# taz.de -- Ungerechte Verteilung von Sorge: Care-Arbeit in Zahlen | |
> Wie viele Männer arbeiten in der Pflege? Und wie groß ist der Gender Care | |
> Gap in Deutschland? Zahlen und Grafiken zur Sorgearbeit. | |
Sorgearbeit wie Pflegen, Putzen und Zuhören ist oft unsichtbar. Sie | |
geschieht in Küchen und Krankenhauszimmern, jenseits der öffentlichen | |
Bühne. Und privat wie beruflich wird sie mehrheitlich von Frauen erledigt. | |
Welche Wege gibt es, sie sichtbarer zu machen? „Keine einzige feministische | |
Fragestellung lässt sich auf rein quantitative Aspekte reduzieren“, | |
schreiben die Wissenschaftlerinnen Bettina Haidinger und Käthe Knittler in | |
ihrer Einführung zur feministischen Ökonomie. Aber das macht Zahlen nicht | |
irrelevant. | |
[1][Neben konkreten Geschichten] können auch Statistiken das Thema | |
greifbarer machen. Damit Ungerechtigkeiten nicht bloß mit Geschichten | |
Einzelner belegt werden. Also weg vom Gefühl, die Hausarbeit würde schon | |
gleichberechtigt erledigt. Weg von dem Gefühl, die Pflegerin ist die | |
Einzige, die unter den jetzigen Arbeitsbedingungen leidet und mit dem | |
Gedanken spielt, zu kündigen. | |
Und hin zum Fakt: Wie groß ist der Gender Care Gap in Deutschland? Und wer | |
nimmt sich während der Pandemie frei, um auf die Kinder aufzupassen? Sind | |
Pfleger:innen wirklich überall mehrheitlich Frauen? Und wie zufrieden | |
sind Pfleger:innen mit ihrem Job? | |
In Togo sind knapp 79 Prozent aller Pfleger:innen Männer, in Botswana | |
sind es knapp 71 Prozent. Im „Globalen Norden“ liegt die Pflege in der Hand | |
von Frauen. Die Soziologin Elli Scambor sagte im Standard, dass sich viele | |
Männer [2][erst für den Care-Beruf entscheiden, nachdem sie schon ein | |
technisches Studium] oder eine Lehre absolviert haben. | |
Laut der dritten repräsentativen Zeiterhebungsstudie liegt der Gender Care | |
Gap bei 52,4 % – besonders hoch ist er bei 34-Jährigen, da liegt er bei | |
110,6 %. Also die Zeit, in der 34-Jährige häufig Kleinkinder Zuhause | |
umsorgen. Wie es bei anderen Geschlechtern aussieht, wurde nicht erhoben. | |
„Frauen werden bei der Gleichstellung um 30 Jahre zurückgeworfen“, das | |
erkannte die Soziologin Jutta Allmendinger schon zu Anfang der | |
Coronapandemie. Es ist während der Pandemie immer mal wieder Thema, flaut | |
dann aber auch schnell wieder ab. | |
Wenn es um die Pflege geht, fällt der Fokus schnell auf Pflegeheime. Dabei | |
werden in Deutschland viel mehr Menschen Zuhause gepflegt, also von | |
Angehörigen, ambulanten Pflegediensten oder von sogenannten live-ins, die | |
Pflegebedürftige [3][24 Stunden am Tag betreuen]. | |
Die Pflegekrise wächst. Das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Weil | |
Deutschland eine alternde Bevölkerung hat, nimmt die Anzahl der | |
Pflegebedürftigen immer weiter zu. An der Anzahl der Beschäftigten in | |
Pflegeheimen ändert sich jedoch kaum etwas: Viele Auszubildende brechen | |
noch vor dem Abschluss ab, selbst Pflegende, die in ihrem Beruf arbeiten, | |
reduzieren ihre Stellen oft auf Teilzeit, weil der Job stressig ist. Laut | |
der Krankenkasse AOK könnten 2030 etwa 130.000 Pfleger:innen fehlen, | |
[4][2050 schon etwa eine Million]. | |
Viele Pflegende haben ihren Beruf gewählt, um anderen zu helfen, um für sie | |
da zu sein. Oft ist das nicht möglich: Die Kapitalisierung des | |
Gesundheitssystems führt dazu, dass viele Pflegekräfte in ihren | |
Arbeitszeiten gerade so das Nötigste schaffen. Das führt zu Frust – und bei | |
vielen zu dem Gedanken, den Beruf zu verlassen. | |
7 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Feministischer-Kampftag/!t5017565 | |
[2] https://www.derstandard.de/story/2000111670295/wie-man-maenner-in-pflegeber… | |
[3] /Gerichtsverfahren-zu-Arbeitszeit/!5701480 | |
[4] https://www.rnd.de/wirtschaft/pflege-report-bis-2050-fehlt-eine-million-pfl… | |
## AUTOREN | |
Sonja Trabandt | |
Nicole Opitz | |
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