| # taz.de -- CDU will Abriss von Thälmann-Denkmal: Betonköpfe in Pankow | |
| > Wegen des Ukrainekriegs will die CDU das monumentale Denkmal abreißen. | |
| > Was hat der Berliner Kommunist mit Putins Russland zu tun? | |
| Bild: Erstaunlich widerstandsfähig: Das Thälmann-Denkmal sollte schon oft abg… | |
| Es gilt dieser Tage als Zeichen besonderer Reflektiertheit, sich an ewig | |
| gestrigen Alt-Linken – ob aus der ehemaligen DDR oder der real | |
| existierenden Linkspartei – abzuarbeiten, die Russland aus alter | |
| sozialistischer Verbundenheit die Treue halten oder es bis vor vier Wochen | |
| noch taten. Dabei wird aber verkannt, dass die Denkrichtung dieser | |
| gesellschaftlich unbedeutenden Randgruppe eine weitaus breitere und also | |
| gefährlichere spiegelbildliche Entsprechung auf bürgerlicher Seite hat. | |
| Gemeint sind all jene, die beim Wort Russland – oder noch schlimmer: Russe! | |
| – weiterhin die rote Gefahr des kommunistischen Feindes sehen. Diese | |
| antikommunistisch motivierten notorischen Russlandfeinde haben mit den | |
| Russlandfreunden gemein, dass sie mehr als 30 Jahre nach dem Ende der | |
| Sowjetunion noch immer nicht realisieren wollen, dass Russland längst ein | |
| kapitalistischer Staat ist, der mit kommunistischen Ideen rein gar nichts | |
| zu tun hat. | |
| Ein aktuelles Beispiel für diese Alt-Konservativen findet sich in der | |
| Pankower CDU. Deren Fraktion hat für die Bezirksverordnetenversammlung am | |
| Mittwoch beantragt, die [1][Ernst-Thälmann-Büste in Prenzlauer Berg] | |
| abzureißen. Das 15 Meter hohe [2][denkmalgeschützte Monument] des einstigen | |
| Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) soll abgerissen | |
| werden, weil Russland Krieg in der Ukraine führt. Als Begründung heißt es | |
| in dem Antrag, dass Wladimir Putin den Untergang der Sowjetunion „nicht | |
| verwunden“ habe und die einstige Weltmacht wiederauferstehen lassen wolle. | |
| Was der in Buchenwald ermordete Thälmann, dessen Fixierung auf den Kampf | |
| gegen die Sozialdemokratie trotz der nationalsozialistischen Gefahr auch | |
| stramm Linken als fataler Fehler gilt, mit Putins Krieg zu tun hat, führen | |
| die Konservativen nicht aus. Stattdessen erläutern sie lang und breit die | |
| antidemokratische Grundhaltung Thälmanns und verweisen auf die Begründung | |
| für das KPD-Verbot von 1956. | |
| Die Erwähnung der „Darstellung von Hammer und Sichel am Denkmal“ verweist | |
| unterdessen auf die eigentliche Motivation: Thälmann soll aus der | |
| Erinnerung gestrichen werden, weil er Kommunist war. Und weil Kommunismus | |
| in diesem pawlowschen Reflex auch irgendwie Russland bedeutet, kommt der | |
| Krieg für dieses Anliegen gerade recht. | |
| Man könnte den Vorstoß der Pankower CDU als unwichtig abtun, als | |
| Aufmerksamkeitsgeheische marginalisierter (12,3 Prozent bei der | |
| Bezirkswahl) Kalter-Krieg-Kämpfer. Doch das würde dem verbreiteten | |
| anti-kommunistischen Ressentiment, das hier zum Ausdruck kommt, nicht | |
| gerecht. Bezeichnenderweise sind es ausgerechnet die Grünen, stärkste | |
| Fraktion im Bezirk, in Person ihrer Fraktionsvorsitzenden Hannah Wettig, | |
| die als Wurmfortsatz der Reaktionäre deren Vorschlag begrüßen. | |
| Laut Berliner Morgenpost verweist Wettig darauf, ihre Partei habe schon | |
| Anfang der 90er für den Abriss votiert. Heute kann sie sich auch | |
| vorstellen, das Denkmal so zu ändern, dass es gegen „die Verbrechen des | |
| Stalinismus und Ernst Thälmanns“ gerichtet ist. Als sei der Platz nicht | |
| erst im November [3][mit einer kritisch-künstlerischen Kommentierung des | |
| Denkmals] umgestaltet worden. | |
| Die Absurdität, den aktuellen Angriffskrieg mit kommunistischen Symbolen | |
| oder Persönlichkeiten in Verbindung zu bringen, haben die | |
| Geschichtsverdreher hierzulande nicht exklusiv. An der University of | |
| Florida wurde jüngst ein nach Karl Marx benannter Gruppenarbeitsraum | |
| umgetauft: laut der Universitätsleitung angemessen aufgrund der Ereignisse | |
| in der Ukraine. | |
| In beiden Fällen wird der aktuelle Krieg für antilinke Ressentiments | |
| missbraucht. Dahinter steckt gleichwohl die Logik, auf die Verbrechen eines | |
| Staates mit hilfloser Symbolpolitik zu reagieren. Man kann dies, auch enger | |
| gefasst, also auf tatsächliche Verbindungen zwischen dem Symbol und dem | |
| betreffenden Staat weiterdenken: Warum wurde nach dem US-Angriffskrieg auf | |
| den Irak – oder ein beliebiges anderes Land – nicht das Amerika-Haus oder | |
| die Amerika-Gedenkbibliothek gesprengt? Warum wurden nach der chinesischen | |
| Unterwerfung Hongkongs nicht die von China als Imagewerbung verschenkten | |
| Pandas im Zoo gekeult? Oder, fragt ein Twitter-User, warum wurde nach dem | |
| NSU-Terror nicht das Konrad-Adenauer-Haus abgerissen? | |
| Wie man es richtig macht, zeigt aktuell die Potsdamer Gedenkstätte | |
| Cecilienhof, wo an die Potsdamer Konferenz zum Ende des Zweiten Weltkrieges | |
| erinnert wird. Dort wurden die Blumenrabatten wieder in Form eines | |
| Sowjetsterns bepflanzt. Frank Kallensee, Sprecher der Stiftung Preußische | |
| Schlösser und Gärten, sagt dazu: Die Sowjetunion des Jahres 1945 dürfe | |
| nicht mit der Russischen Föderation des Jahres 2022 verwechselt werden. | |
| 23 Mar 2022 | |
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| Erik Peter | |
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