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# taz.de -- Hanau-Gedenken in Berlin: Kein Vergessen
> Zum zweiten Jahrestags des Anschlags in Hanau gibt es auch in Berlin
> zahlreiche Veranstaltungen gegen den rassistischen Normalzustand.
Bild: Say Their Names: Angehörige der Opfer verlangen Aufklärung vor dem hess…
Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz, Vili Viorel Păun, Gökhan
Gültekin, Mercedes Kierpacz, Ferhat Unvar, Hamza Kurtović und Said Nesar
Hashemi.
Hinter den Namen verbirgen sich die Schicksale von neun jungen Menschen,
die abrupt aus dem Leben gerissen wurden. Said Hashemi konnte nicht mehr
Trauzeuge seines besten Freundes werden. Mercedes Kierpacz hinterlässt zwei
Kinder. Gökhan Gültekin hatte sich erst kurz vor seinem Tod selbständig
gemacht. [1][Die Geschichten der anderen sechs sind nicht weniger
tragisch.]
Am Samstag vor genau zwei Jahren erschoss sie in im hessischen Hanau der
Rechtsextremist Tobias R. Der Täter machte gezielt Jagd auf Menschen, die
nach ihrem Aussehen nicht seiner Vorstellung von „Deutschsein“ entsprachen.
Im vergangenen [2][Dezember wurden die Ermittlungen eingestellt]. Das
offizielle Ergebnis: R. war ein Einzeltäter. Doch R. war nicht allein.
Seine Tat wurde erst ermöglicht durch den in Deutschland herrschenden
rassistischen Normalzustand.
## Hanau ist kein Einzelfall
[3][Der Notausgang in der Shishabar, indem der Täter seine Opfer suchte war
versperrt] – Laut Zeugen auf Anordnung der Polizei, um die regelmäßigen
Razzien in der Bar zu ermöglichen.
Die Polizei [4][verpasste in der Tatnacht mehrere Notrufe] und rückte viel
zu spät an. Die SEK-Einheit, die an diesem Abend im Einsatz war wurde
später wegen [5][rechtsextremistischer Umtriebe] aufgelöst.
Der Täter war getrieben von einer rassistischen Ideologie, die befeuert
wird von Parteien wie der AfD, die geflohene Menschen als „Messermänner“
bezeichnet. Von rassistischen Medienberichten, in denen Shishabars seit
Jahren als kriminelle Orte dargestellt werden. Von einem kapitalistischen
System, dass Migrant:innen [6][gerne als Arbeitskräfte ausnutzt],
gesellschaftlich aber ausgrenzt.
Hanau war kein Einzelfall sondern nur ein weiterer Höhepunkt der
rassistischen Gewalt in der wiedervereinigten BRD. So zählt die [7][Amadeu
Antonio Stiftung] 214 Todesfälle rassistischer Gewalt seit 1990.
Den Opfern von Hanau zu gedenken, heißt daher auch gegen den rassistischen
Normalzustand vorzugehen. Zum Jahrestag finden wie überall in Deutschland
auch in Berlin zahlreiche [8][Gedenkveranstaltungen] statt (Samstag, 19.
Februar. Gedenkveranstaltungen: Leopoldplatz 12 Uhr; Oranienplatz 16 Uhr;
Demonstration, Zickenplatz 19.30 Uhr)
## Hanau ist überall
Unvergessen ist auch Sven Beuter, der 1996 in Brandenburg an der Havel
ermordet worden ist. Der damals 23 Jahre alte Punk wurde überfallen und
brutal zu Tode geprügelt. Das Gericht sah den Konflikt nicht als rechts
motivierten Mord, sondern als Streit zwischen Jugendlichen an. Der Täter
wurde nur wegen Totschlags, nicht wegen Mord zu siebeneinhalb Jahren Haft
verurteilt. Mittlerweile ist er wieder auf freiem Fuß und weiterhin in der
Neonaziszene aktiv. Zu Beuters Gedenken findet am Sonntag eine
[9][Gedenkkundgebung] in Brandenburg an der Havel statt (20. Februar,
Havelstraße 13, 17 Uhr)
Dass rassistische Gewalt auch im als tolerant geltenden Berlin
allgegenwärtig ist, zeigte sich Anfang Februar, als die 17-Jährige Dilan am
S-Bahnhof Greifswalder Straße von 6 Personen rassistisch beleidigt und
anschließend geschlagen wurde. Keiner der umstehenden Personen griff ein
oder informierte die Polizei. Diese stellte dann [10][im Nachhinein Dilan
als Maskenverweigerin] falsch dar und [11][vergrub das rassistische Motiv
Tat zunächst in einem Nebensatz]. Viele Medien verbreiteten diese
Darstellung ungeprüft, von Rassismus war nirgends die Rede und die
17-Jährige musste die Sachlage von ihrem Krankenbett aus in einem
Instagramvideo klarstellen, bevor Polizei und Medien ihren Fehler
korrigierten.
Um ein Zeichen der Solidarität mit Dilan zu setzen, wird es am Sonntag eine
Demo durch den Prenzlauer Berg geben (Sonntag, 20. Februar, Startpunkt
Greifswalder Straße, 14 Uhr).
All diese Fälle zeichnen eine Kultur des Wegschauens, Wegduckens und
Kleinredens, die sich durch Instutionen und Gesellschaft zieht. Es ist
höchste Zeit damit zu brechen.
16 Feb 2022
## LINKS
[1] https://www.hanau-steht-zusammen.de/nachrufe
[2] /Rassistischer-Anschlag-in-Hanau/!5822641
[3] /Ermittlungen-zu-Hanau-Anschlag/!5796558
[4] /Nach-Anschlag-in-Hanau/!5761269
[5] /Umgang-mit-rechter-Gewalt/!5786356
[6] /Migrationsmuseum-in-Berlin-geplant/!5818638
[7] https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/
[8] https://19feb-hanau.org/hanauistueberall2022/
[9] https://inforiot.de/kundgebung-zum-gedenken-an-ermordeten-sven-beuter/
[10] /Angriff-auf-junge-Berlinerin/!5834436
[11] /Rassistischer-Angriff-auf-17-Jaehrige/!5834606
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
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Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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