man sich offiziell Stadtplaner:in nennen.
Um den Titel zu halten, muss man immer wieder nachweisen, dass man sich
fachgerecht fortbildet. Es gibt aber auch verwandte Disziplinen, die an
Schnittstellen arbeiten. Beispielsweise können sich auch Architekt:innen,
Soziolog:innen und Jurist:innen mit der Entwicklung und Planung von
Städten befassen.
## Nachhaltigkeitsmanager/in
##
Es gibt Branchen, die haben ganz unmittelbar mit der Energiewende und damit
mit Klimaschutz zu tun – aber auch der Rest der Wirtschaft muss
klimaneutral werden. Jedes einzelne Unternehmen muss seine Emissionen
lieber früher als später auf null bringen und nebenbei bemerkt auch andere
Umweltschäden vermeiden. Gleichzeitig soll das im Einklang mit sozialen und
ökonomischen Zielen stehen. Dafür beschäftigen besonders die großen
Unternehmen gern eine eigene Person: die Nachhaltigkeitsmanagerin. Manchmal
gibt es eine ganze Abteilung. Oder es wird ein externes
Beratungsunternehmen mit der Aufgabe betraut.
Wie die Arbeit im Einzelfall aussieht, hängt von der Branche und deren
Herausforderungen ab. Oft sind Nachhaltigkeits-Manager:innen generalistisch
unterwegs, arbeiten von der Produktentwicklung über den Rohstoffeinkauf,
die Finanzbuchhaltung bis zur Öffentlichkeitsarbeit mit allen Abteilungen
zusammen. Ziel ist, dass sowohl Produkte als auch die internen Abläufe
nachhaltig werden.
Ein geschützter Beruf ist der Nachhaltigkeitsmanager nicht. Das heißt: Es
gibt keine Berufskammer, die einen bestimmten (Aus-)Bildungsweg
vorschreibt. In manchen Unternehmen und Behörden wird es eventuell auch
einen Posten mit ähnlichen Aufgaben geben, der ganz anders heißt. Typische
Fachrichtungen für solche Tätigkeiten sind die Energie- und
Verfahrenstechnik, die Umwelt- oder Nachhaltigkeitswissenschaften. Die
Leuphana-Universität Lüneburg bietet sogar direkt einen MBA-Studiengang zum
Nachhaltigkeitsmanagement an. Ansonsten gibt es auch Lehrgänge und
Schulungen, die mit Nachhaltigkeitsmanagement überschrieben sind und
umweltwissenschaftliche, betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse
vermitteln. Auch ein Quereinstieg ist aber theoretisch möglich.
## Brunnenbauer/in
Wasser ist praktisch die wichtigste natürliche Ressource der Menschheit,
noch vor Gold oder Eisen, Öl oder Gas. Aus alldem kann man zwar Energie
gewinnen oder Produkte schmieden – aber ohne zu trinken, überlebt kein
Mensch. Mal ganz abgesehen davon, dass auch die Industrie Unmengen von
Wasser verbraucht. Gerade erst haben die Vereinten Nationen in einem
Bericht erneut gewarnt: Weil die Erderhitzung Wasser verdunsten und damit
knapper werden lässt, sind wir immer mehr auf das Grundwasser angewiesen.
Da kommen die Brunnenbauer:innen ins Spiel. Sie führen Bohrungen durch,
um neue unterirdische Wasserquellen zugänglich zu machen, und legen Brunnen
an. Das bedeutet: eine Menge bohren, Schächte anlegen, Pumpen aufbauen –
und dabei die Sicherheit auf der Baustelle sowie Umweltschutz und
Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren.
Letzteres wird in der Ausbildung immer wichtiger. Daneben lernt man in der
Berufsschule alles Wichtige über die verschiedenen Boden- und Gesteinstypen
sowie über Baupläne und die technischen Grundlagen. Parallel wird das
Wissen gleich in die Praxis umgesetzt, von Anfang an verbringen
Auszubildende Zeit auf der Baustelle und packen mit an bei den schweren
Bohrmaschinen. Die machen die Arbeit zwar leichter als zu Zeiten, in denen
man sich per Hand bis zum Grundwasser durcharbeiten musste – körperlich
anstrengend ist der Job dennoch.
Für einen eigenen Betrieb müssen auch Brunnenbauer:innen Meister:in
werden. Wen die Selbstständigkeit nicht lockt, der kann beispielsweise
auch in Bauämtern unterkommen, also die Verwaltung voranbringen. Oder ein
Studium beispielsweise der Ingenieurswissenschaften anschließen – auch
ohne Abitur.
25 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Susanne Schwarz
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