Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der Tag, als Putin die Ukraine angriff: Drei Frauen und ein Hund
> Ukrainerinnen aus drei Generationen sind zu Beginn des Krieges nach
> Deutschland geflohen. Viele Menschen haben ihnen beim Ankommen geholfen.
Bild: Nicht einfach: als Flüchtling in einem fremden Land ankommen
Da standen sie vor einem Jahr. Drei Frauen aus der Ukraine, drei
Generationen. Oma, Mutter, Tochter – und ein Hündchen. Klein genug, dass es
in ihr Gepäck passte. Groß genug, dass es ihren Weg mitbestimmen sollte,
hier im neuen Land. Drei Frauen von vielen Geflüchteten aus der Ukraine,
die an diesen Tagen ankamen am Hamburger Hauptbahnhof.
Mich berührte ihre Geschichte, als ich vor Ort über die Ankommenden
schrieb, weil die drei nicht ihr Hündchen abgeben wollten, als sie in die
[1][Großunterkunft für Geflüchtete] sollten. Mit ihnen kam ich ins
Gespräch, mit ihnen hielt ich den Kontakt.
Die Mutter schickte mir ein Video aus der Großunterkunft: „Es ist
schrecklich hier“, sagte sie auf Englisch. Sie wollte möglichst schnell in
Hamburg ankommen, für ihre Tochter eine Zukunft schaffen. Es war ihr klar,
[2][dass der Krieg noch andauern würde].
Ich fragte in meinem Bekanntenkreis nach und eine nette Familie außerhalb
Hamburgs wollte die Familie mit dem Hündchen in ihr Haus aufnehmen. Doch
das war der Mutter zu weit weg. Sie fragte mich, ob ich sonst Wohnungen
wüsste, in denen auch Haustiere erlaubt sein würden.
## Nur ein kleiner Hund
„Der Hund ist ganz unscheinbar“, wiederholte sie, als würde der Hund den
Charakter der ganzen Familie ausdrücken. Wie durch ein Wunder fand ich über
einen Bekannten tatsächlich eine kleine Wohnung, nah am Zentrum. Eine
Wohnung für sie allein. Günstig genug, dass das Amt die Kosten übernehmen
würde. Ein Anfang.
Ich dachte, dass sie sich freuen würden, doch nach der Besichtigung kam
eine Sprachnachricht der Mutter: „Die Wohnung ist im fünften Stock, meine
Mutter hat damit Schwierigkeiten. Es gibt gar keine Möbel. Nur einen
Kühlschrank und eine Waschmaschine.“
Das Beeindruckende war dann, wie ihnen der Vormieter der Wohnung, ein
Student, half. Er besorgte über Ebay-Kleinanzeigen Möbel, die dort
verschenkt wurden: Tische, Stühle, Betten, ein Sofa, Matratzen, Bettwäsche,
Handtücher, Besteck, eine komplette Wohnungseinrichtung. Er organisierte
auch kostenlos einen Sprinter, mit dem wir zu Dritt die Möbel überall in
der Stadt abholten.
Es war damals zu spüren, wie schockiert die Menschen über den
[3][Angriffskrieg in der Ukraine] waren. Wie sie sich freuten zu hören,
dass die Möbel für ukrainische Geflüchtete seien. Eine Frau gab sogar ein
noch fast neues Handy von ihr dazu. Wir trugen die Möbel in den fünften
Stock hinauf. Kommilitoninnen des Studenten halfen.
## Deutsche mögen Radieschen
Die drei ukrainischen Frauen waren glücklich. Sie bauten Getränke und Essen
auf einem kleinen Tisch auf. Die meisten von den Helfenden aßen von den
Radieschen, das einzige, das keine Süßigkeit war. Radies-chen: Die Mutter
wiederholte das Wort, wie um es sich einzuprägen für ihr neues Leben. Die
Deutschen mögen Radieschen.
Der Student organisierte auch sonst alles für die Familie, half ihnen mit
dem Amt. Er hatte gerade ein paar Tage Zeit. Auch mir ging es so. Ich
erinnere mich noch an eine Szene, als wir das Bett aufgebaut hatten. Wie
die Mutter nach Hause kam, weil sie zuvor etwas mit dem Sprachunterricht
geregelt hatte, und wir ihr stolz das Bett zeigten. „Es ist zu groß“, sagte
sie.
Es war, als läge ihre Freude unter einer Schicht, als wüsste sie, dass
diese Wohnung nur ein „als ob“ war. Sie fragte mich in den kommenden Wochen
recht schnell, ob ich eine andere Wohnung für sie wüsste und Wohnungen für
andere Menschen, sie schickte mir Bilder von Schrauben, die sie benötigte.
Ich versuchte ihr auch andere Personen und [4][ehrenamtliche Stellen zu
vermitteln], die ihr helfen. Der Student und ich hatten nun nicht mehr so
viel Zeit wie am Anfang. Es ist viel Arbeit, einer Familie beim Ankommen zu
helfen. Es braucht dafür viele.
An Weihnachten schickte mir die ukrainische Familie ein Video. Sie sitzen
zusammen mit dem Hündchen auf dem Sofa in ihrer neuen Wohnung außerhalb
Hamburgs, die die Mutter gefunden hatte. Ein Weihnachtsbaum leuchtet. Sie
wünschen zusammen frohe Weihnachten, Glück und Zufriedenheit und wechseln
sich ab beim Sprechen. Sie sprechen auf Deutsch. Sie sehen froh und stolz
aus.
25 Feb 2023
## LINKS
[1] /Unterkunftssuche-fuer-Gefluechtete-am-ZOB/!5842913
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5918065
[3] /Podcast-Bundestalk/!5917690
[4] https://www.hanseatic-help.org/
## AUTOREN
Christa Pfafferott
## TAGS
Kolumne Zwischen Menschen
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
Ukraine
Krieg
Geflüchtete
Schwerpunkt Armut
Kolumne Zwischen Menschen
Türkei
IG
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Engagement für Arme in Hamburg: Stillsitzen kommt nicht infrage
Andrea de Luna hilft in Altona mit ihrem Verein „Dein Topf“ bedürftigen
Menschen. Kürzlich hat die Heavy-Metal-Band Metallica 40.000 Euro
gespendet.
„Antihero“ aus allen Boxen: Das Lied des Jungen
Der ukrainische Junge stand in einem Elektronik-Laden und hörte sein Lied
beim Boxen-Test. Es war der Beginn einer fast wortlosen Begegnung.
Vorstoß von Baerbock und Faeser: Erdbebenopfer sollen Visa bekommen
In Deutschland wollen viele Menschen türkische oder syrische Erdbebenopfer
aufnehmen. Baerbock und Faeser versprechen ein schnelles Verfahren.
20-Euro-Zuschlag für arme Kinder: Es braucht mehr Verteilungdebatten
Angesichts von Krieg und Corona droht eine Konkurrenz zwischen
Leistungsempfänger:innen. Sie dürfen nicht den Preis der immensen
Mehrkosten bezahlen.
Geflüchtete aus der Ukraine in Berlin: Hilferuf der Helfenden
Die Situation am Hauptbahnhof, wo täglich Tausende Menschen aus der Ukraine
ankommen, gerate zunehmend außer Kontrolle, warnt Moabit hilft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.