Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin: Hilferuf der Helfenden
> Die Situation am Hauptbahnhof, wo täglich Tausende Menschen aus der
> Ukraine ankommen, gerate zunehmend außer Kontrolle, warnt Moabit hilft.
Bild: Ankommen in Berlin: Das Hilfsangebot ist da, aber unübersichtlich am Hau…
Berlin taz |Mit eindringlichen Worten hat sich am Wochenende Moabit hilft
an die Öffentlichkeit gewandt: Die Situation am Hauptbahnhof, wo jeden Tag
Tausende [1][Flüchtlinge aus der Ukraine ankommen], drohe zu entgleiten,
schreibt die Hilfsorganisation. Geflüchtete fänden sich „immer wieder in
nicht tragbaren Situationen“. Jede Nacht schliefen „Hunderte Geflüchtete im
Bahnhof auf den Bänken, auf dem Boden und in den Toiletten“, heißt es in
der Pressemitteilung. Das habe man vorausgesagt, sei jedoch vom Senat
„nicht gehört“ worden.
Eigentlich sollen die Ankommenden am Hauptbahnhof schnell [2][in private
Unterkünfte] vermittelt werden können – auf der Website
[3][unterkunft-ukraine.]de haben sich laut Jörg Richert von der
Hilfsorganisation Karuna, die die Vermittlung im Auftrag der
Senatsverwaltung für Integration koordiniert, bereits rund 25.000
Berliner*innen registriert. 2,8 Betten werden von den Bietenden im
Schnitt als verfügbar angegeben. Insgesamt sind auf der Website bundesweit
über 300.000 Angebote registriert; das Bundesinnenministerium unterstützt
die gemeinsame Initiative mehrerer Organisationen und Unternehmen, auch die
Ferienwohnungsplattform Airbnb ist beteiligt.
Doch das schnelle Zusammenführen von Bietenden und Suchenden mithilfe der
Online-Datenbank funktioniere nicht – stattdessen finde am Hauptbahnhof
eine „völlig unkoordinierte“ Verteilung auf die Notunterkünfte statt, sagt
[4][Moabit-hilft-Sprecherin Diana Henniges] am Sonntag der taz. Wo diese
seien und wer dort Ansprechpartner*in ist, sei oft auch den
freiwilligen Helfer*innen am Hauptbahnhof nicht klar. Das wiederum
erschwere die Kommunikation mit den Geflüchteten, die dann „aus Angst vor
Ungewissheit“ häufig nicht in die wartenden Bussen vor dem Ankunftszelt am
Hauptbahnhof steigen wollten. Es brauche dringend mehr „Struktur und
Kontrolle“; die Ehrenamtlichen müssten gezielter eingebunden werden, etwa
im Krisenstab der Senatsverwaltung.
Täglich kommen „geschätzt mehr als 10.000 Kriegsflüchtlinge“ in Berlin a…
sagte ein Sprecher von Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) am Sonntag der
taz. Wie viele es genau sind, ist schwierig zu ermitteln, weil die Menschen
sich nur zum Teil registrieren lassen und oftmals selbstständig
weiterfahren oder Verwandte oder Freunde aufsuchen. In der Nacht zu Samstag
sind nach Angaben der Sozialverwaltung rund 1.000 Menschen in
Notunterkünfte gebracht worden. Dass das „Matching“ über
unterkunft-ukraine.de hingegen nur schwerfällig oder gar nicht funktioniert
und auch auf Nachfrage keine Vermittlung zustande kommt, bestätigte am
Wochenende auch eine taz-Redakteurin, die dort selbst ein Wohnangebot
gemacht hat.
[5][Richert, Geschäftsführer von Karuna], widerspricht dem: Über die
Online-Bettenbörse seien bis vergangenen Mittwoch rund 500 drei- bis
vierköpfige geflüchtete Familien vermittelt worden. Am Donnerstag weitere
100 Geflüchtete. Richert hofft, „am Montag oder Dienstag“ im neuen
Ankunftszentrum in Tegel wieder mit der Vermittlung starten zu können. Er
verspricht sich viel von dem zweiten großen Ankunftszentrum für
Ukraineflüchtlinge, das derzeit auf dem ehemaligen Flughafen Tegel entsteht
und das bestehende Ankunftszentrum in Reinickendorf ergänzen soll.
Laut der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sollen [6][in
Tegel] täglich 10.000 Menschen versorgt, registriert, beraten und auf
Unterkünfte verteilt werden können. Das Personal dafür soll vom Land selbst
und vom Deutschen Roten Kreuz kommen. Außerdem soll es bis zu 3.000
Schlafplätze in Tegel geben, in der Nacht zu Sonntag wurden die ersten 500
ans Netz genommen.
Richert sagt, man wolle sich in Tegel bei der Vermittlung in private
Unterkünfte besonders auf diejenigen konzentrieren, die entweder besonders
bedürftig sind, weil zum Beispiel körperlich beeinträchtigt, oder die
ohnehin nur auf der Durchreise sind. Denn für alle anderen brauche es eine
längere Perspektive, als Privatunterkünfte in der Regel geben könnten. „Wie
viele Menschen das betrifft, können wir aber momentan sehr schwer sagen“,
sagt Richert.
Aus Sicht von Moabit hilft muss die zentrale Vermittlungsarbeit hingegen
weiterhin im Hauptbahnhof stattfinden. Insbesondere für vulnerable Gruppen,
für Menschen mit Behinderung, für Kranke oder Mütter mit Säuglingen sei die
derzeitige Situation am Hauptbahnhof und die Odyssee in ein Ankunftszentrum
eine unnötige Tortur. Zudem leiste die unkoordinierte Ankunftssituation
Menschenhändlern Vorschub, die die Unübersichtlichkeit am Hauptbahnhof für
sich nutzen könnten, fürchtet Moabit hilft.
