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# taz.de -- Brumlik über Rechte von Sinti und Roma: „Hanau war der Anlass“
> Was tun gegen Antiziganismus? Der jüdische Intellektuelle Micha Brumlik
> fordert, dessen Bekämpfung als Ziel in den Landesverfassungen zu
> verankern.
Bild: Gedenken vor dem Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti…
taz: Herr Brumlik, im Januar will der Brandenburger Landtag über den
Gesetzentwurf von SPD, CDU, Grünen und Linkspartei entscheiden, den
bestehenden Artikel 7a um ein Staatsziel zur Bekämpfung des Antisemitismus
zu ergänzen. Er soll dann lauten: „Das Land schützt das friedliche
Zusammenleben der Menschen und tritt Antisemitismus sowie der Verbreitung
rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.“ Ihnen reicht
das nicht aus.
Micha Brumlik: Wir, das ist eine Reihe von jüdischen Intellektuellen,
Wissenschaftlern sowie der Vizepräsident des Internationalen Komitees
Buchenwald-Dora, fordern neben dem Landesverband deutscher Sinti und Roma
Berlin-Brandenburg eine Ergänzung bezüglich der Bekämpfung von
Antiziganismus. Also: „Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der
Menschen und tritt Antisemitismus, Antiziganismus sowie der Verbreitung
fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.“ Und im zweiten Absatz: „Das Land
fördert die Stärkung jüdischen Lebens sowie des Lebens von Sinti und Roma.“
Warum ist das nötig?
Es entspricht der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands und
auch des Landes Brandenburg, Antisemitismus und Antiziganismus in einer
Landesverfassung gleich zu behandeln.
Letztes Jahr legte die [1][Unabhängige Kommission Antiziganismus im
Bundestag einen Bericht vor,] der von Rassismus und Racial Profiling
gegenüber Sinti:ze und Rom:nja berichtet. Wie steht es um die
Gemeinschaft der Sinti:ze und Rom:nja in Deutschland?
Was mir lebensweltlich bekannt ist, ist die verächtliche Art und Weise, mit
der Sinti:ze und Rom:nja auf der Straße angegangen, also verachtet und
beschimpft werden. Auch die Polizei nimmt meines Wissens entsprechende
Anzeigen von Sinti:ze und Rom:nja sehr viel weniger zur Kenntnis und
Racial Profiling ist ein Phänomen, das auch diese betrifft.
Hat sich Antiziganismus in den letzten Jahren verstärkt?
Meines Wissens sind Sinti:ze und Rom:nja in der allgemeinen
Öffentlichkeit inzwischen geachteter. Beim rassistischen Anschlag im
Februar 2020 in Hanau wurden jedoch drei Sinti:ze und Rom:nja ermordet:
Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov und Vili-Viorel Păun. Das war der Anlass
für unser Anliegen.
Die einzige Landesverfassung, die den Schutz der Sinti:ze und Rom:nja
gesondert erwähnt, ist die Schleswig-Holsteins. Ändert eine Erweiterung des
Artikels das Leben der Sinti:ze und Rom:nja?
Unmittelbar natürlich nicht. Der Erfolg einer wirksamen Überwindung von
Antiziganismus hängt aber unmittelbar von der Anerkennung der
Eigenständigkeit des Phänomens ab. Wir hoffen, dass dadurch Polizei und
Staatsschutzbehörden sich bei ihrer Auseinandersetzung mit
Rechtsextremismus auch intensiv mit Antiziganismusströmungen
auseinandersetzen. Wie zum Beispiel im Fall von Hanau. Darüber hinaus
wollen wir, dass auch in kulturpolitischer Hinsicht die Möglichkeiten für
Sinti:ze und Rom:nja bestehen, Projekte, die kulturelles
Selbstverständnis in Deutschland fördern, subventioniert zu bekommen. Es
soll ein Impuls sein: dass, sowohl was Jahrestage angeht als auch die
historische Bildung in Schulen wie auch in der außerschulischen Bildung,
sehr viel stärker auf dieses Thema aufmerksam gemacht wird.
Eine Bildungsstudie aus dem vergangenen Jahr zur Lage der Sinti:ze und
Rom:nja in Deutschland hat eine „extreme“ Bildungsbenachteiligung
angeprangert. Laut Bundesregierung achte man ausreichend auf
Chancengleichheit und Antidiskriminierung, Sinti:ze und Rom:nja
bräuchten dementsprechend keine gezielten Fördermaßnahmen. Wie stichhaltig
finden Sie diese Argumentation?
Kann sein, dass das die Meinung der Bundesregierung ist. Da Bildungspolitik
in Deutschland aber Angelegenheit der Länder ist, hoffen wir, dass von
einem solchen Zusatz in der Verfassung Anstrengungen unternommen werden,
Kinder aus diesen Gruppen gezielt zu fördern.
Was bräuchte es noch, um Alltagsrassismus gegenüber Sinti:ze und Rom:nja
zu bekämpfen?
Es braucht öffentliche Veranstaltungen, keineswegs nur für Jugendliche, in
denen Sinti:ze und Rom:nja auch die Gelegenheit gegeben wird, ihre
eigene Kultur und ihre Geschichte überzeugend darzustellen.
9 Jan 2022
## LINKS
[1] /Antiziganismus-Bericht-fuer-Deutschland/!5781261
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
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