Henniges fordert, die Gruppe der besonders vulnerablen Geflüchteten deshalb
gleich bei der Ankunft am Bahnhof vom Rest der Geflüchteten zu trennen, um
sie gezielt und vorrangig in Unterkünfte vermitteln zu können. Fläche dafür
gebe es im Bahnhof zur Genüge, kontert sie Einwände, der Hauptbahnhof könne
so viele Menschen nicht aufnehmen. Etwaige Probleme mit dem Brandschutz,
die die Deutsche Bahn sieht, könne man mit Brandwachen und klar markierten
Laufrouten begegnen. Brenzlig sei vielmehr der jetzige Zustand, weil durch
die am Bahnhof übernachtenden Flüchtlinge „gefährliche Situationen aufgrund
ungesteuerter Menschenmassen“ entstünden.
Vom Sprecher der Sozialsenatorin heißt es am Sonntag, man kenne die von
Moabit hilft angesprochenen Probleme. Die „nötigen Verbesserungen“ wolle
man gemeinsam mit allen Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen besprechen.
Zu konkreten Punkten – etwa dass die zentrale Essensversorgung am
Hauptbahnhof durch den Senat nicht klappe und die medizinische Versorgung
mangelhaft sei – äußerte er sich nicht.
Giffey betonte am Sonntag erneut, dass man [7][auf den Bund angewiesen] sei
und Berlin die Versorgung der Geflüchteten nicht mehr allein stemmen könne:
„Dass der Bund ab nächster Woche verstärkt in die bundesweite Verteilung
der Geflüchteten nach einem festgelegten Schlüssel gehen will, ist dringend
notwendig.“Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das am Freitag
nach einer Sondersitzung mit den Innenminister*innen der Länder
schließlich zugesagt, nachdem sie sich Tage zuvor noch ablehnend gezeigt
hatte.
Hinweis: In einer früheren Version des Texts hatte es geheißen, Karuna
vermittle über unterkunft-ukraine.de 500 geflüchtete Familien pro Tag.
Karuna-Geschäftsführer Jörg Richert sagte, die Zahl habe sich auf den
täglichen Durchschnitt im Zeitraum 1. März bis 9. März bezogen. Am 10. März
habe man nochmal 100 Geflüchtete über die Plattform wonderflats vermittelt.
Am Wochenende hätten keine Vermittlungen stattgefunden.
13 Mar 2022
## LINKS
[1] /Fluechtlinge-aus-der-Ukraine/!5835569
[2] /Ukraine-Fluechtlinge-in-Berlin/!5836591
[3] https://www.unterkunft-ukraine.de/
[4] /Fluechtlingspolitik-des-Senats/!5746129
[5] /Fluechtlinge-aus-der-Ukraine/!5835661
[6] /Auswirkungen-des-Kriegs-in-der-Ukraine/!5840904
[7] /Ukraine-Kriegsfluechtlinge-in-Deutschland/!5840877
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Moabit hilft
Katja Kipping
Franziska Giffey
Flüchtlingspolitik
Kolumne Zwischen Menschen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Wochenkommentar
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Flüchtlingsverein von Politik genervt: „Moabit hilft“ verlässt Moabit
Der Berliner Hilfsverein will nicht länger Mieter einer teuren
Landesimmobilie sein und seine Arbeit künftig ohne physische Anlaufstelle
fortführen.
Der Tag, als Putin die Ukraine angriff: Drei Frauen und ein Hund
Ukrainerinnen aus drei Generationen sind zu Beginn des Krieges nach
Deutschland geflohen. Viele Menschen haben ihnen beim Ankommen geholfen.
Petition der Woche: Damit niemand leer ausgeht
In Berlin gibt es viel Leerstand, eine Petition möchte ihn nun für
Geflüchtete zur Verfügung stellen. Doch zahlreiche Wohnungen sind
verwahrlost.
Krieg in der Ukraine: Europa öffnet seine Türen
Die Innenminister haben beschlossen, dass Ukrainer:innen sich 90 Tage
lang visafrei in der EU bewegen dürfen. Bislang ist keine Umverteilung
geplant.
Flucht aus der Ukraine: Vier Personen auf zwei Sitzen
Der Zug von Warschau nach Berlin ist voll. Es zeigt sich, dass der Exodus
aus der Ukraine eine Bewegung von Müttern, Kindern und Haustieren ist.
Die Kirche in Russland und der Ukraine: Putins Popen
Der russisch-orthodoxe Klerus hat sich in Moskau dem Kreml bedingungslos
untergeordnet. In Kiew dagegen ist ein Kirchenkampf ausgebrochen.
Neues Ankunftszentrum für Geflüchtete: Tegel wird wieder Drehkreuz
Auf dem einstigen Flughafen Berlin-Tegel sollen künftig 10.000 Geflüchtete
pro Tag versorgt und verteilt werden können. Knackpunkt ist das Personal.
Vietnamesische Ukraine-Flüchtlinge: Erster Fluchtpunkt Kirchenkeller
Auch Vietnamesen flüchten aus der Ukraine nach Berlin. Sie stoßen hier auf
ein europaweites Hilfsnetzwerk. Unklar ist für viele der Aufenthaltstatus.
Flüchtlinge aus der Ukraine: Berlin schafft das
2015 versagte die Stadt beim Umgang mit den Geflüchteten. Nun kommen viel
mehr Menschen, doch das große Chaos bleibt aus. Woran liegt das?
Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine: 15.000 Geflüchtete pro Tag
Die meisten Menschen aus der Ukraine kommen erst mal nach Berlin. Die Stadt
sei an der Belastungsgrenze, sagt Regierungschefin Giffey.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.